NEIN Winnie M Li

Begonnen von nala11, 15. Februar 2019, 19:30:54

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nala11

ZitatEine zufällige Begegnung, die in einem entsetzlichen Akt der Gewalt gipfelt und das Leben zweier Menschen komplett verändert. Winnie M Li erzählt die explosive Geschichte einer Vergewaltigung aus der Sicht des Opfers. Und des Täters.
Vivian hat gerade ihr Studium beendet und startet in London durch. In der Freizeit packt sie am liebsten den Rucksack und geht wandern. An einem sonnigen Frühlingsnachmittag kreuzt ihr Weg den eines jungen Mannes, fast ein Kind noch. Er lässt nicht locker, bedrängt sie. Vivian sagt mit Nachdruck Nein. Vergebens.
Die Geschichte von Vivian ist Winnie M Lis Geschichte. Schonungslos erzählt sie davon, wie eine einzige Begegnung das ganze Leben verändern kann – und geht noch einen Schritt weiter: Sie schreibt zugleich auch die Geschichte des Mannes auf, für den das Wort Nein nichts zählt.


Ich war sehr neugierig auf dieses Buch, da es die Sicht beider Beteiligten schildert.
Ich wollte wissen, wie sich das "anfühlt", die Gedanken von Opfer und Täter fast parallel zu lesen.

Zum Einen ist da Vivian, eine Amerikanerin, die in London lebt und für ein paar Tage zu Besuch in Belfast ist. Ich habe sie als starke, selbstbewusste Frau kennengelernt, die genau weiß, was sie will, und was nicht.
Ich erlebte sie vor, während und nach der Vergewaltigung. Besonders das "nachher" hat mich sehr erschreckt und berührt. Was diese Tat mit ihr und aus ihr gemacht hat.
Auf der anderen Seite ist Johnny, ein junger Irish Traveller aus Belfast. Er ist durch sein soziales und familiäres Umfeld sehr stark geprägt. Auch ihn lernte ich recht ausführlich kennen, seine Sicht auf Buffer (die sesshaften Menschen), Frauen und sein Umgang mit Sex. Der in seinem Fall schon ziemlich früh beginnt.

Anfangs war ich etwas vom Schreibstil verwirrt, da beider Erzählungen nicht ganz chronologisch waren.
Ich habe mich aber recht schnell eingelesen und  fand es gut die Beiden "vorher" schon zu erleben, wie sie ticken und wie sie denken.

Die Vergewaltigung selber fand ich (es fällt mir echt schwer hier "gut" zu schreiben, weiß aber nicht, wie ich es anders ausdrücken soll. Also ...) gut geschrieben.
Ich hetzte da durch, so habe ich mich zumindest gefühlt. Es wurde in einem durch geschrieben (ich würde fast sagen, mir wurden die Worte entgegen geballert). Ihre Gedanken, seine Gedanken, das was Vivian zu Johnny sagt und das, was Johnny zu Vivian sagt.
Danach musste ich erst mal tief Luft holen und das Gelesene sacken lassen...
Was danach noch alles passiert, hat mich ganz besonders beschäftigt (und tut es noch!).
Es machte mich wütend und sprachlos. Selbst wenn ich nicht gelesen habe, hing ich immer ständig in der Geschichte drin.

Das Ende ist, hmm ... auf einer Seite versöhnlich und auf der anderen Seite sehr offen, so dass ich noch viel darüber nachdenke . Die Autorin schildert in diesem Roman zu einem gewissen Teil ihre eigene Geschichte, was es für mich noch persönlicher machte.



Ein gutes Buch, das ein hartes Thema aufgreift und mit viel Gefühl umgesetzt wurde.


:Box1: :Box1: :Box1: :Box1: :Box_halbgrau1:

Lesen ist nicht nur ein Hobby, es ist eine Lebenseinstellung.
Du misst das Jahr nicht in Wochen und Monaten, sondern in Büchern.

Esmeralda

Klingt sehr interessant.
Es "reizt" mich jetzt auch irgendwie, nachdem ich Deine Rezension gelesen habe; aber ich denke für so ein Buch / Thema sollte man seelisch auf der Höhe sein.
Ich packe es auf jeden Fall mal auf meine Leseliste.
Danke.  :schmusen:
Life is too short to read bad books. 

Inge78

Danke für die sehr neugierig machende Rezi
Das klingt wirklich richtig gut auch wenn es ein echt schwere Thema ist
Words are, in my not-so-humble opinion, our most inexhaustible source of magic. Capable of both inflicting injury, and remedying it - Albus Dumbledore

Im finst´ren Förenwald, da wohnt ein greiser Meister. Er ficht gar furchtlos kalt sogar noch feiste Geister.
(aus "ES" von Stephen King)

Fiktion ist wie ein Spinnennetz, das, auch wenn nur vielleicht ganz leicht, an allen vier Ecke des Lebens befestigt ist.
- Virginia Woolf

nala11

Es war echt ein gutes Buch, das sehr nachdenklich macht .. und ja, Sandra, ich glaube auch, dass man dafür die "richtige Zeit" braucht ..
Lesen ist nicht nur ein Hobby, es ist eine Lebenseinstellung.
Du misst das Jahr nicht in Wochen und Monaten, sondern in Büchern.

