Kathrins Wanderbuch 2023 - Ein Spiegel für mein Gegenüber

Begonnen von Kathrin, 06. Februar 2023, 11:55:27

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SilkeS.

Hallo zusammen,

zum Glück war das Buch dünn, so konnte ich es über die Weihnachtsfeiertage mit zu meiner Mutter nehmen und in kurzen 5 Minuten-Pausen, wenn zwischen den Mahlzeiten mein Mann mit Hund draußen war und die beiden älteren Herrschaften sich etwas hingelegt hatten, etwas lesen.
Im Hotel war denn wieder der Fernseher an, wobei ich mich nicht konzentrieren kann.

Spoiler
Ich hatte von dem Buch nie gehört, noch gelesen, kannte weder Cover, Autorin noch irgendwas. War für mich also komplettes Neuland, was mir bei den Wanderbuchrunden gerne so ergeht.
Das Buch hörte sich thematisch sehr gut an, bot viel Potenzial, was aber, vielleicht aufgrund der wenigen Seiten, leider nicht ausgeschöpft wurde.
Ich konnte mit Huzurs Verhalten generell wenig anfangen.
Angefangen mit ihrer provokanten Kopftuch-Aktion. Sie hätte zu ihrem Verhalten stehen sollen, es verteidigen, statt sich krank zu melden und dann auch noch in di Türkei abzuhauen.
Dort fühlt sie sich "wohler" hatte ich den Eindruck, aber  wir von den Türken als "Deutschländerin"  trotzdem als "fremdartig"  behandelt. Auch wenn sie in Deutschland geboren ist, fand ich schon, dass sie ehr türkisch sozialisiert ist und mit den Traditionen besser vertraut ist und sich wohler fühlt als mit den Deutschen. Aber sie fühlt sich zerrissen, was ich verstehen konnte, aber was ich mir trotzdem besser herausgearbeitet gewünscht hätte. Der Erzählstil war mir zu nüchtern, ich hätte gerne mehr an ihren Gefühlen teilgenommen.
Als sie nach Deutschland kommt und Hiba findet. Huzur zeigt Einsatz, wo andere wegschauen, aber auch das Thema wurde mir nicht tief genug behandelt. Ich habe mich gefragt, ob dieser Teil evtl. autobiographisch sein könnte, hier aber gerne mehr von rechtlichen Bestimmungen, an der Problematik  etc. erfahren. Auch hier hätte ich mir mehr Ausführlichkeit gewünscht. Das Zusammenleben mit Hiba wird ziemlich gut beschrieben, mit Albträumen, der fehlenden Kleidung, aber sonst bleibt alles recht oberflächlich.
Ihre Beziehung zu Raphael war für mich auch ein Rätsel. Sie scheint ihm keinerlei Gefühle gegegenzubringen und hier fand ich merkte man am Ehesten, dass ihre türkische Kultur vor der deutsche kommt und dass ihr diese auch sehr wichtig ist. Ich fand auch ihr werten der Familie von Raphael gegenüber nicht richtig. Klar ist es anfangs immer  verkrampft, wenn man den Schwiegereltern vorgestellt wird, aber sie gibt ihnen irgendwie keine richtige Chance. Am Schluss wo die Eltern ihr ins Gewissen reden, ist es grenzwertig, aber sie hätte ihnen ja Einhalt gebieten können, sie hätte ihnen sagen sollen, dass sie es übergriffig finde, dass sie es frech findet, dass sie sich da informiert haben, sie hätte ihnen sagen, sollen, dass es IHR Problem ist... Sie hält aber den Mund. Sie hält viel zu viel den Mund! Klar sie hat Minderwertigkeitkomplexe, sie ist unsicher, aber man darf dann trotzdem die anderen nicht verurteilen. Sie haben es aus Freundlichkeit getan und es waren ihnen nicht klar, dass sie da echt eine Grenze überschritten haben, woher auch? Mir schienen sie, als hätten sie eben wenig mit solchen Migrationsproblematiken zu tun. Hier hätte Kommunikation echt geholfen.

DAs Ende war unausgegoren. Warum steht Huzur nicht für ihr Tun ein? Warum nutzt sie nicht die Chance die sich ihr bietet? Hat sich die Autorin generell Gedanken gemacht, warum sie das Buch geschrieben hat, schreiben wollte? Ist ihr am Schluß die Luft ausgegangen? Für mich macht das Ende einen Sinn. und ist verschenkte Moral und ein Aufgeben ohne Kampf.
Schade, denn die Thematiken hätten viel hergeben, was aber nicht genutzt wurde./spoiler]

Note 4
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SilkeS.

Ich schaffe es vermutlich erst morgen zur Post zu Bringen, so dass es evtl erst im neuen Jahr ankommt.
Sorry, aber wir sind gestern erst aus DD wieder gekommen und ich habe keine Guddis, die ich mit ins Paket tun an, will dafür nochmal los.

