Jahre mit Martha / Martin Krodic

Begonnen von SilkeS., 29. November 2022, 09:16:35

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SilkeS.

Jahre mit Martha/ Martin Kordic
S. FISCHER Verlag
ET: 2022

288 Seiten
ISBN: 978-3-10-397163-7
Inhalt:
Željko, der von allen »Jimmy« genannt wird, ist fünfzehn, als er sich in Martha verliebt. Sie ist Professorin in Heidelberg, er lebt mit seinen Eltern und Geschwistern zu fünft in einer Zweizimmerwohnung in Ludwigshafen. Martha hat, was Željko sich sehnlichst wünscht: Bücher, Bildung und Souveränität. Mit Martha besucht er zum ersten Mal ein Theater, sie spricht mit ihm, wie sonst niemand mit ihm spricht. Mit Marthas Liebe wächst Željkos Welt. Doch welche Welt ist es, die er da betritt und wen lässt er dafür zurück? Wo verlaufen die Grenzen zwischen Begehren und Ausbeutung? 


Meine Meinung
An dem Buch kommt man nach Erscheinen nicht vorbei. Sei es eine Lesung in der Lieblingsbuchhandlung, oder  gelesen  und besprochen als Bestseller-Challenge im Bücherpodcast eat.READ.sleep.
Mich hat es vor allem interessiert weil es in meiner Ecke spielt. Daher habe ich es mir geholt und gelesen.
Erinnert mich vom Stil her an Sasa Stanislav : Herkunft,  was vielleicht weil  begründet darin liegt, dass beide Autoren Landmänner sind. Vielleicht auch weil bei Protaginsten, in einem ist es Autobiografisch, im anderen Autofiktional sich Deutsche Sprache nahezu selbst angeeignet haben.
Während es in Stanislav es wirklich nur um sein Leben geht, Anekdoten aus dem Leben erzählt werden, läuft die Geschichte in >>Jahre mit Martha<< zum Ende etwas aufgeklärter und kritischer in Bezug auf Ausländersein in Deutschland ab. Das fand ich am Ende sehr gut. Man hat ein gutes Gespür bekommen, wie es sein muss von einer anderen Kultur, Hautfarbe, Sprache zu integrieren, seinen Platz zu finden, sich zu positionieren. Was bedeutet es zu sein Ausländer in Deutschland ? Man bekommt ein Gespür dafür wie zerrissen sich Menschen mit Migration fühlen, die tief mit ihrer Heima verwurzelt sind, aber doch im ,,Gastland" integriert sind oder sein wollen.
,,Wer waren wir? Wer waren wir in Deutschland? Wer wollten wir sein?" (S. 250)
,,Wir repräsentierten Ausländer in Deutschland. Wir repräsentieren Ex-Jugoslawen in der Vorderpfalz. Wir repräsentieren Kroaten in der Vorderpfalz. Wir repräsentieren Menschen aus Bosnie-Herzegowina. Wir repräsentierenden Verein" (S. 254)
Aber worum geht es in dem Buch eigentlich?
Ich-Erzähler Željko Draženko Kovacevic,  ist ein bildungshungriger Protagonist, der mit seinen Eltern wegen dem Krieg in Jugoslawien nach Deutschland kommt.  Seine Mutter geht Putzen und so lernt Željko, der sich von allen Jimmy nennen lässt, Martha Gruber kennen, eine deutlich älteren Heidelberger-Universitäts-Professorin. Zwischen beiden entspinnt sich eine Liebesgeschichte, die ich sehr kritisch gesehen habe.  Nicht nur der Altersunterschied auch, die Abhängigkeiten und generell hat mich die Geschichte nicht berührt.
Dieses Buch hat seine Stärken, aber wirkt etwas überladen, denn es enthält neben der Migrations-, eine Liebesgeschichte, eine Coming-of-Age-Geschichte.

Note 2-3


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Inge78

 "Auf die Frage, wer ich war, gab es keine leichte Antwort. Wenn ich aber selbst nicht sagen konnte, wer ich war, wie sollten andere mich dann als jemanden erkennen, mit dem ich einverstanden war."

Željko ist Kind bosnischer Einwanderer. Die Professorin Martha zeigt ihm eine neue Welt.

Kein einfaches Buch, kein gefälliges Buch, ein schwieriges Thema, eine Story, bei der ich hin-und hergerissen bin zwischen Faszination und Abscheu.
Željko muss sich finden und wird massiv von Martha dabei beeinflusst und dieser Einfluß ist nicht immer gut für ihn. Beide Charaktere sind sperrig und daher wirklich spannend, wobei Martha auch für mich als Leser stets fremd und unnahbar bleibt. Željkos Handeln kann ich nur teilweise nachvollziehen und das lässt mich wirklich intensiv über die Story nachdenken und daher wird das Buch sicherlich lange nachwirken. Spannend wie interessant man Charaktere und ihre Geschichte finden kann, auch wenn man sie nicht mag.
Auch der Schreibstil ist nicht leicht, das Buch liest sich mal nicht eben weg, was es aber auch wieder eindringlicher macht. Es geht ums Erwachsenwerden, um Identitätsfindung, um Einwanderung und Integration. Viele Themen, komplex verpackt, oft auch nur angedeutet und daher überdenkenswert.

Ein Buch, das im Gedächtsnis bleibt

[note 2]
Words are, in my not-so-humble opinion, our most inexhaustible source of magic. Capable of both inflicting injury, and remedying it - Albus Dumbledore

Im finst´ren Förenwald, da wohnt ein greiser Meister. Er ficht gar furchtlos kalt sogar noch feiste Geister.
(aus "ES" von Stephen King)

Fiktion ist wie ein Spinnennetz, das, auch wenn nur vielleicht ganz leicht, an allen vier Ecke des Lebens befestigt ist.
- Virginia Woolf