Jenny Lecoat- Die Übersetzerin

Begonnen von Inge78, 06. Oktober 2021, 13:29:55

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Inge78

ZitatJersey, 1940. Als Hedy eine Stelle als Übersetzerin für die deutschen Besatzer der Kanalinsel antritt, weiß niemand, dass die junge Frau Jüdin ist. Während sie durch heimliche Akte des Widerstands versucht, gegen die Nazis aufzubegehren, verliebt sie sich ausgerechnet in den deutschen Wehrmachtssoldaten Kurt, der ihre Gefühle erwidert. Doch Hedys Identität bleibt nicht lange verborgen. Gemeinsam mit Kurt und einer guten Freundin schmiedet Hedy einen mutigen Plan, um ihren Verfolgern zu entkommen


Hedy flieht auf die Kanalinsel Jersey. Doch als die Deutschen diese besetzen kommt schnell heraus, dass Hedy Jüdin ist. Zu Beginn ist dies nur ein kleines Problem, doch die Situation spitzt sich schnell zu. Kann und wird  der deutsche Wehrmachtssoldat Kurt, in den Hedy sich verliebt, ihr helfen?

Ein wirkliches interessantes Thema, beruhend auf einer wahren Geschichte. denn Hedy gab es wirklich, auch viele andere Charaktere des Buches entsprechen historischen Personen, wurde aber teilweise umbenannt oder der Dramaturgie des buch angepasst. Gerade diesen historischen Bezug mag ich sehr. Leider wurde die Geschichte für mich nicht so richtig gut umgesetzt. Der Anteil der Liebesgeschichte im Roman war mir viel zu hoch, wobei mir die Anziehung der Beiden einfach nicht klar ist. Dafür lerne ich als Leser die Charaktere nicht tief genug kennen. Wir bleiben bei allen Personen ziemlich oberflächlich, so dass mich ihr Handeln oft überrascht aber eben nicht immer überzeugen kann. Gut trotzdem weil gerade die Besatzungszeit der Kanalinseln während des 2. Weltkrieges gut rüber kommt und gerade im letzten Drittel wird es wirklich spannend.

[note3]
Words are, in my not-so-humble opinion, our most inexhaustible source of magic. Capable of both inflicting injury, and remedying it - Albus Dumbledore

Im finst´ren Förenwald, da wohnt ein greiser Meister. Er ficht gar furchtlos kalt sogar noch feiste Geister.
(aus "ES" von Stephen King)

Fiktion ist wie ein Spinnennetz, das, auch wenn nur vielleicht ganz leicht, an allen vier Ecke des Lebens befestigt ist.
- Virginia Woolf

Annette B.

ZitatDer Anteil der Liebesgeschichte im Roman war mir viel zu hoch, wobei mir die Anziehung der Beiden einfach nicht klar ist.

Oh hach, dies will bei dir schon was heißen, weil du ja doch recht schmerzfrei mit Liebesgeschichten in Büchern umgehen kannst. :zwinker:

Aber ich verstehe was du zum Ausdruck bringen möchtest.
Du hast dir etwas mehr Informationen zu den Figuren, der Verfolgung der Hauptdarstellerin und auch zu den geschichtlichen Tatsachen gewünscht.
Genau aus diesem Grund habe ich auch vor einigen Jahren viele Bücher über diese Zeit gelesen. A.E. Johann und Konsalik (Der Arzt von Stalingrad oder Das Herz der 6 Armee) haben damals diese Zeit auch schon mal in ihren Büchern Thematisiert. Genauso wie M. Simmel mit seinem >Es muss nicht immer Kaviar sein< ein wenig über diese Zeit erzählte.
Schade das dieses Buch dich etwas enttäuscht hat.  :schmusen:
Liebe Grüße Annette

Inge78

Ja genau,  ich mag Liebesgeschichten schon aber ich hätte mir hier mehr von der anderen Geschichte gewünscht
Words are, in my not-so-humble opinion, our most inexhaustible source of magic. Capable of both inflicting injury, and remedying it - Albus Dumbledore

Im finst´ren Förenwald, da wohnt ein greiser Meister. Er ficht gar furchtlos kalt sogar noch feiste Geister.
(aus "ES" von Stephen King)

Fiktion ist wie ein Spinnennetz, das, auch wenn nur vielleicht ganz leicht, an allen vier Ecke des Lebens befestigt ist.
- Virginia Woolf

nirak

Ich habe das Buch auch gelesen und mir hat es gut gefallen.

Sagota

"Die Übersetzerin" von Jenny Lecoat, von Anke Kreutzer aus dem Englischen übersetzt, im Original "Hedy's War", erschien (HC, 2021) im Lübbe-Verlag.


Jersey, Sommer 1940:


Die Jüdin Hedwig Bercu (genannt Hedy) floh kurz vor dem Anschlüss Österreichs an Nazideutschland nach Jersey, um sich bald darauf auf der von den Deutschen 1940 besetzten Insel wiederzufinden... Nach Jersey ist sie mit Anton, einem Freund geflohen und beide versuchen, auf der Insel zu überleben.

Im Falle von Hedy ist dies ein gefährliches Unterfangen: Sie ist als Jüdin nicht vor den Progromen der Nazis sicher und bekommt auf legalem Wege keine Arbeit mehr. Anton entdeckt eines Tages eine Anzeige, die auf eine Stelle im deutschen Lager als Übersetzerin hinweist und fragt Hedy, ob sie sich nicht für die Stelle bewerben will: Hedy bekommt die Stelle, da sie fließend Englisch und Deutsch spricht, aber zu einem hohen Preis, denn ihre Seele verabscheut den Krieg und die Nationalsozialisten....


