John Boyne - Als die Welt zerbrach

Begonnen von hexenaugen, 04. Oktober 2022, 09:31:12

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hexenaugen



Zitat1946. Drei Jahre nach dem katastrophalen Ereignis, das ihre Familie zerriss, fliehen eine Mutter und ihre Tochter von Polen nach Paris. Blind vor Sorge und Schuldgefühlen begreifen sie nicht, wie schwer es ist, der Vergangenheit zu entkommen.
Fast achtzig Jahre später führt Gretel Fernsby in ihrem Londoner Villenviertel ein ruhiges Leben, Welten entfernt von der traumatischen Kindheit. Als eine junge Familie in die Wohnung unter ihr zieht, hofft sie, dass die eingespielte Hausgemeinschaft nicht aus dem Gleichgewicht gerät. Doch der neunjährige Henry weckt Erinnerungen, denen sie sich nicht stellen will.
Gretel steht plötzlich vor der Wahl zwischen ihrer eigenen und Henrys Sicherheit. Eine Wahl, der sie sich ganz ähnlich schon einmal gegenübersah. Damals wurde sie, die Tochter eines Lagerkommandanten,mit ihrer unentschuldbaren Entscheidung zur Mittäterin. Aber sollte sie jetzt eingreifen, riskiert sie, Geheimnisse zu enthüllen, die sie ein Leben lang gehütet hat ...

Meinung:

Als die Welt zerbrach, ist John Boynes' Fortsetzung von >Der Junge im gestreiften Pyjama<
1946 war Gretel, die jugendliche Schwester von Bruno, als Tochter des Kommandanten eines Vernichtungslagers gezwungen, aus Deutschland und vor den drohenden Repressalien zu fliehen.
Heute ist sie eine einundneunzigjährige, wohlhabende Witwe, die in einer gehobenen Gegend von London lebt.
Die Kapitel wechseln zwischen ihrem damaligen und ihrem heutigen Leben ab.

Noch immer hat Gretel, die ihr Leben unter der Last von Schuld und Scham gelebt hat, immer noch das Bedürfnis, ihre Herkunft für sich zu behalten.
Bei zwei verschiedenen Gelegenheiten schreckt Gretel davor zurück, einen Kriegsverbrecher zu entlarven und sich damit selbst zu belasten, und überlässt die Last der Entscheidung stattdessen einer dritten Partei.

Am Ende ist sie jedoch gezwungen, auf eine ganz und gar erwartete Art und Weise Stellung zu beziehen, und zwar zum Wohle eines anderen kleinen Jungen, der ebenso verletzlich ist.

Fazit:

Ich habe dieses Buch mit Bedacht gelesen, mit authentischer Artikulation die Worte einer 91 Jahre alten Frau zu schreiben, ist keine leichte Aufgabe.
Es ist ein tolles Buch, was ich sehr gerne weiterempfehle.

[note1]
Bücher lesen heißt wandern gehen in ferne Welten,
aus den Stuben über die Sterne.

©Jean Paul

Inge78

 " Indem Du nichts getan hast, hast Du alles getan. Indem Du keine Verantwortung übernommen hast, trägst Du die Verantwortung."

Die Fortsetzung des großartigen Romans "Der Junge im gestreiften Pyjama". Wir erfahren wie sich das Leben von Brunos Schwester Gretel weiterentwickelt hat, die Flucht , ihr Leben und ihre lebenslange Schuld, die sie immer mit sich trägt. Sie hat sich in ihrem Leben recht gut eingerichtet, jedoch passiert dann etwas, was sie zwingt, zu handeln.

Das Buch wird auf zwei Zeitebenen erzählt, wir erleben Gretel als alte Frau in London und immer wieder in Rückblicken ihr bisheriges Leben und das ihrer Eltern. Teilweise sind die Episoden wirklich schwer zu ertragen und natürlich steht das Thema "(Mit)Schuld" immer wieder im Focus. Was hätte Gretel tun können, tun müssen. Wann ist man alt genug, richtig von falsch zu unterscheiden und kann man sich gegen ein System auflehnen, was einen aufgezogen und indoktriniert hat. Gretels Geschichte hat mich bewegt und mich immer wieder in Frage stellen lassen, welche Verhaltensweise schändlich sind und für was man Verständnis entwickeln kann. Ich stehe ihr unentschlossen gegenüber, ich habe Symphatien für die Frau die sie jetzt ist, ich habe Mitleid mit ihr, wegen dem was geschehen ist und gleichzeitig verachte ich ihre Lügen und ihre Geheimniskrämereien bis zuletzt. So schwierig die Geschichte ist, so schwierig sind viele Charaktere. Einzig ein kleiner 9-jähriger Junge schleicht sich auch in diesem Buch in mein Leserherz und lässt mich mitfühlen. Auch die Geschichte die Gretel in der jetzt-Zeit bewegt ist ziemlich hart und emotionsgeladen. Einzig das Ende war mir zu viel "Hollywood", zu viel Drama. Wobei auch dieser wieder passend war, denn wie "Der Junge im gestreiften Pyjama" endet das Buch für mich mit einem Knall, den ich nicht habe gekommen sehr. Wobei es wahrscheinlich so oder so keine gute Lösung für Alles gegen hätte, aber ich hätte mir einfach mehr Wahrheit gewünscht, kann aber auch Gretels Beweggründe nachvollziehen. Es gibt einige überraschende Wendungen und ganz am Ende konnte mich der Autor dann doch wieder zu Tränen rühren so dass ich trotz einiger Kritikpunkte doch zu einem versöhnlichen Ende komme. Der Schreibstil von John Boyne ist gewohnt rutschig zu lesen, gleichzeitig leicht und doch voller Tiefe. Er schreibt kompromisslos und ehrlich und beschönigt selten. Es gab ein paar Länge in meinen Augen und ich fand auch ein paar Lücken in der Geschichte von Gretel, die wir Leser ja auch nur episodenhaft miterleben. Dennoch spreche ich eine klare Leseempfehlung aus.
Ein Buch was mich nachdenklich und irgendwie ruhelos zurücklässt. Mit Fragen, die mich bewegen, mit vielen Gedanken und Gefühlen, die völlig ungeordnet sind. Und alleine dafür gebührt dem Autor einfach Respekt, weil er es mal wieder geschafft hat, mich auf eine emotionale Achterbahn zu schicken und mich zwingt, mich mit unbequemen Fragen auseinanderzusetzen.

[note 2]
Words are, in my not-so-humble opinion, our most inexhaustible source of magic. Capable of both inflicting injury, and remedying it - Albus Dumbledore

Im finst´ren Förenwald, da wohnt ein greiser Meister. Er ficht gar furchtlos kalt sogar noch feiste Geister.
(aus "ES" von Stephen King)

Fiktion ist wie ein Spinnennetz, das, auch wenn nur vielleicht ganz leicht, an allen vier Ecke des Lebens befestigt ist.
- Virginia Woolf

Esmeralda

*schwupps* - auf meiner Wunschliste gelandet.
Hast mich jetzt sehr neugierig auf die Fortsetzung gemacht.  :dong: 
Life is too short to read bad books.