Pratchett, Terry: Der Club der unsichtbaren Gelehrten ; OT: Unseen academicals

Begonnen von AnjaB, 28. Mai 2011, 09:21:57

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AnjaB

[isbn]978-3-442-54673-2[/isbn]
Pratchett, Terry
Der Club der unsichtbaren Gelehrten : ein Scheibenwelt-Roman / Terry Pratchett. Ins Dt. übertr. von Gerald Jung. - 1. Aufl. - München : Manhattan, 2010. - 507 S. - Einheitssacht.: Unseen academicals <dt.>.
ISBN 978-3-442-54673-2
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Großes Entsetzen bei den Zauberern der unsichtbaren Universität. Um eine große finanzielle Zuwendung nicht zu verlieren müssen sie sich körperlich betätigen und eine Fußballspiel absolvieren und zwar ohne Magie.

Meine Meinung:

Scheibenweltromane sind für mich Romane in denen ich mich wohl fühle, sie sind wie der Sessel auf den man sich nach einem langen harten Tag fallen lässt, ein vertrautes Gefühl.
Mit diesem Roman ist der Sessel nicht mehr so gemütlich, hat er einen neuen Bezug bekommen, durch den sich ein paar Sprungfedern drücken. Es ist irgendwie unbehaglich

Beginne ich mit dem sichtbarem, dem Einband, statt des erwarteten und ursprünglich angekündigten Hardcover nur eine Klappenbroschur. Dazu eine nüchterne, wenig inspirierte Cover Gestaltung. Gut das sind Äußerlichkeiten, die zwar störend wirken aber nicht ins Gewicht fallen.

Doch auch die "inneren Werte" konnten mich nicht überzeugen, das heimelige, vertraute Scheibenweltgefühl will sich einfach nicht einstellen.
Noch immer kann ich nicht genau benennen woran es liegt, kommen auch noch mehrere Faktoren zusammen.

Da ist Punkt 1
das Sujet, der Plot oder die Szene, die sich der Meister diesmal vorgenommen hat.
TP nimmt sich des Fußballs um genau zu sein der Britischen Fußballszene an, ein heikles Thema wie sich bald herausstellt, das ganze wird buchstäblich garniert mit der Mode-Szene. Und da habe ich keine Berührungspunkte.

Da ist Punkt 2
die Protagonisten,
Das gesamte Personal des Buches ging mir auf die Nerven, die Zauberer ebenso wie das "nicht-zaubernde-Personal" der Unsichtbaren Universität und auch die anderen Figuren, egal ob Rand oder nicht. Ich bekam sie alle nicht zu fassen, sie gingen mir nicht nahe genug.


Und dann  Punkt 3,
die Sprache des Buches ist furchtbar.
Das ist zum einen ganz klar Punkt 1 zuzuordnen, wer über die Hooligans schreibt, bedient sich einer, sagen wir es mal ganz vorsichtig "rauhen" um nicht zu sagen dreckigen Sprache. Dem wird ein klassischer TP-Außenseiter entgegen gestellt, der so furchtbar geschraubt spricht, dass ich  manchen Satz mehrfach gelesen habe um irgend einen Sinn darin zu finden. Schon das macht dieses Buch schwierig zu lesen, der Kontrast in der Sprache.

Dazu kommt dann noch Punkt 4,
 die Tatsache, das auch dieser Scheibenwelt Roman nicht mehr von A.Brandhorst übersetzt wurde, dessen Übersetzungen ich als sehr angenehm empfunden habe, sondern von einem anderen Übersetzer, der sich dazu entschlossen hat, dem ganzen einen neuen Klang zu geben. Die wichtigste Änderung nimmt er vor, in dem er vom Scheibenwelt-Du plötzlich auf ein förmlicheres "Sie"  in der Anrede vor allem der Zauberer untereinander übergegangen ist.

Der Übersetzungsstil  verleidete mir das Buch endgültig, ich verstehe nicht, wie man, nach weit über 20 Titeln die TP geschrieben und die von Herrn Brandhorst übersetzt wurden, plötzlich und ohne Vorwarnung so eine zentrale Änderung durchführen kann.

Mir hätte ja schon ein kurzes Vorwort gereicht, frei nach dem Motto: der Übersetzer und der Verlag sind sich einig, das TP die Beziehung der Zauberer deutlich förmlicher angedacht hat, als das  in den alten Übersetzungen gestaltet wurde. Deshalb hat man sich entschlossen  das mit dem förmlicheren Sie zu verdeutlichen.
Ich will wenigstens gewarnt werden.

Mir ist schon bewusst, das jede Übersetzung auch eine Transformation sein muss.
Und das die alten Übersetzungen einigen nicht gefallen haben.
frei nach dem B Shaw: "Übersetzungen sind wie Frauen , sind sie schön, sind sie nicht treu, sind sie treu sind sie nicht schön"
Mir persönlich gefällt nun die ganze Transformation die der neue Übersetzer da vorgenommen hat überhaupt nicht.
Ich empfinde sie als  eckig und hölzern, kalt und unpersönlich, ohne (Scheibenwelt-)Leben und Witz.

