Delphine de Vigan - Dankbarkeiten

Begonnen von Inge78, 09. März 2020, 10:33:35

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Inge78

ZitatMichka, die stets ein unabhängiges Leben geführt hat, muss feststellen, dass sie nicht mehr allein leben kann. Geplagt von Albträumen glaubt sie ständig, wichtige Dinge zu verlieren. Tatsächlich verliert sie nach und nach Wörter, findet die richtigen nicht mehr und ersetzt sie durch ähnlich klingende. Die junge Marie, um die Michka sich oft gekümmert hat, bringt sie in einem Seniorenheim unter. Der alten Frau fällt es schwer, sich in der neuen Ordnung einzufinden. In hellen Momenten leidet sie unter dem Verlust ihrer Selbstständigkeit. Doch was Michka am meisten beschäftigt, ist die bisher vergebliche Suche nach einem Ehepaar, dem sie ihr Leben zu verdanken hat. Daher gibt Marie erneut eine Suchanzeige auf, und Michka hofft, ihre tiefe Dankbarkeit endlich übermitteln zu können.
Klarsichtig und scharfsinnig zeigt Delphine de Vigan, was uns am Ende bleibt: Zuneigung, Mitgefühl, Dankbarkeit. Und zugleich würdigt sie in ›Dankbarkeiten‹ all diejenigen, die uns zu den Menschen gemacht haben, die wir sind.

          Mischka verliert die Fähigkeit, ihr bislang sehr selbstbestimmtes Leben weiterhin alleine führen zu können. Zu dem langsamen Verlust der Sprache gesellen sich difuse Ängste und ihr immer unsicherer Gang. Eine junge Frau, Marie, kümmert sich liebevoll um Mischka, kann aber die alte Dame nicht länger versorgen und Mischka kommt in ein Pflegeheim.
Dort kämpft sie zusammen mit einem Logopäden um ihre Worte.

Einfühlsam berichtet Delphine de Vigan über das Älterwerden. Über Mischka, die ihre Worte verliert, die durch den Verlust der Sprache den Kontakt zu Außenwelt verliert, die nicht mehr laufen kann und plötzlich gefesselt ist an die kleine Welt des Pflegeheims. Ich als Leserin habe so sehr mit Mischka mitgelitten, man erkennt den Kampf um jedes Wort. Das ist oft sogar charmant, wenn sie Worte verwechselt und ersetzt aber oft auch traurig und verzweifelt. Marie und der Logopäde Jerome begleiten Mischka auf diesem Weg, unterstützen sie wo sie können. Und noch etwas Anderes beschäftigt Mischka, ein ungelöstes Problem aus ihrer Kindheit. Nach und nach gewährt Mischka Einblick in ein dunkles Kapitel ihrer Vergangenheit.
Das Buch hat nur 176 Seiten, ich habe es an einem Sonntag durchgelesen. Und ich werde es mit Sicherheit noch mal lesen und auch weiterempfehlen. Das Buch ist ein kleiner Schatz. Es macht nachdenklich und betrübt, nimmt gefangen und lässt mich als Leser nicht los.
Ein schweres Thema, nicht leicht aber mit viel Charme und sehr mitfühlend und behutsam umgesetzt.
Respekt gebührt auch der Übersetzerin Doris Heinemann, die Mischkas deutsche Worte gegeben hat was sicherlich nicht einfach war.

Ein Buch, das dem Leser den Wert von Dankbarkeit lehrt
       
[note1]
Words are, in my not-so-humble opinion, our most inexhaustible source of magic. Capable of both inflicting injury, and remedying it - Albus Dumbledore

Im finst´ren Förenwald, da wohnt ein greiser Meister. Er ficht gar furchtlos kalt sogar noch feiste Geister.
(aus "ES" von Stephen King)

Fiktion ist wie ein Spinnennetz, das, auch wenn nur vielleicht ganz leicht, an allen vier Ecke des Lebens befestigt ist.
- Virginia Woolf