'Terror' im Theater (F. v. Schirach)

Begonnen von Christiane, 01. Dezember 2016, 00:25:25

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Christiane

Hallo miteinander,

heute abend war ich mit einer Freundin, meiner Tochter und deren Freundin spontan im Theater. Es gab das Stück 'Terror' von Ferdinand von Schirach. Kürzlich gab es das als Verfilmung auch im TV. Hat jemand von Euch das Stück gesehen - im Theater oder im TV?Wie hat es Euch gefallen und wie ist Euer Urteil ausgefallen??

Mir hat das Stück sehr sehr gut gefallen. Vor allem weil es ganz viele Diskussionen auslöst. Im Anschluß ans Stück gab es auch im Theater noch eine Diskussionsrunde mit den Schauspielern, dem Regisseur und einem Juristen. Das war auch nochmal sehr interessant.

LG,
Christiane
Staunt euch die Augen aus dem Kopf, lebt, als würdet ihr in zehn Sekunden tot umfallen. Bereist die Welt. Sie ist fantastischer als jeder Traum, der in einer Fabrik hergestellt wird.
Ray Bradbury (1920 - 2012)

Inge78

das sagt mir leider gar nichts

Aber es erinnert mich daran dass ich auch so gerne mal wieder ins Theater möchte
Bei uns gibt es nur leider nicht so viel Auswahl, das platte Land und so :-(
Da muss man immer fahren, aber für bestimmte Dinge lohnt sich das natürlich auch
Words are, in my not-so-humble opinion, our most inexhaustible source of magic. Capable of both inflicting injury, and remedying it - Albus Dumbledore

Im finst´ren Förenwald, da wohnt ein greiser Meister. Er ficht gar furchtlos kalt sogar noch feiste Geister.
(aus "ES" von Stephen King)

Fiktion ist wie ein Spinnennetz, das, auch wenn nur vielleicht ganz leicht, an allen vier Ecke des Lebens befestigt ist.
- Virginia Woolf

Christiane

Also wenn Du das irgendwo sehen kannst - es ist schon von der Idee her einfach super:

Gezeigt wird eine Gerichtsverhandlung. Der Angeklagt ist ein Pilot der Bundeswehr. Er hat ein Flugzeug mit 164 Menschen an Bord abgeschossen. Dies Flugzeug war entführt worden und der Entführer will es in die mit 70.000 Menschen vollbesetzte Allianzarena in München stürzen lassen.
Als Zuschauer sieht man die Gerichtsverhandlung mit Staatsanwältin, Anwalt des Beklagten, Nebenklägerin, Zeuge, Richter und Angeklagtem. Und das Publikum selbst fungiert als Schöffen. Jeder von uns bekam eine Stimmkarte. Nach der Verhandlung gingen wir in die Pause. Wir hatten 5 Minuten Zeit, um unsere Karte in eine von zwei Kisten zu werfen: Verurteilung oder Freispruch.
Nach der Pause gibt es dann zwei Varianten und die Schauspieler zeigen jeweils die, für die die Mehrheit der Zuschauer sich entschieden hat. Gestern haben gut 2/3 der Leute für Freispruch plädiert. Das Urteil wird verkündet und begründet.
Und danach gab es eben dann noch eine Diskussion und man konnte Fragen stellen. Das war auch nochmal total interessant, denn es gibt so viele Aspekte zu berücksichtigen. Und es war natürlich auch interessant von einem echten Juristen zu hören in wie weit die Theateridee mit der realen Rechtsprechung passt.

Dass auf der Heimfahrt im Auto die Diskussion mit Tochter und Freundin munter weiterging versteht sich von selbst  :-).


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Ray Bradbury (1920 - 2012)

Inge78

Oh, eine richtig tolle Idee

Aber eine wirklich schwierige Entscheidung, ICH könnte mich da gerade spontan nicht entscheiden
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Im finst´ren Förenwald, da wohnt ein greiser Meister. Er ficht gar furchtlos kalt sogar noch feiste Geister.
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- Virginia Woolf

Christiane

Ich hatte vorher eine Meinung, hab mich im Theater umentschieden und bin doch immer noch unsicher. Vor allem merke ich wie schwer es ist, da eine Entscheidung zu treffen, die auch unbeeinflußt ist von Sympathie oder Antipathie gegenüber den Protagonisten im Gerichtssaal. Von daher hab ich mir grad mal wieder bewußt gemacht wie gut und wichtig es ist, so ein durchdachtes, genau festgelegtes Rechtssystem zu haben. Auch wenn es mal Schlupflöcher gibt, auch wenn es mal Fehlentscheidungen gibt (oder ich das ein oder andere dafür halte) - unterm Strich ist es die beste aller Möglichkeiten.
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Ray Bradbury (1920 - 2012)

