Asne Seierstad: Der Buchhändler aus Kabul

Begonnen von Kathrin, 15. Juni 2022, 14:04:38

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

Kathrin

Der Buchhändler aus Kabul von Asne Seierstad

Herausgeber ‏ : ‎ Kein & Aber
Taschenbuch ‏ : ‎ 352 Seiten
ISBN-10 ‏ : ‎ 3036961119

Inhalt:
Als die Journalistin Åsne Seierstad von Sultan Khan, einem Buchhändler aus Kabul, eingeladen wird, für fünf Monate bei ihm und seiner Familie zu leben, ahnt sie nicht, was sie erwartet. Seit mehr als zwanzig Jahren trotzt Sultan Khan den Autoritäten ob Kommunisten oder Taliban , um die Bevölkerung von Kabul mit Büchern zu versorgen. Er wurde verhaftet und musste mit ansehen, wie seine Bücher auf offener Straße verbrannt wurden. Dennoch hat er seine Leidenschaft für das Lesen nie aufgegeben und Licht in einen der dunkelsten Orte der Welt gebracht, während er gleichzeitig mit harter Hand seinen Haushalt führte. Dies ist das intime Porträt eines Mannes und seiner Familie zwei Ehefrauen, fünf Kinder und viele Verwandte und ein einzigartiger Einblick in ein Land der extremen Widersprüche.

Meine Meinung:
Als mir im Januar 2022 das Buch ,,Der Buchhändler aus Kabul" der norwegischen Journalistin Asne Seierstad von meiner Buchhändlerin empfohlen wurde, habe ich ohne zu zögern zugegriffen. Ein Buchhändler, eine Familiengeschichte und noch dazu in Kabul spielend, das hat mich direkt neugierig gemacht, auch ohne den Klappentext zu lesen oder mehr über das Buch zu wissen. Deshalb habe ich auch nicht schlecht gestaunt, als ich im Vorwort gelesen habe, dass es sich hierbei nicht um einen Roman, sondern um einen Erfahrungsbericht handele. Die Journalistin schrieb das Buch bereits in 2002, als sie für fünf Monate bei der Familie des Buchhändlers Sultan Khan in Kabul lebte.

Die Journalistin hat in jedem Kapitel ein anderes Mitglied der Familie Khan zu Wort kommen lassen. Das war extrem spannend, weil man dadurch die unterschiedlichen Sichten und den Lebensalltag der unterschiedlichen Familienmitglieder kennenlernt, ihre jeweiligen Wünsche, Träume, aber auch Sorgen und Grenzen, die das Leben, das Land, die Kultur, die Tradition, die Religion, aber auch die eigene Familie ihnen setzt. Immer wieder sind die Kapitel mit Informationen zur Geschihte Afghanistans angereichert, was extrem informativ und lehrreich ist. Als Westeuropäerin kommt man sich vor wie einer anderen Welt und in einer anderen Zeit. Auch wenn mir die Unterschiede zwischen einem Leben dort und bei uns natürlich nicht unbekannt sind, so ist es doch etwas ganz anderes, das schon fast hautnah mitzuerleben. Auch wenn ich mir grundsätzlich mehr Nähe zu den Figuren gewünscht hätte, so haben mich vor allem die Kapitel und Schicksale der weiblichen Familienmitglieder doch sehr bewegt und vor allem wütend gemacht. Ich bin wirklich nicht sonderlich emanzipiert oder beharre darauf, als Frau gleichberechtigt zu sein, aber dies einzig und allein, weil ich solchen Grenzen und Einschränkungen nicht ausgesetzt bin. Das Schicksal, das Eingeengtsein der Frauen hat mich unendlich wütend gemacht, vor allem da man hier lernt, dass das Land schon wesentlich weiter, offener und moderner war.

Der Schreibstil der Autorin hat sich gut lesen lassen. Es war ein stellenweise sogar belletristisch anmutender Erzählstil, der aber doch immer klar gezeigt hat, dass es ein Erfahrungsbericht, eine schriftliche Dokumentation ist. Ich fand es extrem gut, dass die Autorin nicht nur den Buchhändler zu Wort hat kommen lassen und auch nicht nur die benachteiligten Frauen der Familie, sondern auch die (jüngeren) Söhne, die auch alle ihre eigenen Wünsche und Hoffnungen haben und denen ebenso Grenzen aufgesetzt werden. Allerdings waren die Kapitel der männlichen Familienmitglieder nicht immer leicht zu lesen und ihre Ansichten, Aktionen und Reaktionen nicht leicht zu ertragen.

Wie so oft bei Büchern, die in einem mir fremden Land spielen haben mir auch hier Extras wie Stammbaum der Familie, Glossar und eine Zeittafel als Zusammenfassung der wichtigsten politischen Ereignisse gefehlt. Ich hätte das gerne im Nachgang noch einmal zusammengefasst gelesen oder auch während des Lesens nachgeschlagen.

Grundsätzlich ist das Buch ,,Der Buchhändler aus Kabul" ein Buch, das längere Zeit nachhallt, selbst wenn es nicht soo bewegt, wie es vielleicht ein Roman getan hätte. Ich konnte, nachdem ich es beendet hatte, nicht einfach so zur Tagesordnung übergehen, sondern habe mich noch über Dokumentationen noch ein wenig aufgeschlaut. Ein Buch, das sich auf jeden Fall lohnt zu lesen und das sicherlich nicht das letzte Buch sein wird, das mich in diese mir so fremde Welt entführt.

Bewertung:
[note2]
Rock the Night!

Christiane

Das klingt sehr interessant! Danke für den Hinweis auf das Buch.
Staunt euch die Augen aus dem Kopf, lebt, als würdet ihr in zehn Sekunden tot umfallen. Bereist die Welt. Sie ist fantastischer als jeder Traum, der in einer Fabrik hergestellt wird.
Ray Bradbury (1920 - 2012)

Inge78

Ich dachte,  es wäre ein Roman. Bin ja nicht so der Sachbuch Leser unbedingt aber das klingt schon echt gut, danke für die Rezi
Words are, in my not-so-humble opinion, our most inexhaustible source of magic. Capable of both inflicting injury, and remedying it - Albus Dumbledore

Im finst´ren Förenwald, da wohnt ein greiser Meister. Er ficht gar furchtlos kalt sogar noch feiste Geister.
(aus "ES" von Stephen King)

Fiktion ist wie ein Spinnennetz, das, auch wenn nur vielleicht ganz leicht, an allen vier Ecke des Lebens befestigt ist.
- Virginia Woolf