Inge78

Ich habe gestern "Nein" beendet

Kein ganz einfaches Buch. Vom Thema her nicht. Und auch vom Stil her nicht.

Das Buch beruht auf der wahren Geschichte von Winnie M Li, auch sie wurde als Rucksacktouristin vergewaltigt. Die Geschichten der beiden Protagonisten ist aber fiktiv.
Wir lernen sowohl Vivian als auch Johnny in verschiedenen Situationen kennen, sowohl vor und nach der Vergewaltigung, als auch währendessen.
Die Szene an sich ist ganz großartig geschrieben, erschreckend analytisch und viel detaillierter als ich das erwartet habe. Wie Carmen schon gechrieben hat, man hetzt durch die Szene, erlebt die Gedanken und Gefühle fast ungefiltert, alles prasselt auf den Leser ein.
Aber auch was Vivian nach der Tat durchleben muss ist grausam, die Untersuchungen, die Befragungen, den Prozess. Fast zerbricht sie daran. Ihr Verhalten kann ich jederzeit absolut nachvollziehen.
Ganz anders Johnny. Durch seine Vorgeschichte ist er vorbelastet, er hat kein normales Verhältnis zu Frauen oder gar zu Sex. Er hält sich selber für großartig und ist dabei nur eine arme Wurst. Ich will nicht sagen, dass ich Mitleid mit ihm habe, denn Mitleid hat er nicht verdient. Aber ich verstehe warum er geworden ist, wie er ist. Aber nichts, rein gar nicht, rechtfertig seine Tat.
Respekt an die Autorin, so ein Buch zu schreiben. Nicht immer leicht zu lesen, zu Beginn war ich oft durcheinander, da die Ereignisse nicht chronologisch geschildert werden und wir auch zwischen den beiden Protagonisten hin und her springen. zudem sind einige Zeitsprünge im Buch. All dies ändert aber nichts an der eindringlichen Story und der Botschaft des Buches.

Ich denke, das Buch braucht eine richtige Lesezeit. Das kann man nicht immer lesen. Und ich würde sagen, man muss dran bleiben. Dies ist kein Buch für "ich lese mal eben 5 Minuten zwischendurch".
Aber wenn man sich drauf einlassen kann ist es wirklich beeindruckend

[note2+]

Words are, in my not-so-humble opinion, our most inexhaustible source of magic. Capable of both inflicting injury, and remedying it - Albus Dumbledore

Im finst´ren Förenwald, da wohnt ein greiser Meister. Er ficht gar furchtlos kalt sogar noch feiste Geister.
(aus "ES" von Stephen King)

Fiktion ist wie ein Spinnennetz, das, auch wenn nur vielleicht ganz leicht, an allen vier Ecke des Lebens befestigt ist.
- Virginia Woolf

Dante

#5
Das wird keine Rezension, das werden Gedankenfetzen - zu mehr bin ich nicht in der Lage...

Inge und Carmen haben es schon sehr treffend formuliert... es ist "gut" beschrieben... Es ist packend, man will unbedingt NICHT da sein und ist es doch... Ich ärgere mich über mich selbst, dass ich mich von den episodenhaften Schilderungen der jeweiligen Werdegänge mitreißen lasse und denke: "Das kann ja gar nicht anders enden!" Es ist unvermeidlich und soll es doch nicht sein - vermeidbar soll es sein! Einen meiden... Einen nicht betreffen. Einen nicht treffen... "Verdammt!", will man schreien. "Wie kann er?!" Und zu denken: "Wie kann er nicht... Was bleibt ihm anderes als das? Er fühlt sich bestätigt!" Das ist eigentlich das Schlimme für mich an diesem Buch.

Ich bin froh, dass ich meine Buch-Szene schon im Kasten habe und sagen kann, was ich geschrieben habe, habe ich geschrieben, bevor ich dieses Buch las... Es ist nicht abgekupfert. Es ist nicht so heftig, aber es ist für mich heftig genug.

Ich kann und will "Nein" nicht bewerten. Es ist "gut" geschrieben. Es ist sogar "sehr gut" geschrieben. Aber ich will es nicht bewerten. Ich will es einfach wieder in den Karton packen und zurückschicken...

P.S.: Ich werde definitv eine Triggerwarnung in mein Buch packen.
Instagram: @susanne_pilastro_autor