Lorenz, Wiebke: Alles muss versteckt sein

Verlag: Blessing
erschienen:
2012
Seiten:
352
Ausgabe:
Broschur
ISBN:
3896674692

Klappentext:

Ihre Gedanken sind mörderisch, ihre eigene Angst davor unaussprechlich: Nach einem Schicksalsschlag erkrankt Marie an aggressiven Zwangsgedanken, betrachtet sich als Gefahr für sich selbst und andere. Monatelang kämpft sie gegen die grausamen Mordfantasien an, die wie Kobolde durch ihren Kopf spuken, ständig verbunden mit der Panik, sie könne diese furchtbar realen Fantasien eines Tages nicht mehr kontrollieren und in die Tat umsetzen. Und dieser Tag kommt, als Marie neben ihrem toten Freund erwacht, der mit einem Messer auf grausamste Weise niedergemetzelt wurde. Am Ende eines Gerichtsprozesses wird sie aufgrund ihrer Schuldunfähigkeit zum Maßregelvollzug in der forensischen Psychiatrie verurteilt. Dort sucht Marie verzweifelt nach Erinnerungen an die Mordnacht, denn für Marie selbst sind die Geschehnisse wie ausgelöscht. Nur ihr Arzt Jan scheint sie zu verstehen und ihr helfen zu wollen. Aber schon bald wächst in Marie der Verdacht, dass in Wahrheit vielleicht nichts so gewesen ist, wie es scheint …

Rezension:

Ich gestehe, ich war bei diesem Roman etwas vorsichtig, weil mir Wiebke Lorenz‘ erster Krimi „Allerliebste Schwester“ nicht so gut gefallen hat. Allerdings klang der Klappentext doch zu verführerisch, weswegen ich es auf einen zweiten Versuch ankommen ließ.

Glücklicherweise, kann ich da nur sagen, denn „Alles muss versteckt sein“ ist ein packender Thriller, der allerdings in erster Linie von seiner Hauptfigur und ihrer Krankheit, als denn vom eigentlichen Mordfall lebt. Der Autorin gelingt es auch Nichtbetroffenen die Verzweiflung eines Menschen, der unter Zwängen leidet, darzulegen. Es wirkt weder lächerlich, noch übertrieben und man kommt nicht umhin sich zu fragen, was man selbst tun würde, wenn man an dieser Krankheit leiden würde. In oberflächlichen Büchern oder Reportagen werden immer nur die Dinge gezeigt, die bei diesen Menschen nicht stimmen (z.B. Waschzwang), aber es wird niemals darauf eingegangen, was in ihren Köpfen vor sich geht.

Mit Marie hat man in erster Linie Mitleid, dass sie nach einem schweren Schicksalsschlag auch noch diese Bürde mit sich herumtragen muss. Im ersten Teil des Romans geht es auch eigentlich mehr um die Aufarbeitung von Maries Trauma. Sie ist nach der Verurteilung wegen Mordes in einer geschlossenen Anstalt, deren Alltag zwischen Eintönigkeit, Hoffnungslosigkeit und ganz seltenen Momenten der Freude, gnadenlos seziert wird. In Rückblenden erfahren wir vom Tod ihrer Tochter und dem schleichenden Prozess ihrer Krankheit, die sie immer weiter in den Abgrund zieht.

Als ich das Buch las, war ich von der Recherche in Bezug auf Zwangserkrankungen wirklich beeindruckt. Erst lange nachdem ich das Buch gelesen hatte, habe ich erfahren, dass die Autorin selbst eine zeitlang unter dieser Krankheit gelitten hat. Kein Wunder also, dass Wiebke Lorenz die Qualen ihrer Protagonistin so anschaulich gelungen sind.

Der Mordfall an sich ist anfangs spannend und scheint bei ca. 80% des Buches aufgelöst zu sein. Dann jedoch gibt es eine erneute Wendung und der Roman driftet für meine Begriffe ein bisschen ab. Auf mich wirkte das Ende zu sehr gewollt bzw. zu sehr konstruiert. Da wäre ein bisschen weniger mehr gewesen.