Ich schließe nicht aus, dass auch das Original diesmal nicht mehr hergegeben hat, etwas was ich nicht nachvollziehen kann.


FAZIT:
Dieses Buch ist denjenigen Lesern zu empfehlen, die schon immer der Meinung gewesen sind, dass sich Scheibenweltler siezen, obwohl diese Leser wohl nicht auf eine Übersetzung angewiesen sind.

Allen die die alten Übersetzungen gelesen haben und TP deshalb gemocht haben, würde ich persönlich raten die Finger davon zu lassen, und lieber die alten Titel sichern, auch weil der Verlag  nun damit anfängt, ganz alte Titel in neuem Format (Klappenbroschur) und neuer Übersetzung heraus zu bringen.

Leider kann ich dem Buch nur eine 3-gönnen.

[note3-]



Verliebte sehen sich an, Liebende blicken in die gleiche Richtung
Antoine de Saint-Exupéry

Annette B.

Das ist aber wirklich eine sehr aufschlussreiche und mit fundierter Kritik geschriebene Rezi Anja. *Respekt*
Ich habe immer mal wieder mit diesen Scheibenwelt-Romanen geliebäugelt, aber ich weiß nun welchen Roman ich bestimmt nicht kaufen werde. :zwinker:
Deine Kritikpunkte sind sehr fundiert und für meinen Geschmack auch klare Minuspunkte für einen Roman, von dem ich mir eine gute Unterhaltung verspreche.
Ganz ehrlich, wenn mir ein Buch mit so vielen Schwächen untergekommen wäre, dann hätte ich meine Enttäuschung mit einer Note 4 oder auch 4- in der Rezi klar zum Ausdruck gebracht. Da bin ich auch manches mal Gnadenlos. :teufel:
Liebe Grüße Annette

AnjaB

Hallo Annette,

ich habe mit dieser Rezi auch sehr lange gerungen und bin auch noch lange nicht zufrieden damit.

Mir ist halt sehr bewusst, dass es eine durchaus sehr rege Terry Pratchett Fan-Gruppe gibt, die die alten Übersetzungen als absolute Katastrophe darstellen.
Aber ich habe sie immer gern gelesen und bin unglücklich darüber, dass sich mir einer der letzten Romane des immer gerne gelesenen Autors mir nicht mehr erschließt. :heul:

Er hat immer noch sehr witzige Sequenzen und die Karikatur des Modeschöpfers ist einfach sehr gut gelungen, den kann ich mir halt gut vorstellen, aber auch er berührt mich nicht.
Und diese kleinen guten Sequenzen halten mich halt davon ab es als totalen Reinfall anzusehen ich habe durchaus schlimmeres gelesen.

Insgesamt hat mich diese Buch wie kaum ein anderes dazu gebracht über Übersetzungen nachzudenken und mir ist erst mal wieder bewusst geworden wie sehr ein Übersetzer eben auch Transformieren muss.

LG AnjaB

Verliebte sehen sich an, Liebende blicken in die gleiche Richtung
Antoine de Saint-Exupéry

Annette B.

Hallo Anja,

Zitat von: AnjaInsgesamt hat mich diese Buch wie kaum ein anderes dazu gebracht über Übersetzungen nachzudenken und mir ist erst mal wieder bewusst geworden wie sehr ein Übersetzer eben auch Transformieren muss.

DAS kann ich nur zu gut nachvollziehen! Ich habe die ersten "Bruder Cadfael" Bücher total gerne gelesen und verschlungen, aber beim 9 oder 10 Band hatte ich plötzlich arge Schwierigkeiten, die Sätze und auch die Aussagen in den komplizierten Sätzen zu verstehen!  :wah: Vollkommen entnervt habe ich mich darüber auf der Buchcouch beschwert und bekam den Tip doch einmal nach zu schauen, wer die ersten Bücher Übersetzt hat und wer mein aktuelles Buch übersetzt hat. Nachdem ich dann mal genauer hingeschaut habe, fiel es mir wie Schuppen von den Augen, dass meine Schwierigkeiten mit dem Buch NICHT an mir und meiner mangelnden Intelligenz lagen. Ich denke aber auch, dass diese Mängel dem deutschen Lektorat des Verlages hätten auffallen müssen.
Das nächste Buch wurde dann wieder besser aus der Serie und ich denke, ich war nicht die einzige Leserin die sich darüber bitter beschwert hat beim Verlag!

Das du bei deiner Rezi Rücksicht auf die Fan Gemeinde genommen hast kann ich verstehen. Man kann sich auch manches mal ganz schön Ärger einfangen, wenn man seine Meinung all` zu deutlich Kund tut! :flirt:
Dennoch, ich lasse mich davon nicht mehr beeindrucken, denn wenn mir etwas nicht gefällt dann ist das eben so! Basta!!! Geschmäcker sind verschieden und ich muß ja auch akzeptieren das anderen Leser das Buch gefallen hat.
So ist das nun mal beim Lesegeschmack, beim Essen, Mode, Möbel u.s.w.
Man kann es nie allen Menschen recht machen.  :rollen:

Liebe Grüße
Annette
Liebe Grüße Annette