Neuhaus, Nele: Eine unbeliebte Frau

Band 1 Bodenstein & Kirchhoff Reihe

Verlag: List
erschienen:
2009
Seiten:
414
Ausgabe:
Taschenbuch
ISBN:
3548608876

Klappentext:

Eine Ladung Schrot aus dem eigenen Jagdgewehr beschert dem Frankfurter Oberstaatsanwalt ein schnelles, wenn auch sehr hässliches Ende. Die schöne junge Frau, die tot am Fuß eines Aussichtsturms im Taunus liegt, ist viel zu unversehrt, um an den Folgen eines Sturzes gestorben zu sein. Kriminalhauptkommissar Oliver von Bodenstein und seine neue Kollegin Pia Kirchhoff sind sich einig: Der erste Todesfall war ein Selbstmord, der zweite jedoch ein Mord. Bald häufen sich sowohl die Motive als auch die Verdächtigen. Doch was hat den Staatsanwalt in den Tod getrieben?

Rezension:

Schon lange wollte ich die Krimireihe von Nele Neuhaus einmal ausprobieren. Mit ihrer mittlerweile sechs Bände umfassenden Serie ist die Autorin ein Phänomen im deutschen Buchhandel. Bestsellerlisten und Auslandslizenzen haben aus Nele Neuhaus eine Überfliegerin gemacht. Dabei veröffentlichte sie ihre ersten zwei Romane sogar im Eigenverlag und hat sich mit viel Engagement und Herzblut hochgearbeitet, um dann bei Ullsten/List eine märchenhafte Karriere zu starten.

Allein dieser Werdegang hat mich beeindruckt und nun sitze ich vor dem ausgelesenen Buch und versuche den Hype um diese Reihe zu verstehen. Wird die Serie in den weiteren Bänden so viel besser? Liegt es an mir? Oder ist es doch mal wieder so, dass die Spiegel Bestsellerliste die qualitative Aussagekraft eines Toastbrotes hat?

Aber fangen wir von vorne an. Es geht gleich gut los in „Eine unbeliebte Frau“. Ein Selbstmord und ein vermeintlicher Mord, zudem bekommen alle Protagonisten eine kleine Einführung spendiert. Über die familiäre Situation im Hause Kirchhoff und Bodenstein ist man also erstmal informiert. Im Laufe des Romans merkt man aber, da kommt ansonsten keinerlei Input mehr in Sachen Charaktertiefe und das führt sich bei den zahlreichen Nebenfiguren fort. Zwei drei Sätze über den Familienstand und die berufliche Situation und das war es und da der Roman sehr dialoglastig ist, gibt es auch keinerlei Gedankengänge oder Beschreibungen, die irgendeiner Figur so etwas wie eine Persönlichkeit verleihen. Bei den Nebenfiguren ist dies vielleicht noch verzeihbar, bei Pia und Oliver, die auf ihren Schultern eine ganze Serie tragen sollen, ist es einfach ein grober Fehler.

Hinzu kommt die Angewohnheit viele Figuren nur mit Nachnamen zu beschreiben. Besonders bei Oliver Bodenstein fällt das sehr unangenehm auf. Bodenstein tut dies, tut jenes, Bodenstein schmachtet Inka an, etc. etc. Manchmal steht in jedem Satz ein Bodenstein, so als wäre Neuhaus kein Synonym eingefallen. Es macht den Text jedenfalls unnötig hart und unpersönlich.

Der Fall an sich verliert sich im Laufe des Romans in Kleinigkeiten und Nebenhandlungen. Ehrlich gesagt, haben alle Figuren irgendwo nicht mehr alle Latten am Zaun. Menschenhandel, Geldschiebereien, Mord und Totschlag, Verstümmelung, Ehefrauen umbringen und/oder schlagen, Prostiution und Drogenhandel. Ich muss lange überlegen, bis mir eine Straftat einfällt, die nicht vorkommt. Einige Figuren begehen gleich einen ganz Strauß solcher Delikte und werden dafür anscheinend nicht mal belangt. In einer Rezension habe ich gelesen, es wäre schön gewesen mal einen Roman ohne Serienmörder zu lesen. Ich kann nur sagen, lieber einen saftigen Killer, als diese Schar an Ausgeburten der Hölle.

