Takis Würger - "Stella"

Begonnen von nala11, 07. Mai 2019, 20:47:01

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nala11

ZitatEs ist 1942. Friedrich, ein stiller junger Mann, kommt vom Genfer See nach Berlin. In einer Kunstschule trifft er Kristin. Sie nimmt Friedrich mit in die geheimen Jazzclubs. Sie trinkt Kognak mit ihm und gibt ihm seinen ersten Kuss. Bei ihr kann er sich einbilden, der Krieg sei weit weg. Eines Morgens klopft Kristin an seine Tür, verletzt, mit Striemen im Gesicht: "Ich habe dir nicht die Wahrheit gesagt." Sie heißt Stella und ist Jüdin. Die Gestapo hat sie enttarnt und zwingt sie zu einem unmenschlichen Pakt: Wird sie, um ihre Familie zu retten, untergetauchte Juden denunzieren? Eine Geschichte, die auf wahren Begebenheiten beruht – über die Entscheidung, sich selbst zu verraten oder seine Liebe. 

Das ist eine fiktive Liebesgeschichte, wie Stella Goldschlag sie vielleicht erlebt haben könnte.

Friedrich, ein junger Mann, der in der Schweiz aufgewachsen ist will während des Krieges nach Berlin, da er Gerüchte gehört hat, die von Möbelwagen, die Juden abtransportieren, handeln.
Er selbst stammt aus gutem Hause, das jedoch hinter der Fassade alles andere als gut ist. Die Ehe seiner Eltern besteht nur noch auf dem Papier. Sein Vater ist ein weltoffener Mensch, der Friedrich seine Ideale immer nahe gebracht hat. Seine Mutter ist eine mit sich und ihrem Leben unzufriedene Frau und zeigt ihren Hass gegen Juden ganz offen.
In Berlin angekommen, sieht Friedrich besagte Möbelwagen nicht, dafür lernt er Kristin in der Kunstschule kennen.
Sie treffen sich öfter und Kristin zieht Friedrich immer mehr mit, bleibt für ihn aber geheimnisvoll. Sie gibt nicht viel von sich und  ihrem Leben preis, was er akzeptiert, bis sie verschwindet. Als sie wieder bei ihm auftaucht, erzählt sie ihm wer sie wirklich ist und was von ihr verlangt wird.

Der Schreibstil dieses Buches ist etwas gewöhnungsbedüftig. Takis Würger schreibt in kurzen und recht knappen Sätzen, was das Lesen für mich am Anfang ,,hastig" gemacht hat. Ich hatte das Gefühl (wie Friedrich) durch diese Geschichte gezogen zu werden.
Im weiteren Verlauf empfand ich diesen Ton immer nüchterner, trotz der Liebesgeschichte und versteckten Liebesbotschaften.
Genau diese knappe Darstellung der Gefühle ging mir sehr nah.
Am Beginn jedes Kapitels erwähnt Takis Würger unterschiedliche Ereignisse des jeweiligen Zeitraums. Oft mit ,,aha"-Effekt und manchmal auch sehr schmerzhaft. Außerdem sind auch Abschriften aus den Prozessakten gegen Stella Goldschlag immer wieder Teil  des Buches.

Die Figuren Friedrich, Stella und Tristan waren mir alle nicht unbedingt sympathisch, regten mich aber immer wieder zum Nachdenken an. Die Frage ,,was hätte ich gemacht" war oft in meinem Kopf.
Und genau das macht das Buch in meinen Augen zu einem wichtigen Buch.
Es gibt keine klare ,,schwarz-weiß"-Zeichnung, wie man die aus dieser Zeit vielleicht gerne gehabt hätte.

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Lesen ist nicht nur ein Hobby, es ist eine Lebenseinstellung.
Du misst das Jahr nicht in Wochen und Monaten, sondern in Büchern.