Durch ihre neue Arbeit lernt sie den Offizier Kurt Neumann kennen, der ihr anders erscheint als die verhassten Deutschen. Auch Kurt findet die junge Frau sehr sympathisch und sollte sich später in sie verlieben: Wird diese Liebe zwischen einer Jüdin und einem Soldaten der deutschen Wehrmacht durch die Zeit des 2. Weltkriegs bestehen bleiben können oder reißt es die beiden Liebenden auseinander?


Jenny Lecoat, selbst auf Jersey aufgewachsen, stellt das Kennenlernen und die Anfänge der Beziehung zwischen Hedy und Kurt in den Mittelpunkt des Romans, der auf einer wahren Begebenheit beruht. Sie fängt die Atmosphäre in dieser schweren Zeit bei den Insulanern und den wenigen Juden, die sich dort zuvor sicher wähnten, sehr gut ein und mit dem weiteren Kriegsverlauf auch die Veränderungen auf der Insel: Spielten früher lachende Kinder am Strand, so werden nun (von Zwangsarbeitern) Befestigungsanlagen gebaut. Es gibt kaum Nahrung und die Bevölkerung leidet Hunger; viele sind auch zuvor von der Insel zu Verwandten oder Freunden nach England gegangen, da klar war, dass die Nahrung knapp wird und das Überleben schwer.


Bevor der Freund Hedys eingezogen wird, lernt man noch Dorothea kennen; die er kurz vor dem Abschied heiratet: Dorothea scheint anfangs recht naiv und plappert drauflos, ohne nachzudenken, wobei später eine mutige und entschlossene Frau zu erkennen ist, die Hedy hilft, in dem sie sie bei sich aufnimmt. (Dorothea Weber, geb. Le Brocq, ist eine authentische Figur in Jenny Lecoat's Roman, die den "Status einer Gerechten unter den Völkern" in der Gedenkstätte Jad Vashem, Israel innehat). Auch Hedy ist auf ihre Weise sehr mutig und zweigt auf der Arbeit Coupons ab, die sie einem Arzt gibt, um zu helfen. Diese Taten sind für sie ein kleiner Ausgleich der Gerechtigkeit, von den Coupons kann auch sie sich Essen auf dem Schwarzmarkt kaufen und so einen kleinen Sieg über die Nazis erringen. Der Stil der Autorin ist flüssig zu lesen; atmosphärisch und emotional; auch die Bedrohung und die Furcht vor Entdeckung ist authentisch dargestellt; die sympathischen Figuren werden gut ausgeleuchtet.


Das Hauptthema des Romans ist jedoch die schwierige Liebesbeziehung zwischen Hedy und Kurt, die breiten Raum einnimmt. Die Gefühle beider werden sehr authentisch und bewegend beschrieben. Auch Zeitgeschichtliches wie der Eintritt der USA in den 2. Weltkrieg oder die Rede Churchills werden genannt; wie überall werden auch auf Jersey die Radiogeräte von den Nazis konfisziert, um sicherzustellen, dass die Bevölkerung keine "Feindsender" hört (wobei sie jedoch nicht wussten, dass so manches dennoch gottlob auf einem zweiten Gerät durchaus gehört werden konnte).


Die Angst vor Entdeckung versteckt sich unter der gesamten Handlung; besonders durch den Gestapo-Mann Wildgrube, der Kurt im Visier hat: Die beiden Liebenden müssen immer einen Schritt schneller sein und Verstecke finden, wo man Hedy unmöglich finden kann. So atmet man mit Hedy auf, als das Kriegsgeschehen sich wendet und die Kanalinseln befreit werden, die Deutschen abziehen müssen bzw. in Kriegsgefangenenlager überstellt werden.

Der Epilog ist ein Hoffnungsschimmer, der die Zukunft von Hedy und Kurt begleitet; "sie würden es schaffen, die Vergangenheit hinter sich zu lassen, zu neuen Ufern aufzubrechen und Abenteuer zu erleben" (Zitat S. 316).


Fazit:


Historisches Zeitgeschehen und eine unmöglich erscheinende Liebesgeschichte in der Zeit der Besatzung von Nazideutschland im 2. Weltkrieg mit einer authentischen Figur auf der Kanalinsel Jersey, der für LeserInnen sehr empfehlenswert ist, die Historisches bevorzugen und auch darin verwobene Liebesgeschichten mögen, die hier im Vordergrund steht. Ich vergebe 4 Sterne und eine klare Leseempfehlung.



Kathrin

Mir wurde das Buch vor einigen Wochen (ungefragt) von einer Kollegin ausgeliehen. Wir haben zum Teil einen ähnlichen Lese-Geschmack (zumindest was hist. Romane angeht) und sie dachte, dass das Buch was für mich sein könnte. Ich hatte aber von Anfang an meine Bedenken, weil mir der Klappentext schon zu sehr auf Liebesgeschichte hindeutete. Ich hätte mir das Buch daher nicht selbst ausgesucht, aber wo ich es schon einmal geliehen bekommen habe, habe ich ihm auch eine Chance gegeben. Nach knapp 70 Seiten war mir dann aber klar, dass es nicht meine Geschichte ist. Ich bin überhaupt nicht gut in das Buch reingekommen, bin ständig mit meinen Gedanken abgedriftet und habe lieber vor mich hingeträumt als gelesen. Als sich dann die Liebesgeschichte andeutete (ohne dass schon viel passiert ist), war ich schon echt genervt. Habe weder Hedy noch Kurt wirklich verstehen können, Hedy noch viel weniger als Kurt. Als ich dann die Rezi von Andrea gesehen habe und selbst für sie die Liebesgeschichte einen zu großen Raum eingenommen hat, habe ich das Buch dankend abgebrochen.
Rock the Night!