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Kathrin

Mach Dir keinen Stress, Silke, wg. des Pakets. Ich habe genug zu lesen, auch wenn mich mein eigenes Wanderbuch natürlich sehr reizt ;-)

Deine Rezi und alle anderen Rezis lese ich mir erst durch, wenn ich das Buch selbst gelesen habe. Aber ich hab schon mal Deine Benotung angeschaut ... da hatte ich wohl auch keinen wirklichen Glücksgriff in diesem Jahr.
Rock the Night!

SilkeS.

#48
Hey ihr lieben,
Ich hatte mit Kathrin noch Austausch über das Buch, weil ich fand man konnte gut über das Buch, die Aussage, die Themen des Buches reden.  Wäre ein tolles Leserundenbuch.
Dabei hat mich Kathrin auf folgendes Video auf YT aufmerksam  gemacht,  was evtl für den einen  oder anderen von euch auch interessant sein könnte

https://www.youtube.com/live/oY5guTZI1cg?si=pH9Tlj8WGovNLzfZ
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Kathrin

Danke, Silke, dass du das Video hier schon gepostet hast. Ich hoffe, dass ich in den nächsten Tagen meine Rezi schreiben kann.
Rock the Night!

Christiane

Ich hab jetzt mal begonnen, in das Video reinzuschauen - am Stück schaff ich das nicht. Ich finde leider die Stimme und Sprechweise der Autorin sehr unangenehm - so ein Gefühl wie Kreide, die auf Tafel quietscht.
Aber nach dem ersten Drittel kann ich sagen, dass ich es nun noch mehr bedaure, dass Nadire Biskin uns keinerlei Anhang zur Verfügung stellt. Viele der Namen der Protagonisten haben eine Bedeutung, die aber an allen Lesern, die kein Türkisch sprechen, völlig vorbei gehen. Dann benutzt sie Bilder, die sich den Lesern ebenso wenig erschließen, da uns der Kontext fehlt. Das ist einfach sehr schade...
Staunt euch die Augen aus dem Kopf, lebt, als würdet ihr in zehn Sekunden tot umfallen. Bereist die Welt. Sie ist fantastischer als jeder Traum, der in einer Fabrik hergestellt wird.
Ray Bradbury (1920 - 2012)

Kathrin

Zitat von: Christiane in 08. Januar 2024, 11:12:15Ich hab jetzt mal begonnen, in das Video reinzuschauen - am Stück schaff ich das nicht. Ich finde leider die Stimme und Sprechweise der Autorin sehr unangenehm - so ein Gefühl wie Kreide, die auf Tafel quietscht.
Ja, das passt. Mich hat die Stimme auch genervt ;-)
 
Zitat von: Christiane in 08. Januar 2024, 11:12:15Aber nach dem ersten Drittel kann ich sagen, dass ich es nun noch mehr bedaure, dass Nadire Biskin uns keinerlei Anhang zur Verfügung stellt. Viele der Namen der Protagonisten haben eine Bedeutung, die aber an allen Lesern, die kein Türkisch sprechen, völlig vorbei gehen. Dann benutzt sie Bilder, die sich den Lesern ebenso wenig erschließen, da uns der Kontext fehlt. Das ist einfach sehr schade...
Da ticken wir - zumindest bei dem Buch - wohl anders. Mich hat das mit den Namen oder den Bildern und ihren Bedeutungen so gar nicht gestört. Aber ich weiß, dass mich das auch stören kann ;-) Nur hier halt nicht.
Rock the Night!

Christiane

Ja, das hängt bei mir auch immer vom Buch ab. Ich glaube, bei mir ist es häufig davon abhängig, ob ich das Buch als 'reine Geschichte' lese oder ob es so einen Bezug zur Realität, zur Geschichte,... hat. Da hab ich dann schnell das Gefühl, mir entgeht einiges, wenn mir solche Hintergrundinfos fehlen.
Und dann denk ich halt auch: Wenn so ein Glossar, ein Anhang da ist, kann ich als Leser entscheiden ob es mich interessiert. Wenn nix da ist - ist einfach nix da :-(   :nixweiss1: .
Staunt euch die Augen aus dem Kopf, lebt, als würdet ihr in zehn Sekunden tot umfallen. Bereist die Welt. Sie ist fantastischer als jeder Traum, der in einer Fabrik hergestellt wird.
Ray Bradbury (1920 - 2012)

Kathrin

Zitat von: Christiane in 08. Januar 2024, 14:14:15Ja, das hängt bei mir auch immer vom Buch ab. Ich glaube, bei mir ist es häufig davon abhängig, ob ich das Buch als 'reine Geschichte' lese oder ob es so einen Bezug zur Realität, zur Geschichte,... hat. Da hab ich dann schnell das Gefühl, mir entgeht einiges, wenn mir solche Hintergrundinfos fehlen.
Und dann denk ich halt auch: Wenn so ein Glossar, ein Anhang da ist, kann ich als Leser entscheiden ob es mich interessiert. Wenn nix da ist - ist einfach nix da :-(   :nixweiss1: .
Das ist echt spannend. Denn für mich war das hier ganz klar ein Buch mit Bezug zur Realität, zur Geschichte. Nur dass es mir hier nicht so gefehlt hat.
Aber ich habe kürzlich (naja, irgendwann in den letzten Monaten) ein Buch gelesen über eine Familie aus Palästina und was die Gründung des Staates Israel für diese Familie bedeutet hat und wie sich die einzelnen Familienmitglieder im Laufe der Zeit entwickelt haben ... da hat mir zum Beispiel eine Zeittafel gefehlt ... ich weiß also ganz genau, was Du meinst.
Rock the Night!