Wirkliche Polizeiarbeit findet man in „Die unbeliebte Frau“ auch nicht. Oliver und Pia fallen Hinweise einfach so zu. Der Fall löst sich im Prinzip von allein und hätte meine Tatort-geschulten Großeltern vor keine großen Probleme gestellt. Einen erfahrenen Krimileser schon mal gar nicht. Hinzu kommt, dass vieles nur gelöst wird, indem eine weitere austauschbare Nebenfigur auftaucht, die selbstredend auch Dreck am Stecken hat. Irgendwann weiß man in diesem Dickicht gar nicht mehr wer denn nun wer ist.

Auf zwei Dinge des Falls möchte ich noch etwas näher eingehen, weil sie mich wirklich tierisch aufgeregt haben. Mit dem Mord an Isabell verschwindet auch ihre fünfjährige Tochter, die auf den ersten 300 Seiten 1-2 mal kurz erwähnt wird, deren Befinden anscheinend aber niemanden interessiert. Tatsächlich hatte ich das Gefühl, es wird nicht mal richtig nach ihr gesucht.  Weiterhin gibt es mit Anna Lena Döring eine Figur, die ganz offensichtlich von ihrem Mann misshandelt wird, die in Angst und Schrecken lebt und diese Bedenken gegenüber Bodenstein auch klar äußert. Trotzdem bekommt sie weder Personenschutz, noch bemüht man sich in irgendeiner Form ihr wirklich zu helfen. Und letzteres führt sich unglaublich oft fort. Da können mehr oder weniger ungestraft ein paar Verbindungsbrüder als Denkzettel einem anderen den Penis abschneiden und grinsen Oliver Bodenstein danach noch frech ins Gesicht. Ich weiß nicht, was man  im Taunus so veranstalten muss, aber so besonders beschaulich ist es dort wohl nicht.

Lokalkolorit kann ich bis auf das Nennen von Städten auch keinen finden und die so gelobten Landschaftsbeschreibungen muss ich zwischen den ganzen Bodensteins übersehen haben.  Unangenehm aufgefallen ist mir auch das stetige Nennen von Markennamen und den übertriebenen Protz. Man muss seiner Figur nicht gleich einen Maybach vor die Haustür stellen, damit der Leser versteht, dass er nicht am Hungertuch nagen muss. Etwas weniger dick aufgetragen, hätte auch gereicht. Was den Fall angeht, so war es mir am Ende fast egal, wer denn nun der Täter war. Täter waren sie schließlich alle, wenn auch nicht Isabells Mörder.

Es tut mir ehrlich gesagt fast leid, dieses Buch so schlecht bewerten zu müssen, denn Nele Neuhaus ist eine sympathische Frau, der man den überragenden Erfolg wirklich gönnt. Aber es hilft ja nun nix. Ich kann mit ihrer Reihe um Pia und Oliver leider überhaupt nichts anfangen und hoffe, dass ich dies auch ausführlich genug begründet habe. Da ich Band 2-5 noch als Taschenbücher hier liegen habe (was ebenfalls aufzeigt, wie viel ich mir von der Reihe versprochen habe), weiß ich nicht, ob ich weiterlesen werde. Ich glaube, über meine Leseerfahrung muss erstmal ein bisschen Gras wachsen.

Wer Interesse an unserer kleinen Leserunde im Forum hat, der kann sie hier nachlesen. Dort wird auch deutlich, wie sehr alle Teilnehmer dieses Buch mögen wollten, sich aber am Ende geschlagen geben mussten. Die Leserunde enthält natürlich Spoiler, also bitte aufpassen, falls ihr euch die Spannung erhalten wollt.

Note: 4-

hinterlasse einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

  • Hallo Steffi,

    Den ersten Teil der Reihe fand ich auch nich gerade so gelungen. Gerade die Geschichte mit der Tochter, die fast vergessen wird, hat auch mir sehr schwer im Magen gelegen.
    Den zweiten Teil der Reihe habe ich vor wenigen Stunden beendet, und fand ihn deutlich besser. Ganz markellos war er aber auch nicht. Meine Rezension dazu wird in Kürze erscheinen.

    Liebe Grüße
    Chrissi

    • Liebe Chrissi!

      Du machst mir Mut, es vielleicht doch noch mal zu probieren. Es wäre ja auch nichts Ungewöhnliches, wenn sich eine Autorin noch entwickelt. Allerdings habe ich auch bei den anderen Büchern gesehen, dass es extrem viele Figuren gibt und da schwant mir schon irgendwie Böses.

      Ich muss mal schauen… weggeben werde ich die Bücher erstmal noch nicht! :-)

      Liebe Grüße,
      Steffi