Thomas Mann – Felix Krull

Begonnen von Peter Waldbauer, 23. September 2017, 22:49:06

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Peter Waldbauer

Völlig überbewertet

Der unerträgliche, geschwätzige Stil des Autors durchzieht das ganze Buch. Eine Sprache, die sich spreizt und zeigen will, zu welchen Formulierungen sie im Stande ist. Ein von der Grammatik abgesegneter Unfug verhindert das Eintauchen in die Geschichte. Man muss sich größtenteils zwingen zum Lesen. Immer wieder versperren ermüdende Aufzählungen von Gegenständen den Fortgang der Handlung. Das Stilmittel des `pars pro toto` ist dem "Weltautor" Mann offenbar fremd.

Taugt die eigentümlich komplizierte Redensweise der Hauptfigur immerhin noch dazu, deren Selbstverständnis und angestrebten Status zu unterstreichen, so lässt der Autor auch alle anderen Figuren, selbst junge Töchter, in gedrechselten Schachtelsätzen schwadronieren. Mann ist in seinen geschwätzigen Stil so verliebt, dass er die Möglichkeiten einer persönlichen Charakterisierung der jeweiligen Figur komplett ignoriert. Fast jeder und jede, die auftaucht, redet im ´Krull-Stil`.

Dieser besteht darin, dass der Sprecher während seiner Rede auf die Metaebene wechselt, um von dort sein eigenes Sprachverhalten fortwährend zu kommentieren. So entstehen sinnlose Einschübe wie: ,,Es scheint mir, dass", ,,so möchte ich behaupten", ,,schien es mir doch angemessen zu sagen", ,,scheint es meiner Pflicht zu obliegen, den Leser auf die Tatsache hinzuweisen, dass", ,,wenn ich mich nicht irre", etc. Das maßlose Erweitern der Sätze, das Einziehen immer weiterer Unterebenen, trägt zur Verwirrung bei und erschwert die Lesbarkeit.

Die Hochstapelei - das angebliche Grundmotiv des Romans - lässt sich nur sehr eingeschränkt feststellen. Krankfeiern und banaler Diebstahl haben nichts mit Hochstapeln zu tun. Kellnern auch nicht. Ebensowenig Krulls verkappte Gigolo-Tätigkeit. Auch die Ausmusterung beim Militär erlangt er nicht durch die Überhöhung seines Könnens, sondern durch das Gegenteil.

Da, wo Manns Hauptfigur sich tatsächlich zu höherem aufschwingt, nimmt er einen Rollentausch vor, leistet er eine bloße Gefälligkeit. Außer die Welt zu bereisen, erlangt er durch die Annahme der fremden Identität keinen Vorteil, und selbst dieser ist nicht erschlichen, sondern mit dem Tauschpartner vereinbart. Im Gegenteil: Krull übergibt ihm sogar noch seine Ersparnisse.

Ein Hochstapler hätte Krull erst dann richtig sein können, wenn er seine Rolle als reisender Marquis auf Kosten fremder Eltern dazu benutzt hätte, eigene Unternehmungen zu wagen, wenn er bedeutende Positionen erlängt hätte, wenn er Tätigkeiten entfaltet hätte, die über die Absprache mit dem in Paris gebliebenen Kollegen hinausgegangen wären. So beschränkt sich seine Rolle darauf, dem Müßiggang zu fröhnen, Frauen mit seinem Äußeren zu beeindrucken und von unterwegs Briefe im Namen eines anderen zu schreiben.
Peter Waldbauer, Jahrgang 1966, ist Betriebswirt und wohnt als freiberuflicher Dozent und Autor in der Nähe von Heidelberg. Er veröffentlichte bisher Essays und ein Dutzend Bücher:
www.amazon.de/-/e/B00MBNCS5Y
Facebook: www.facebook.com/peter.waldbauer.77

Kassandra

*lol* Danke für den Verriss. Ich finde Thomas Mann auch nicht so super. Damals gab es wohl nichts Besseres, aber inzwischen ist das Niveau gestiegen.
Ich lese und rezensiere gerade eine Biographie über Nietzsche, über der ich abends immer einschlafe. Super Schlafmittel!

Peter Waldbauer

Zitat von: Kassandra in 25. September 2017, 10:34:44
*lol* Danke für den Verriss. Ich finde Thomas Mann auch nicht so super. Damals gab es wohl nichts Besseres, aber inzwischen ist das Niveau gestiegen.
Ich lese und rezensiere gerade eine Biographie über Nietzsche, über der ich abends immer einschlafe. Super Schlafmittel!

:wieher:
Aber ist Nietsches Bio nicht interessant? Oder liegt es am Schreibstil des Autors?
Peter Waldbauer, Jahrgang 1966, ist Betriebswirt und wohnt als freiberuflicher Dozent und Autor in der Nähe von Heidelberg. Er veröffentlichte bisher Essays und ein Dutzend Bücher:
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Kassandra

Ich finde Nietzsches Biographie eher gruselig. Außerdem weiß ich schon, wie sie ausgeht.
Aber vor allem schläfert der Schreibstil des Autors ein. Er wertet nicht, was ja an sich Ok ist, aber manches sollte man vielleicht doch werten?? Na, ich bin jetzt jedenfalls durch mit dem Buch. Der Lesespaß kann neu beginnen!
Viele Grüße,
Kassandra

Peter Waldbauer

Erscheint die Rezi dann bald hier?
Peter Waldbauer, Jahrgang 1966, ist Betriebswirt und wohnt als freiberuflicher Dozent und Autor in der Nähe von Heidelberg. Er veröffentlichte bisher Essays und ein Dutzend Bücher:
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Xandi

Morgen

Also mir obliegt es nicht zu urteilen, über Bücher, die ich nicht gelesen hab.
und ich muss wohl auch nicht hinweisen, dass ich um dieses Buch, nach dieser, nicht wirklich guten, aber durchaus lustigen, wahrlich
wortgewandten Kritik, einen Bogen, einen sehr weiten, überaus ausholenden machen werde.

:-> Xandi
Bücher, Schoko und Rock'n'Roll

Ich lese gerade:

Peter Waldbauer

@Xandi

Xandi, ich hab den Eindruck, du kopierst den Mann-Stil. :wieher:
Peter Waldbauer, Jahrgang 1966, ist Betriebswirt und wohnt als freiberuflicher Dozent und Autor in der Nähe von Heidelberg. Er veröffentlichte bisher Essays und ein Dutzend Bücher:
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Kassandra

Nein, die Rezension erschien in einer Literaturzeitschrift.
Viele Grüße,
Kassandra