Christiane

Ja, ich glaub daran erinner ich mich, dass Du von dem Buch erzählt hast - das fand ich auch interessant. Denn über die Gegend und das damalige Geschehen weiß ich leider viel zu wenig. Hab da sogar noch ein Buch auf dem Sub, wo das (allerdings nicht in Romanform) leicht verständlich mal alles erklärt wird. Mal sehen ob ich mir das demnächst mal vornehme und danach dann vlt. das Buch, das Du gelesen hast.
Staunt euch die Augen aus dem Kopf, lebt, als würdet ihr in zehn Sekunden tot umfallen. Bereist die Welt. Sie ist fantastischer als jeder Traum, der in einer Fabrik hergestellt wird.
Ray Bradbury (1920 - 2012)

Kathrin

Bevor ich mein neues Wanderbuch auf die Reise schicke, hier noch schnell die Rezi zu "Ein Spiegel für mein Gegenüber" von Nadire Biskin.

,,Ein Spiegel für mein Gegenüber" von Nadire Biskin habe ich 2023 als Wanderbuch auf die Reise durch das Bücherforum von ,,Die Buchrebellin" geschickt. Ich fand das Thema spannend, das Buch ist mit 171 Seiten kurz, somit wohl schnell zu lesen und lädt vermutlich zum diskutieren ein. Und anhand der Kommentare durch die Wanderbuchrunde ist genau das eingetreten, es ist ein Buch, das zum Nachdenken und Diskutieren anregt ... und mal wieder (wie so oft bei meinen Wanderbüchern) die Meinungen spaltet.

Mir persönlich hat das Buch sehr gut gefallen. Ich habe es in einem Tag durchgesuchtet, konnte mich anschließend noch mit einer Lesefreundin aus der Wanderbuchrunde darüber austauschen und habe im Prinzip das bekommen was ich erwartet habe. Für mich behandelt es mehrere wichtige Themen: Alltagsrassismus, das Leben als Deutsch-Türkin in Deutschland, Flüchtliingsthematik. Es ist daher sehr gehaltvoll aber leider auch zu kurz. Dem Buch hätten mehr Seiten in meinen Augen gut getan, mir zumindest hätte es gefallen, wenn die Autorin noch tiefer in die Themen reingegangen wäre. Aber vermutlich wollte die Autorin gar nicht tiefer gehen, sondern ihre Leserinnen zum Nachdenken anregen, aufrütteln und auch einfach mal zeigen wie das für ihre Protagonistin Huzur (und auch für sie selbst) als Deutsch-Türkin ist, in Deutschland zu leben, nicht ganz Deutsche zu sein, obwohl sie hier geboren und sozialisiert wurde. Aber in der Türkei, im Urlaub, ist sie eben auch keine 100%ige Türkin. Im Prinzip sitzt Huzur permanent zwischen zwei Stühlen, zwischen zwei Kulturen, was ich als jemand der in einer deutschen Familie aufgewachsen ist gar nicht wirklich nachvollziehen kann. Aber es ist gut und richtig darüber zu lesen und vielleicht auch mal das Gespräch mit Nachbarn und/ oder Kolleg*innen zu suchen, die einen Migrationshintergrund haben.

Huzur hat mir als Protagonistin gut gefallen, ich war erstaunlich nah an ihr dran, auch wenn sie nicht immer einfach und sympathisch ist und Ecken und Kanten hat und man sich demnach auch gut an ihr stoßen kann. Ich kann ihr Verhalten auch nicht immer verstehen oder gutheißen, aber sie ist eine spannende Figur, auch wenn ich mir ihrer Entscheidung am Ende des Buches nicht ganz einverstanden war, auch wenn ich sie verstehen kann. Mit ihrem Freund Raphael und seiner Familie war ich jedoch nicht einverstanden. Die waren mir zu perfekt, zu offensichtlich ,,offen" gegenüber allen Kulturen und Menschen. Es ist zwar schön, dass es solche Menschen gibt, aber in diesem Buch waren sie mir zu überzogen dargestellt. Diese Familie hätte etwas ,,normaler" sein, mehr Facetten haben können (ohne zu spoilern kann ich leider nicht genau sagen, was ich meine).

Für mich ein richtig gutes Buch, auch wenn es nicht perfekt war.

Rock the Night!