Christianes Wanderbuch 2021: Die juten Sitten - Anne Basener

Begonnen von Christiane, 17. Februar 2021, 17:10:19

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Kathrin

Da heute mein letzter Arbeitstag vor dem Urlaub ist, habe ich leider jetzt grad keine Zeit um Eure Meinungen und Spoiler zu lesen, aber ich kann sagen, dass ich das Buch MEGA fand. Das ist bei der nächsten Bücherbestellung auf jeden Fall dabei, das will ich unbedingt selbst besitzen. Und Teil 2 will ich auch bald lesen!!!

[note1]
Rock the Night!

Christiane

Kathrin, das freut mich total!!  :laola:
Und nun bin ich umso gespannter darauf, das Buch dann bald auch selbst zu lesen, noch dazu mit Euren Kommentaren.
Staunt euch die Augen aus dem Kopf, lebt, als würdet ihr in zehn Sekunden tot umfallen. Bereist die Welt. Sie ist fantastischer als jeder Traum, der in einer Fabrik hergestellt wird.
Ray Bradbury (1920 - 2012)

Kathrin

,,Za zhenshhin!"

Na, wenn das mal keine positive Überraschung war, dann weiß ich auch nicht. Denn eins ist klar, ohne die Wanderbuch-Runde im heimatlichen Bücherforum, hätte ich das Buch ,,Die juten Sitten – Goldene Zwanziger. Dreckige Wahrheiten" von Anna Basener sicherlich nicht gelesen. Zum einen habe ich gar nicht gewusst, dass es das Buch gibt und selbst wenn ich es irgendwo in einem Buchladen gesehen hätte, wäre ich schon allein aufgrund des Covers – welches ich leider grottenhässlich finde – schreiend weggelaufen. Doch dank der Wanderbuchrunde habe ich mich auf diesen Blick über den eigenen Tellerrand hinausgewagt und war einfach nur begeistert.

Anna Basener erzählt in diesem Buch die Geschichte der achtjährigen Hedi, die in den nicht immer so goldenen zwanziger Jahren in Berlin im Bordell ,,Ritze" bei ihrer Großmutter Minna aufwächst. Umrahmt werden die Ereignisse des Jahres 1927 von einem weiteren Erzählstrang, der im Jahr 1954 in Los Angeles spielt. Hedi konnte als junge Erwachsene in Hollywood eine erfolgreiche Karriere als Schauspielerin starten, sitzt nun allerdings wg. Mordes im Gefängnis und wartet auf ihre Hinrichtung.

Das Buch hat mich sehr schnell in seinen Bann gezogen, der Stil der Autorin macht es einem aber auch einfach reinzukommen. Super schnell und flüssig zu lesen, trotz oder vielleicht auch gerade wegen der offenen und ehrlichen ,,Beliner Schnauze." Gut möglich, dass es Leser*innen gibt, die den Berliner Dialekt nicht gut verstehen oder auch mit der oft sehr, sehr derben Ausdrucksweise ihre Probleme haben, für mich war das aber perfekt, weil es einfach wie die Faust auf's Auge gepasst hat. Auch die Dialoge, egal wer mit wem gerade spricht, waren grandios und wunderbar lebendig. Da hat man wirklich gemerkt, dass die Autorin mit Hörspielen, Theaterstücken und Drehbüchern ihre Schriftstellerkarriere gestartet hat.

Ich mochte auch die Mehrheit der Figuren, die diesem Buch ihr Gesicht geben. Okay, eine Figur war dabei, die KANN niemand mit gesundem Menschenverstand mögen, diese Figur ist vielleicht etwas zu böse dargestellt, aber grundsätzlich war ich mit dem ,,Personal" des Buches durchaus fine, vor allem natürlich mit den Frauen: Hedi, ihre Großmutter Minna, aber auch die beiden Huren in der ,,Ritze" Colette und Natalia. Und das gute an diesen Frauen ist, dass sie echt sind, dass sie einen Hintergrund haben und nicht durchweg ,,die Guten" sind. Sie haben alle ihre Päckchen zu tragen und machen Fehler, diese  sie jedoch nicht immer einsehen oder bereuen. Und sie entwickeln sich weiter – wenn auch nicht immer so, wie man es sich für sie wünschen würde. Und es ist ganz klar, dass ich auch wirklich nicht immer mit dem einverstanden war, was die Damen treiben, sagen oder denken.

,,Die juten Sitten – Goldene Jahre. Dreckige Wahrheiten" ist eine wunderbare Mischung aus Lachen, Freundschaft, Zusammenhalt aber auch aus Entsetzen, Wut und Traurigkeit, in absolut ehrlicher, knallharter Sprache und mit viel Atmosphäre, auch wenn diese wirklich nicht sehr heimelig ist.

