Véronique Olmi - Nummer sechs

Begonnen von Karthause, 23. September 2007, 19:48:45

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Karthause

   
Véronique Olmi
Nummer sechs


Taschenbuch: 120 Seiten
Verlag: btb, August 2005
ISBN-10: 3442732492

[isbn]3442732492[/isbn]

Kurzbeschreibung
Die Geschichte einer lebenserfüllenden und doch ganz und gar aussichtslosen Liebe.

Fanny ist die Jüngste in der Familie, die "Nummer sechs", wie der Vater sie gerne nennt. Der geliebte, stets anderweitig beschäftigte Vater, um dessen Anerkennung sie ein Leben lang kämpft. Als Mädchen ist sie krank geworden, einmal ist sie sogar ins Meer gegangen, damit er sich um sie kümmert. Als Erwachsene hat sie vergeblich versucht, ihn zur Rede zu stellen. Jetzt ist er alt, der Platz an seiner Seite ist mit dem Tod der Mutter freigeworden. Aber lässt sich die Vergangenheit zurückholen?

Die Autorin
Véronique Olmi wurde 1962 in Nizza geboren und lebt heute mit ihren zwei Töchtern in Arles. Sie zählt in Frankreich zu den bekanntesten jungen Theaterautorinnen. Ihre Stücke werden auch in Deutschland und in der Schweiz gespielt. Ihr erster Roman "Meeresrand" wurde vom Feuilleton gefeiert und war Liebling der deutschen Leserinnen und Leser. Er wird gerade verfilmt, mit Sylvie Testud in der Hauptrolle.

Meine Meinung
Fanny ist der Nachzügler der Familie. Sie ist die Nummer sechs, die Ungewollte. Inzwischen ist sie 50 Jahre alt. Der Vater, für den sie innige Liebe empfindet, sie aber nicht erwidert fühlt, wurde vor kurzer Zeit 100. Ihr Leben lang kämpft Fanny um die Liebe und Anerkennung des Vaters. Die ständigen Zurückweisungen durch den Vater prägen sie und ihr ganzes Leben. Als die Mutter, ihre ewige Konkurrentin, starb, sah sie den Moment gekommen, die Nummer eins an seiner Seite zu werden. Sie kümmert sich um ihn, pflegt ihn. Die anderen Geschwister haben sich aus ihrer Verantwortung gekauft. Fanny liest die Briefe, die der Vater aus dem Krieg an seine Eltern schrieb, versucht mehr über ihn zu erfahren, sie will ihm einfach nahe sein.
In kurzen, knappen Sätzen, fast schon stakkatoartig erzählt Véronique Olmi diese Geschichte. Begebenheiten aus der Gegenwart und Gedanken, Ereignisse und Briefe aus der Vergangenheit lassen den Leser die seelische Not von Fanny hautnah erleben. Vieles reißt die Autorin nur kurz an. Das regt zum Nachdenken an, aber nicht nur bei diesem Buch bleiben die Gedanken, sie wandern ab ins eigene Leben. Was weiß man selbst von seinen Eltern? Was weiß ich alles nicht?
Beim Lesen machte sich etwas Melancholie breit. Resignation dagegen spürte ich nie, nur eine gewisse Traurigkeit im Kampf um Liebe und Anerkennung. ,,Nummer sechs" ist ein sehr kurzes Buch, aber es ist von beeindruckender Intensität und Tiefe geprägt. Mich hat es sehr berührt.

Auf dem Cover meiner Ausgabe steht folgendes Zitat von Senta Berger: ,,Das ist ein Buch über Versäumnisse, über Dinge, die man nicht mehr nachholen kann. Es hat mich so berührt." Besser kann man es nicht sagen.

Note 2+
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Liebe Grüße
Karthause


"Abbitte" von  Ian McEwan

Karthauses bunte Bücherwelt