Inge78

Ich habe mitbekommen dass da was im TV lief, habe es aber nicht gesehen
Ich schaue mal wo das Theaterstück so "tourt", ich denke so live ist es noch was ganz Anderes als anonym vor dem Fernseher
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Christiane

Ja, das denk ich auch. Die Schauspieler meinten gestern auch, dass es für sie unglaublich spannend ist. Sie haben auch schon ein bisschen rumexperimentiert - mal den einen oder den anderen Charakter etwas sympathischer angelegt,... Variationen durchprobiert und geschaut, ob sich das auf die Abstimmung auswirkt. Bisher, meinten sie aber, hat sich das kaum in den Zahlen niedergeschlagen.
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Inge78

ach echt ? DAS hätte ich jetzt anders gedacht  :kopfkratz:
Habe gerade mal geschaut, bei uns in der Nähe läuft das leider nicht :-(
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- Virginia Woolf

Christiane

Ja, das hat mich auch überrascht. Wobei ich das richtig gut fand! Denn so soll es ja sein, dass jemand nicht schlechter oder besser beurteilt wird nur weil er/sie ein Sympath oder Kotzbrocken ist.
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Inge78

Zitat von: Christiane in 01. Dezember 2016, 09:08:43
Ja, das hat mich auch überrascht. Wobei ich das richtig gut fand! Denn so soll es ja sein, dass jemand nicht schlechter oder besser beurteilt wird nur weil er/sie ein Sympath oder Kotzbrocken ist.

Ja das stimmt
Auch wenn es bestimmt schwer fällt
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nala11

Oh ... Ich hab das aufgenommen, aber noch nicht geguckt.
Als Theatestück ist das dann wieder eine ganz andere Sache.
Dummerweise nicht in unserer Nähe ...  :undecided:
Lesen ist nicht nur ein Hobby, es ist eine Lebenseinstellung.
Du misst das Jahr nicht in Wochen und Monaten, sondern in Büchern.

Hans

Hallo Ladies,

ich hab das Stück bisher nicht gesehen, weder im Theater, noch die TV-Version. Ich erinnere mich aber, dass an dem Tag, als es im Fernsehn lief, wurde im WDR-Radio den ganzen Tag die Werbetrommel dafür geschlagen, weil das Stück von der ARD gesendet wurde. Zu dieser TV-Version gibt es auch eine Kritik bei den Nachdenkseiten, die ziemlich vernichtend ausfällt. Aber da ich weder das Theaterstück noch die TV-Produktion kenne, kann ich dazu nichts sagen. Aber wenn es im Theater anders lief, als im TV, dann habt Ihr da ja was zum Vergleichen, sofern Ihr die TV-Version auch noch mal zu sehen bekommt, oder der Jurist im Theater was anderes erzählt hat, als es im TV wohl der Fall war.
Soweit mal mein Senf dazu,

:winken:
Hans
Man muß nicht alles wissen, aber man sollte wissen, wo es steht.
Zum Beispiel hier: Infoportal Deutschland & Globalisierung oder Nachdenkseiten

Christiane

Hallo Hans,

ich hab die TV-Version nicht gesehen. Aber ich hab gerade mal Deinen Link dazu angeschaut. Hmmm ...  also ....  sich über den PrimeTimeHype zu beschweren und in so plakativem, reißerischem Stil eine Kritik schreiben ...  hmmm, das passt meinem Gefühl nach nicht wirklich. Aber das ist zunächst mal nur eine Stilfrage.

Inhaltlich sprechen sie da schon einige Sachen an, über die man sich zumindest klar sein sollte, bzw. man vielleicht auch kritisieren kann. Ich versuch das mal ein bisschen zu sortieren.
Zunächst diese Form der Zuspitzung - 164 gegen 70.000, der einsame Held in seinem Flieger - das ist natürlich der Dramaturgie geschuldet. Ich finde es aber nicht grundsätzlich verwerflich. Man muss nicht immer hart an der Realität bleiben, man muss auch bei so einem Thema nicht unbedingt nur Dokumentationen drehen. Ich glaube, man kann den Zuschauern schon zumuten, die Grenze zwischen Fiktion und Wahrheit selbständig zu suchen.