Ich habe dieses Wanderbuch eines Morgens auf der Fahrt nach Frankfurt zur Arbeit beendet. Das war so nicht geplant, irgendwie dachte ich, ich würde am Nachmittag noch ein paar Seiten zu lesen haben. Da ich für die Rückfahrt nun kein anderes Buch dabei hatte, ,,musste" ich in der Mittagspause in die Buchhandlung und nach neuem Lesestoff Ausschau halten. Und glücklicherweise war sowohl dieser erste Band als auch die Fortsetzung im Laden, so dass ich mir nicht nur das eigentliche Wanderbuch für mein eigenes Regal, sondern auch die Fortsetzung, in der Minnas Geschichte erzählt wird, gekauft habe. Und was soll ich sagen, die Fortsetzung habe ich natürlich auch direkt verschlungen.

In diesem Sinne: ,,za zhenshhin" – Auf die Frauen dieses Buches! Und auf die Autorin Anna Basener, die mir mit ihrer Geschichte über vier besondere Frauen im Berlin der 20er Jahre ganz wunderbare Lesestunden beschert hat!

Bewertung:
[note1]
Rock the Night!

Kathrin

Liebe Christiane,

ich versuche Dein Wanderbuch heute noch auf die Heimreise zu Dir zu schicken. Wenn es mir aber zu voll ist bei der Post, versuche ich es morgen oder nächste Woche nochmal.

Liebe Grüße
Kathrin

Rock the Night!

Christiane

Liebe Kathrin,
als erstes mal freu ich mir 'nen Keks, dass Dir das Buch so gut gefallen hat! Danke schon mal für die tolle Rezi. Und nun ich bin sehr gespannt auf Deine Kommentare im Buch.
Wegen des Päckchens mach Dir aber keinen Stress. Das reicht auch noch nächste oder übernächste Woche, wann immer es für Dich bequem ist.

Liebe Grüße,
Christiane
Staunt euch die Augen aus dem Kopf, lebt, als würdet ihr in zehn Sekunden tot umfallen. Bereist die Welt. Sie ist fantastischer als jeder Traum, der in einer Fabrik hergestellt wird.
Ray Bradbury (1920 - 2012)

Kathrin

Rock the Night!

Kathrin

Christiane, ist das Päckchen mit Deinem Wanderbuch eigentlich inzwischen bei Dir angekommen?
Rock the Night!

Christiane

Hallo Kathrin,
entschuldige, das ist längst da. Ich hab über Weihnachtspost und -vorbereitungen, Impfung und co. völlig vergessen Dir das zu schreiben.
Wollte Dir ja auch noch in Mikas Namen für die Schweineohren danken. Sie liebt die Dinger! Kaba darf ja wegen ihrer Magenprobleme nichts außer ihrem Diätfutter fressen, aber ich kann sie dann mit einem Quietschtier trösten, auf dem sie rumknautschen darf.
Ich bin echt ein Schussel  :rotwerd:.
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Ray Bradbury (1920 - 2012)

Kathrin

Alles gut, Christiane. Ich habe auch heute erst wieder in den Briefkasten geschaut und Deine Weihnachtspost entdeckt ... hätte also wahrscheinlich gar nicht fragen brauchen, wenn ich jeden Tag schauen würde, ob Post da ist :dong:
Rock the Night!

Christiane

Staunt euch die Augen aus dem Kopf, lebt, als würdet ihr in zehn Sekunden tot umfallen. Bereist die Welt. Sie ist fantastischer als jeder Traum, der in einer Fabrik hergestellt wird.
Ray Bradbury (1920 - 2012)

Christiane

Gestern hab ich nun begonnen, mein Wanderbuch zu lesen. Eure Kommentare find ich bisher mindestens so unterhaltsam wie das Buch.  :-)
Staunt euch die Augen aus dem Kopf, lebt, als würdet ihr in zehn Sekunden tot umfallen. Bereist die Welt. Sie ist fantastischer als jeder Traum, der in einer Fabrik hergestellt wird.
Ray Bradbury (1920 - 2012)

Christiane

#71
Ich bin schon seit einigen Tagen durch mit dem Buch, hab aber noch keine Rezi geschrieben  :rotwerd:.
Aber schon mal so viel: Mir hat das Buch richtig gut gefallen, eingängiger Schreibstil, spannende Geschichte, interessante und vielschichtige Charaktere.
Allerdings konnte es nach einem Buch wie 'Sprich mit mir' (das ich als um einiges tiefgründiger empfinde) dann doch keine 1 bekommen. Daher vergebe ich:
[note2]
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Ray Bradbury (1920 - 2012)

Christiane

#72
Endlich hab ich auch meine Rezi fertig:


Klappentext:
Berlin, 1927: Die achtjährige Hedi wächst im berüchtigten Bordell ,,Ritze" auf. Ihre Großmutter Minna, die das zwielichtige Etablissement betreibt, die strenge Domina Natalia und die bildschöne Hure Colette sind die einzige Familie, die Hedi je kannte. Von ihnen lernt sie alles, was sie fürs Leben braucht.
Drei Jahrzehnte später ist Hedi eine gefeierte Hollywood-Diva – und eine zum Tode verurteilte Mörderin. Kurz vor ihrer Hinrichtung erzählt sie einem Journalisten der New York Times die ganze ungeschminkte Wahrheit über ihr Leben. Eine Wahrheit, die sie unsterblich machen wird ...


