Charlotte Link: Die Stunde der Erben (Sturmzeit-Trilogie 03)

Begonnen von Kathrin, 15. August 2009, 16:28:11

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Kathrin

[isbn]3442433924[/isbn]   Die Stunde der Erben
Link, Charlotte
hist. Roman
20. Jahrhundert
   
Seiten: 541

Inhalt:
Es begann mit "Sturmzeit", der Geschichte jener Felicia Lavergne, die ihre qrauen Augen und ihren Familiensinn, aber auch einen unverbrüchlichen Überlebenswillen und Freiheitsdrang weitergibt. An ihre Enkelin Alexandra vor allem. Aufgewachsen in den Jahren politischer Unruhen und Veränderungen ist sie ein Kind unserer Zeit, kühl und zärtlich, eigenwillig und anschmiegsam, träumerisch und mit einem ausgeprägten Sinn für die Wirklichkeit. Als sie gegen ihren Willen das große Erbe Felicias antreten muß, setzt sie alles auf eine Karte und - verliert. Ein Zurück in die behütete Idylle aber kann es nicht geben. Alexandra weiß, daß Sie auf ihrem Weg weitergehen muß.
Das Porträt einer widersprüchlichen Frau, die Geschichte einer großen Familie, das Bild einer Epoche im Umbruch.

Meine Meinung:
Viele Jahre haben ,,Wilde Lupinen" und ,,Die Stunde der Erben", Band 2 und 3 der Sturmzeit-Trilogie von Charlotte Link bei mir ungelesen im Regal gestanden und zumindest bei ,,Wilde Lupinen" kann ich nicht verstehen, warum ich es so lange habe liegen lassen, denn der zweite Band der Reihe war wundervoll. ,,Die Stunde der Erben" allerdings hat mich ziemlich enttäuscht. Ich hatte zwar im Vorfeld schon gehört, dass Band 3 mit den Vorgängerromanen nicht mithalten könne, aber ich habe bewusst keine Rezensionen zu dem Buch gelesen, da ich mir meine eigene Meinung bilden wollte.

Den Anfang fand ich noch richtig gelungen. Der Prolog spielt Ende der 50er Jahre und wir erleben die Tauffeier von Alex, der Tochter von Belle und Andreas mit. Ein uns bislang unbekannter Mann, Wehrenberg begeht dort Selbstmord, spricht jedoch vorher davon, dass er eine Tochter habe, der Markus Leonberg, der Finanzberater von Felicia, das Zuhause wegnehmen würde. Da fragt man sich doch gleich, was passiert nun mit dem Mädel? Ist sie jetzt auf sich gestellt? 

Nur leider hat sich die Spannung des Prologs nicht lange gehalten, was ich hauptsächlich auf die große Anzahl an Handlungssträngen, mit denen uns die Autorin konfrontiert, zurückführe. An sich würden mich viele Handlungsstränge nicht sonderlich stören, allerdings fehlt den Figuren an Tiefe und dadurch wirken die einzelnen Geschichten in diesem Buch unausgereift und unrund, was sich dann wie in einem Teufelskreis noch einmal mehr negativ auf die (fehlende) Tiefe der Figuren auswirkt. Gerade von den Hauptfiguren, Chris und Alex, wohl die wahren Erben von Felicia Lavergne, konnte mir keine recht ans Herz wachsen. Den Rang hat ihnen ihre Cousine Sigrid abgelaufen, die sich von einer grauen, unscheinbaren Maus zu einer wunderbaren Frau entwickeln durfte und deren Geschichte wirklich sehr bewegend war. Ihr habe ich von Anfang an alles Glück dieser Erde gewünscht und wurde in diesem Buch mit wunderbaren Sigrid-Szenen belohnt! Die übrigen Figuren (beispielsweise Julia) bleiben hingegen blass.

Alles in allem hat Charlotte Link in diesem Buch für mich den falschen Schwerpunkt oder besser keinen Schwerpunkt gesetzt. Band 1 und 2 waren so toll, da wurde mit den beiden Weltkriegen die Geschichte Deutschlands und der Menschen viel mehr beleuchtet, hier geht die Geschichte Deutschlands (die direkte Nachkriegszeit, die Teilung in Ost und West, das Wirtschaftswunder der 50er Jahre, der Mauerbau, das Leben in der DDR, der Mauerfall, die Wiedervereinigung) echt unter. Charlotte Link hätte da so viel mehr rausholen können, was auch besser zu den Vorgängerbänden gepasst hätte, aber leider beschränkt sich die Autorinin diesem Buch fast ausschließlich auf die 80er Jahre und die damaligen Gesellschaftsthemen. Wir bekommen wirklich alles geboten, radikale, blutige Demonstrationen, Tierschutz, Abtreibung, AIDS, Drogen,  Magersucht, Auslagerung der Produktion in Billig-Produktionsländer, etc. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass all diese Themen in dem Buch untergebracht werden mussten, dadurch wirkt vieles erzwungen und verkrampft. Vieles hatte einfach nichts mit Deutschland zu tun, vielleicht mit den 80er Jahren, aber nicht mit der eigentlichen Geschichte des Landes, was ich nach Band 1 und 2 eigentlich erwartet hatte.  Das ist doch weiß Gott spannend genug, da muss man nicht zwanghaft all die Themen reinzwängen müssen. Dann hätten Dinge wie  das Wunder von Bern 1954 und was dies für die Menschen bedeutet hat oder auch ein Udo Lindenberg mit seinem Sonderzug nach Pankow wesentlich besser reingepasst.

Richtig, richtig schlecht umgesetzt hat die Autorin für mich die Geschichte von Julia und ihrer Familie, letztlich die Sicht der Menschen der DDR und wie ihr Leben war. Natürlich erfahren wir, dass Julia es in diesem Land nicht aushält, wir erleben einen ersten erfolglosen Fluchtversuch mit und ja, wie merken auch, dass Julia jetzt noch mehr leidet, aber das war alles ziemlich mau. Der zweite Fluchtversuch war allerdings äußerst spannend. Ich weiß nicht, ob ich in dem Abschnitt überhaupt einmal geatmet habe. Aber das war doch nicht alles, gerade die so spannende und bewegende Zeit Ende der 80er Jahre, die Montagsdemos, Genscher auf dem Balkon der Botschaft in Prag, der Mauerfall...hallo! Ich könnte heulen, so lieblos, runtergeleiert und nacherzählt wirkte das alles. Da kam überhaupt keine Emotion auf mich rüber!

Leider war ich auch mit dem Ende nicht ganz so glücklich. Das war mir fast schon ein wenig zu viel mit den einzelnen Happy Ends der Figuren. Das passte einfach nicht zu den Charaktereigenschaften wie man sie bislang kennengelernt hat, dass letztlich alles Friede, Freude, Eierkuchen ist. Klar freue ich mich für die Figuren eines Buches, wenn sie glücklich werden dürfen, aber es passte einfach nicht immer.

Alles in allem ein enttäuschende letzter Band der Sturmzeit-Trilogie aus dem die Autorin viel viel mehr hätte machen können.

Bewertung:
[note4+]

lg
kathrin
Rock the Night!