Die Tochter des Medicus - Gerit Bertram

Begonnen von Annette B., 04. August 2015, 21:29:41

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Annette B.


[isbn]3764504404[/isbn]

Zitat von: Klappentext lt. AmazonAls Gideon Morgenstern in Regensburg das Erbe seines Großvaters antritt, ahnt er nicht, dass der Koffer, den der alte Mann ihm vermacht hat, sein Leben für immer verändern wird. Gideon, der stets gegen die Traditionen aufbegehrte und als Einziger in der Familie nicht Arzt wurde, entdeckt plötzlich die tragischen Zeugnisse einer längst verschwundenen Welt: alte Fotografien, ein Hochzeitsgewand – und vor allem eine uralte Holztruhe. Diese gehörte Daniel Friedman, einem jüdischen Arzt, der 1519 in Regensburg bei einem Pogrom ermordet wurde. Als einzige Überlebende nahm seine Tochter Alisah den Medizinkoffer an sich und führte sein Handwerk fort. Doch als jüdische Frau war es nicht nur gefährlich, sondern auch verboten, als Ärztin tätig zu sein ...

Meine Meinung:

Jede Figur in diesem Roman trägt sein persönliches Päckchen an Schicksalsschlägen mit sich herum. Der Mensch muss mit seinen Entscheidungen und seiner Vergangenheit leben.
Einige Menschen verzweifeln an ihrem Schicksal und auch die Hauptperson in der Vergangenheit hätte allen Grund zum verzweifeln gehabt. Das Leben als Jüdin, Anno 1519 in Regensburg, hat Alisah viele Herausforderungen zugemutet.
Sehr einfühlsam wird in diesem Buch Alisahs Schicksal in der Vergangenheit beschrieben.
Die Ereignisse in Regensburg Anno 1519 waren grausam, doch dieses Autorenduo verzichtet auf detaillierte und blutige Szenen. Die Ereignisse sind so, wie sie beschrieben wurden schon tragisch genug.  Als Leser kann man sich oft selbst denken was geschehen ist.
Diese wunderbare sensible Schreibweise hat mich sehr beeindruckt. Besonders da ich in vielen historischen Romanen die grausamen Beschreibungen, als sehr düster und brutal empfunden habe. Das macht irgendwann keinen Spaß mehr, wenn man nur traurige und brutale Ereignisse liest.
In dieser Handlung ist das anders, da gibt es immer wieder freundliche und warmherzige Menschen und es wird auch gelacht und gefeiert.
Eine bunte Mischung aus Spannung, Abenteuer, Unterhaltung und tiefsinnigen Gedanken haben mich gefesselt.
Der Schreibstil ist leicht und flüssig zu lesen.
In der Gegenwart sucht Gideon gerade nach seinem Weg im Leben und neuen Perspektiven. Auch diese Suche ist spannend und mit einigen unerwarteten Wendungen erzählt worden.
Die Beschreibungen vom Leben in der Vergangenheit, lassen Bilder vor dem inneren Auge entstehen und geben dem Leser die Möglichkeit tief in die Handlung einzutauchen.

Das Buch lebt von dem Wechsel der Zeitebenen. Immer wieder kehrt man als Leser zu den Ereignissen in der Vergangenheit zurück, um dann nach einigen Kapiteln wieder Gideon in der Gegenwart zu begleiten.
Natürlich ergeben sich auch Liebesgeschichten. Diese Liebesgeschichten sorgten zusätzlich für eine prickelnde Spannung  in der Handlung.

Man merkt schnell, das hier sehr sorgfältig recherchiert wurde. Die Beschreibungen von Krankheiten und deren Behandlung fand ich interessant. Denn ich hatte kaum eine Vorstellung davon, welche Möglichkeiten die Ärzte früher schon hatten.
Da die Hauptdarsteller, egal ob in der Gegenwart oder in der Vergangenheit, dem jüdischen Glauben angehören, hat der Leser auch noch vieles über die Rituale und Grundsätze des Glaubens erfahren. Aber es geht nicht nur um den jüdische Glauben , nein, auch Martin Luther spielt mit seinen Thesen und Schriften eine Rolle in der Handlung.
Die Ereignisse der Vergangenheit bestimmen auch die Handlung in der Gegenwart. Der Mut mit dem Alisah in der Vergangenheit ihre Ziele verfolgt, beeindruckt ihre Nachfahren und führen auch bei Ihnen zu einem Umdenken.
Der Charakter von jeder einzelnen Person ist lebendig und  glaubwürdig gezeichnet. Auch die Charakter von den Personen, die nicht zu den Sympathieträgern in der Handlung gehören.

Einen einzigen Kritikpunkt habe ich jedoch noch anzumerken. Ich mache in der Buchhandlung schon lange einen großen Bogen um  Neuerscheinungen die entweder >Medicus< oder >Hebamme< im Titel haben. Da ist mittlerweile soviel Abklatsch von Noha Gordens - Medicus - oder von der -Hebamme -von Sabine Ebert auf dem Markt, das ich mich damit nicht mehr beschäftigen mag.
Dieses Buch hätte ich daher nicht gekauft. Es wäre in der Masse untergegangen, obwohl es sich durch die Handlung und dem Schreibstil von den anderen Büchern deutlich unterscheidet.
Eine so komplexe Handlung hätte m.M.n. einen fantasievolleren Titel verdient, denn Alisahs und Gideons Geschichte bieten dafür sehr viele Anregungen.

[note1]
Liebe Grüße Annette