Inge78

Das macht echt neugierig aufs Buch  :gr:
Words are, in my not-so-humble opinion, our most inexhaustible source of magic. Capable of both inflicting injury, and remedying it - Albus Dumbledore

Im finst´ren Förenwald, da wohnt ein greiser Meister. Er ficht gar furchtlos kalt sogar noch feiste Geister.
(aus "ES" von Stephen King)

Fiktion ist wie ein Spinnennetz, das, auch wenn nur vielleicht ganz leicht, an allen vier Ecke des Lebens befestigt ist.
- Virginia Woolf

nala11

Liest sich auch echt schnell .. ohne querzulesen ..
Das ist einfach dieser knappe Stil.
Lesen ist nicht nur ein Hobby, es ist eine Lebenseinstellung.
Du misst das Jahr nicht in Wochen und Monaten, sondern in Büchern.

Esmeralda

Mein Leseeindruck:
"Stella" ist ein Roman, der zum Nachdenken und Diskutieren einlädt. Und auch ich bin hin und her gerissen, ob ich das Buch nun gut fand oder eher nicht.

Zweifelsohne ist "Stella" eine Persönlichkeit an der sich die Geister scheiden und die Hauptfrage des Buches ist tatsächlich: war es falsch oder richtig, wie sie gehandelt hat?
Wie würde ich mich in so einer Situation verhalten?

Der geschichtliche reale Teil war auf jeden Fall gut; die Liebesgeschichte konnte mich leider nicht überzeugen, denn Stella fand ich eigentlich durchgehend unsympathisch.

Die Geschichte wird aus Friedrichs Sicht erzählt und wir lernen Friedrich als reichlich naiven Menschen kennen, der an das Gute im Menschen glaubt und sich Hals über Kopf in Kristin (die spätere Stella) verliebt.

Den Aufbau der einzelnen Kapitel finde ich recht gelungen. Jeder Monat beginnt mit einem interessanten Überblick des aktuellen Geschehens auf der Welt; daraufhin folgt dann die Geschichte von Stella und Friedrich, sowie in kursiver Schrift, immer wieder tatsächliche Auszüge aus dem Verfahren gegen die Denunziantin Stella Goldschlag.
Das war schon sehr bewegend.

Leider hatte ich allerdings den Eindruck, dass das Buch irgendwie nicht aus sich herauskam, obwohl es gut zu lesen war. Aber ich hätte mir einfach mehr Tiefe gewünscht.

[note2-]
Life is too short to read bad books. 

Inge78

Oh, mein Leseeindruck fehlt hier ja auch noch, ich habe das Buch letztes Jahr im Mai bereits gelesen  :dong:



Ein kleines aber sehr feines Buch. Eine sehr berührende, in Teilen fiktive Geschichte über die historische Person Stella Goldschlag, die mir vorher nicht bekannt war. Emotional anstrengend, da die Nazizeit ein schwieriges Thema ist, in dem so viele Gräueltaten geschehen sind und auch hier werden die Leser nicht geschont. Takis Würger hat einen sehr eigenen Schreibstil, sehr kurze aber inhaltlich sehr tiefe Sätze. Er erzählt ohne zu werten, so dass man als Leser trotz der Kürze des Buches viel zum Nachdenken hat. Die Charaktere sind facettenreich und meist nicht schwarzweiß. Ich hätte mir vielleicht noch ein paar Seiten mehr gewünscht für noch etwas mehr Tiefe der Geschichte und Personen
Words are, in my not-so-humble opinion, our most inexhaustible source of magic. Capable of both inflicting injury, and remedying it - Albus Dumbledore

Im finst´ren Förenwald, da wohnt ein greiser Meister. Er ficht gar furchtlos kalt sogar noch feiste Geister.
(aus "ES" von Stephen King)

Fiktion ist wie ein Spinnennetz, das, auch wenn nur vielleicht ganz leicht, an allen vier Ecke des Lebens befestigt ist.
- Virginia Woolf