Mein Eindruck:
Selten hat mich die Sprache, die Ausdruckskraft so schnell in ein Buch gezogen, wie Anna Basener es in ihrem Zwanziger Jahre-Roman ,Die juten Sitten' schafft. ,Sie mag nur noch ein Schatten ihres großen Ruhms sein, aber solange etwas einen Schatten wirft, ist es noch da.'  Solche fast schon philosophischen Sätze schaffen sofort Atmosphäre!

Zunächst nimmt die Autorin uns mit in die Haftanstalt, in der Hedi auf ihre Hinrichtung wartet. Zu verlieren hat sie nur noch wenig, aber sie schachert mit dem Journalisten darum, wie sie der Menschheit, wie sie ihren Fans im Gedächtnis bleiben wird. Die Sensationsgeschichte von der mordenden Hollywood-Diva will sie nicht liefern, sondern die Geschichte ihres Lebens weitergeben. Die Beziehung dieser Protagonisten, die auch durch ihrer beider Leben beeinflusst ist, entwickelt sich psychologisch nachvollziehbar und interessant weiter. Jederzeit spürt man als Leser den Draht, die Anspannung zwischen den beiden.
Der zweite Schauplatz ist das Bordell ,,Ritze" im Jahr 1927, als Hedi noch ein kleines Mädchen war. Auch hier landen wir gleich mitten im Geschehen, werden mit der derben, auf den Punkt passenden Sprache mitgenommen ins Milieu. Die Geschichte lebt von der Spannung zwischen der derben Sprache, dem harten Leben der Menschen und dem Gefühl der Geborgenheit, das die drei Frauen in der ,,Ritze" trotz allem für die kleine Hedi schaffen.
Die Geschichte von Hedis Kindheit ist spannend, zuweilen brutal, immer der Zeit und Umgebung angemessen und spiegelt darin die gute Hintergrundrecherche der Autorin wider. Die Protagonisten sind lebendig und vor allem die Frauen sympathisch dargestellt, ohne dabei zu sehr schwarz-weiß gezeichnet zu sein. Ihre Schicksale gehen einem nahe, gerade weil sie auch Fehler machen, weil sie so authentisch und vielschichtig sind.
Auf jeden Fall erwähnen will ich auch den Wortwitz, den Humor, den Anna Basener in die Erzählung einwebt.
Ein kleiner Kritikpunkt ist das Cover. Der eher leicht dämliche, denn laszive Blick der dort abgebildeten Frau ist leider kein Hingucker. Da wäre eine Zeichnung im Stil von Heinrich Zille, der im Buch Erwähnung findet, die bessere Lösung gewesen.


Fazit:
,Die juten Sitten' ist spannend, prall voll Leben, teils düster, teils witzig, ist dramatisch und traurig – ein Roman fast wie ein ganzes Leben.

Note: [note2]
Staunt euch die Augen aus dem Kopf, lebt, als würdet ihr in zehn Sekunden tot umfallen. Bereist die Welt. Sie ist fantastischer als jeder Traum, der in einer Fabrik hergestellt wird.
Ray Bradbury (1920 - 2012)

Christiane

Im Nachhinein und mit einigem Abstand denke ich, dass das Buch bei meiner Bewertung doch eine Hypothek zu tragen hatte. Zum einen hab ich es direkt im Anschluss an ein absolutes Lesehighlight gelesen. Und zum anderen waren meine Erwartungen durch die teils richtig guten Bewertungen von Euch anderen doch sehr hoch gesteckt. Da hatte das Buch es wirklich schwer. Unter anderen Vorzeichen wäre aus der 2 vielleicht eine 2+ oder gar 1- geworden.
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Ray Bradbury (1920 - 2012)

Kathrin

Zitat von: Christiane in 02. Februar 2022, 16:40:58
Im Nachhinein und mit einigem Abstand denke ich, dass das Buch bei meiner Bewertung doch eine Hypothek zu tragen hatte. Zum einen hab ich es direkt im Anschluss an ein absolutes Lesehighlight gelesen. Und zum anderen waren meine Erwartungen durch die teils richtig guten Bewertungen von Euch anderen doch sehr hoch gesteckt. Da hatte das Buch es wirklich schwer. Unter anderen Vorzeichen wäre aus der 2 vielleicht eine 2+ oder gar 1- geworden.
Ja, das kann ich total gut verstehen. Sowohl was das vorherige Lesehighlight angeht als auch die großen Erwartungen. Das hatte ich auch schon oft, vor allem die großen Erwartungen sind für mich oft ein Hindernis, die guten Aspekte eines Buch so richtig zu würdigen, weil im Hintergrund immer eine leise Enttäuschung mitschwimmt, weil es mich nicht mehr oder so begeistern konnte, wie ich mir das erhofft habe.
Rock the Night!