Matt Haig - Wie man die Zeit anhält

Begonnen von mowala, 29. April 2018, 14:21:45

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mowala

Matt Haig - Wie man die Zeit anhält

ISBN 978-3-423-28167-6
Wie man die Zeit anhält
dtv-Verlag

Klappentext

"Die erste Regel lautet: Du darfst dich nicht verlieben"

Tom Hazard sieht aus wie vierzig, doch in Wirklichkeit ist er über 400 Jahre alt.
Eines war er über die Jahrhunderte hinweg immer: einsam.
Denn zu große Nähe zu anderen Menschen wäre lebensgefährlich gfewesen.
Jetzt aber tritt Camille in sein Leben. Und damit verändert sich alles.

Trotz des Klappentextes, wollte ich das Buch nicht unter Liebesromane einordnen.
Eine Liebesgeschichte gibt es zwar, wo nicht?, die war für mich aber nicht das Hauptaugenmerk des Buches, deshalb bin ich hier gelandet.

Meine Meinung

Tom Hazard sieht aus wie ein Mann Mitte 40, ist aber über 400 Jahre alt. Durch eine spezielle Veranlagung altert er ab der Pubertät extrem langsam.
Jahrhunderte schlägt er sich durch sein langes Leben, bis der Leiter einer Gesellschaft, die für den Schutz und die Geheimhaltung der Existenz der Albatrosse, im Gegensatz zu uns normallebigen Eintagsfliegen, sorgt.
Hendrichs Credo ist, sich niemals zu verlieben, alle acht Jahre wechselt man seine Identität, getrieben ist er von einer gewissen Paranoia, als Laborratte für die Forschung gebraucht zu werden.

Tom hat schon in frühster Jugend erleben müssen, dass seine Veranlagung Nährboden für Aberglauben und Hexenwahn bietet und daraus die Lehre gezogen, dass es besser ist allein zu bleiben, um geliebte Menschen nicht in Gefahr zu bringen.

Er ist zwar seines langen Lebens überdrüssig, wird aber vom Wunsch, seine wie er veranlagte Tochter zu finden, sowie vom seinem Versprechen an seine Mutter und seine einzige Liebe Rose, sein Leben nicht selbst zu beenden, getrieben.

Trotz aller Gebote Hendrichs und der Zukunftsängste, dass er geliebten Menschen zwangsläufig zur Gefahr wird, verliebt er sich in seine Kollegin Camille, eine Begegnung, die schon sehr früh in Camilles Leben ihren Anfang nahm.

Er stößt Camille von sich fort aus der altbekannten Angst, dass er ihr Leben gefährden könnte.
Erst die Begegnung mit einem Freund aus alter Vergangenheit und auch mit Hilfe von Camille, erkennt Tom, dass man die glücklichen Zeiten nicht anhalten kann, aber auch nichts davon hat, aus Angst vor Unglück keine glücklichen Zeiten zu erleben.
,,Wir kennen immer nur den Moment, in dem wir uns befinden".

,,Wie man die Zeit anhält" ist ein angenehm unaufgeregt aus Sicht des Protagonisten erzählter Roman, der auch ohne viel Action und mit undramatischen aber gefühlvoll und herzerwärmend beschriebenen Liebesgeschichten, der mich von Beginn an gefesselt hat.
Gerade, dass Tom keine spektakulären Abenteuer erlebt hat, Zeit genug hatte er ja, sondern einfach von seinem Leben berichtet und was ihn bewegt, machte dieses Buch für mich zu einem frühen Lesehighlight in diesem Jahr.
In einer Zeit, wo danach gestrebt wird, die Lebenszeit immer weiter zur verlängern, ohne wirklich zu wissen, was Mensch mit dieser Zeit anfangen will und kann, ist es berührend zu erleben, welche Last ein Jahrhunderte währendes Leben sein kann, in dem irgendwann das Leben an einem vorbei zieht samt der Menschen darin, dass irgendwann ein genügendes Maß an Erfahrungen und Erlebnissen erreicht ist.

Mir gefiel Haigs Stil. Das Buch war spannend, traurig und berührend, eine Empfehlung auch für Leser, die ihre Komfortzone der üblich bevorzugten Genres (wie ich ) mal verlassen möchten.

[note1]
Das Leben ist zu kurz für später

Inge78

Tom Hazard altert langsamer als normale Menschen. Er wurde vor über 400 Jahren geboren, sieht aber aus wie 40.
Aufgewachsen in einer Welt voller Aberglaube und Hexenverfolgung lernt er schnell dass er sich und sein "Andersein" vor anderen Menschen verheimlichen muss. Dadurch geht er auch keine emotionalen Bindungen mehr ein. Einzig zu Hendrich und der sog. Albatros-Gesellschaft, ein loser Bund Gleichgesinnter, hält er Kontakt und sie helfen ihm auch regelmäßig ein neues Leben zu beginnen. Hendrich hilft Tom , seine Tochter, die offensichtlich die gleiche Veranlagung hat wie er, zu suchen, dafür fordert er aber von Tom  Gefallen ein.
Ein seinem aktuellen Leben als Lehrer lernt Tom Camille kennen und entwickelt Gefühle für sie. Doch wie soll er damit umgehen?

Ich kenne Matt Haig von seinem Roman "Ich und die Menschen". Schon da habe ich seinen etwas anderen Blickwinkel auf die Menschheit kennen und lieben gelernt. Und auch dieses Mal lernen wir mit Tom einen Menschen kennen der ein ungewöhnliches Weltbild vermittelt. Eigentlich der Wunsch fast jeden Menschens: Unsterblichkeit. Tom lebt diese fast und ist dennoch nicht glücklich. Seine Probleme und Gefühle sind zutiefst menschlich und dadurch so nachvollziehbar. Er ist kein Übermensch, will einfach nur ein normales Leben. Und man gönnt es ihm so sehr, denn Tom ist einfach nur sympathisch.
Ein bisschen Neid kam beim Lesen dann doch schon mal auf, denn Tom hat auch einige sehr bekannte Personen in seinem Leben getroffen.

Matt Haig schreibt wunderschön, fast schon philosophisch. Das Buch regt zum Nachdenken an und hat mir trotz seiner Ruhe und Unaufgeregtheit viel Lesevergnügen bereitet.

[note2+]
Words are, in my not-so-humble opinion, our most inexhaustible source of magic. Capable of both inflicting injury, and remedying it - Albus Dumbledore

Im finst´ren Förenwald, da wohnt ein greiser Meister. Er ficht gar furchtlos kalt sogar noch feiste Geister.
(aus "ES" von Stephen King)

Fiktion ist wie ein Spinnennetz, das, auch wenn nur vielleicht ganz leicht, an allen vier Ecke des Lebens befestigt ist.
- Virginia Woolf