Wer jedoch auf eine psychologisch ausgefeilte Handlung wert legt und an Dingen interessiert ist, die im Hintergrund ablaufen, dem sei dieser ungewöhnliche Thriller auf jeden Fall empfohlen.

Note: 2-

Lorenz, Wiebke: Allerliebste Schwester

Verlag: Heyne
erschienen:
2011
Seiten:
240
Ausgabe:
Taschenbuch
ISBN:
3453435664

Klappentext:

Drei Jahre ist es her, dass Eva unter rätselhaften Umständen ihre Zwillingsschwester verlor. Danach nahm Evas Leben eine von vielen als ungeheuerlich empfundene Wendung: Sie heiratete den Witwer, den Ehemann der verstorbenen Marlene. Allmählich haben sich die Menschen in ihrer Umgebung an dieses Arrangement gewöhnt, doch ihr selbst kommt es wie ein Frevel vor. Immer öfter erscheint ihr Marlene in verstörend realen Tag träumen. Eva droht allen Halt zu verlieren, bis eines Tages in der Buchhandlung, in der sie als Aushilfe arbeitet, ein Mann auftaucht, der ihre Schwester gekannt hat. Auf sonderbare Weise fühlt sie sich zu diesem Unbekannten hingezogen. Kann er ihr helfen, das Rätsel um Marlenes Tod zu lösen?

Rezension:

Der Klappentext von „Allerliebte Schwester“ und das geschmackvolle Cover haben mich zu diesem Buch greifen lassen. Die Geschichte klang ungewöhnlich und vielversprechend. Ungewöhnlich ist sie tatsächlich, aber leider dann doch sehr vorhersehbar und recht oberflächlich.

Der Leser wird direkt in das Geschehen geworfen. Das Meiste ist schon passiert. Evas Schwester ist tot und Eva ist bereits mit deren Ehemann verheiratet. Ein gemeinsames Baby hat Eva während der Schwangerschaft verloren. Von nun an ist Eva gefangen in einer merkwürdigen Ehe, die ich bis zum Schluss einfach nicht verstanden habe. Ohne Informationen wird wohl jeder diese Ehe seltsam finden. Wer heiratet schon den Witwer seiner eigenen Schwester? Aber auch im Laufe der Handlung bleibt dies für mich Rätsel, wenn man bedenkt, dass Eva in ihrer Jugend eher ein unangepasstes Kind war und nie so sein wollte, wie die perfekte Marlene, die immer das getan hat, was sich schickte.

Ein weiteres Problem ist, dass alle anderen Figuren außer Eva absolut unsympathisch sind. Ihre Eltern und ihre Schwiegereltern interessiert ihr Leid überhaupt nicht. Sie ist ihnen eher peinlich und man versucht die psychische Lage der Tochter zu verharmlosen. Es gibt nicht ein liebevolles Wort oder eine aufmunternde Berührung. Auch ihr Mann benimmt sich merkwürdig. In vielen Szenen habe ich mich gefragt, wieso Eva sich so behandeln lässt. Natürlich wird recht schnell deutlich, dass Eva gegenüber Marlene Schuldgefühle hat, aber dies war für mich ein zu schwaches Motiv um so zu handeln, wie sie es auf 240 Seiten tut.

Wie letztlich alles zusammenhängt und wieso Marlene sterben musste ist dann schließlich auch keine Überraschung. Der kurze Roman strebt somit einem Höhepunkt entgegen, den es dann eigentlich nicht gibt. Zumal die Tote selbst in einem Prolog alles aufklärt, was ich persönlich immer als die billigste Lösung ansehe.

Positiv hervorheben möchte ich den Schreibstil, der witzigerweise in vielen anderen Rezensionen bemängelt wird. Was vermutlich daran liegt, dass Wiebke Lorenz mit ihrer Schwester normalerweise freche Frauenromane unter ihrem Pseudonym Anne Hertz schreibt und dort wird natürlich ein anderer Stil gepflegt. In „Allerliebste Schwester“ schreibt Lorenz teilweise kühl, sehr sachlich und bestimmt, aber genau das passt hervorragend zur Geschichte.

Note: 3