Die Mordanklage: auch das dient hier m.E. der Zuspitzung, denn nur auf Mord steht automatisch Lebenslänglich. Im Theater war es wie gesagt so, dass ein Jurist im Anschluß an das Stück eben diese juristischen Unterschiede erläutert hat. Im Publikum saß ein weiterer Jurist. Der hat dann auch noch das ein oder andere beigesteuert. Und der sagte z.B. er habe in diesem konstruierten Fall für Freispruch plädiert, weil eben die Mordanklage seiner Ansicht nach fehlerhaft wäre, denn es handle sich juristisch um Todschlag.
Da wäre das TV dann natürlich gefragt, das eben auch in angemessener Form zu verdeutlichen.

Dieser Satz vom Verteidiger, der in dem Artikel angeprangert wird (Im Fernsehfilm ,,Terror" sagt der Verteidiger an wichtiger Stelle, es sei 'unerträglich, um eines Prinzips willen" (gemeint: Menschenwürde) das wahrhaft Ungerechte zu tun und gegen die Regel vom kleineren Übel zu verstoßen". - aus  http://www.nachdenkseiten.de/?p=35466) war eine der Kernstellen, die mich dazu bewogen, am Ende für Verurteilung zu stimmen. Denn er zeigte eben genau die Gefahren auf, die in einem Freispruch stecken.

Die Juristen haben übrigens erklärt, dass es gesetzlich durchaus einen Unterschied zwischen dem absoluten Folterverbot, das im Grundgesetz verankert ist, und diesem Fall gibt. Das Verfassungsgericht hat nämlich kein absolutes Abschußverbot erlassen, sondern es hat eine generelle Abschußerlaubnis im Terrorfall für nichtig und GG-widrig erklärt. Das ist juristisch ein großer Unterschied.

Grundsätzlich finde ich es einfach großartig wenn man die Menschen dazu bringt, sich über so ein Urteil, über ein so wichtiges Gesetz Gedanken zu machen. Und dadurch, dass sie im Theater für einen Abend zu Schöffen werden werden die Zuschauer ganz anders eingebunden, gebrauchen selbst ihren Kopf statt sich nur (mal wieder) berieseln zu lassen. Dieser Anstoß zum Selberdenken ist m.E. die große Stärke des Stücks.
Im Einführenden Text, den der Richter zur Begrüßung an die Schöffen richtet (noch ehe der eigentliche Prozeß beginnt), wird wie ich finde auch sehr klar gemacht, dass eben nicht Populismus oder Bauchgefühl gefragt sind, sondern eine möglichst sachliche Auseinandersetzung mit einem schwierigen Thema.

Von daher: möglich, dass der Fernsehabend in die Populismusfalle getappt ist. Das kann ich nicht beurteilen. Das Theaterstück hier und die begleitende Diskussion fand ich hervorragend. Ein sehr guter Denkanstoß ;-).
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Ray Bradbury (1920 - 2012)

nala11

Hmm .... ich glaube auch, dass es ein großer Unterschied ist, ob man das Stück im Theater oder im Fernsehen sieht.
Ich denke, bei der Fernseh-Version ist die Anonymität ein großes Thema und die Auseinandersetzung mit dieser Problematik für viele emotionaler, oder sogar eher populistischer ausfällt.
Im Theater ist man noch näher dran und erlebt die Verhandlung direkter, so dass man sachlicher entscheidet ....
Das ist jetzt mein persönliches Gefühl ... Ich habe beide Versionen nicht "erlebt".
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Christiane

Ja, beim TV sitzt man ja allein oder doch nur in kleiner Runde vor der Glotze. In wie weit da diskutiert wird?? Und der Fachmann fehlt auch.

Im Theater ist man da wohl tatsächlich mehr involviert. Und hier haben sie es tatsächlich komplett durchgezogen: der Richter kam auf die Bühne und sprach die Zuschauer direkt an, erklärte uns das Schöffenamt und unsere Aufgabe als wären wir tatsächlich im Gerichtssaal. Dann ging er ab.
Als nächstes erschien ein Gerichtsdiener, der den Richter nun offiziell ankündigte und uns aufforderte 'Bitte erheben sie sich' - und alle Zuschauer standen auf. Es gab hier und da ein bisschen Gekicher, aber ich glaube sie haben so schon erreicht, dass die Leute sich viel intensiver mit der Entscheidung auseinandergesetzt haben.

In der Diskussion haben wir aber auch darüber gesprochen, dass die 5 Minuten, die man nach Abschluß der Verhandlung hatte, um den Stimmzettel in die eine oder andere Urne zu werfen, schon sehr kurz sind. Und die Idee entstand, das noch ein bisschen anders zu organisieren: nach der Verhandlung schon eine erste Diskussionsrunde, Zeit sich zu besprechen, zu überlegen, um die Entscheidung noch rationaler und weniger emotional zu machen.
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Ray Bradbury (1920 - 2012)