Daniela Dröscher - Lügen über meine Mutter

Begonnen von Esmeralda, 19. Oktober 2022, 08:48:20

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Esmeralda

Zitat»Lügen über meine Mutter« ist zweierlei zugleich: die Erzählung einer Kindheit im Hunsrück der 1980er, die immer stärker beherrscht wird von der fixen Idee des Vaters, das Übergewicht seiner Frau wäre verantwortlich für alles, was ihm versagt bleibt: die Beförderung, der soziale Aufstieg, die Anerkennung in der Dorfgemeinschaft. Und es ist eine Befragung des Geschehens aus der heutigen Perspektive: Was ist damals wirklich passiert? Was wurde verheimlicht, worüber wurde gelogen? Und was sagt uns das alles über den größeren Zusammenhang: die Gesellschaft, die ständig auf uns einwirkt, ob wir wollen oder nicht?

Schonungslos und eindrücklich lässt Daniela Dröscher ihr kindliches Alter Ego die Jahre, in denen sich dieses  »Kammerspiel namens Familie« abspielte, noch einmal durchleben. Ihr gelingt ein ebenso berührender wie kluger Roman über subtile Gewalt, aber auch über Verantwortung und Fürsorge. Vor allem aber ist dies ein tragik-komisches Buch über eine starke Frau, die nicht aufhört, für die Selbstbestimmung über ihr Leben zu kämpfen.

Mein Leseeindruck:
Daniela Dröschers Roman "Lügen über meine Mutter" befasst sich mit Themen, über die in den letzten Jahren viel diskutiert wurden, und die nach wie vor - auch bei der Jugend - aktuell sind, wie z.B. Body Shaming. Hier im Besonderen das Thema "Übergewicht" und die damit verbundene gesellschaftliche Ächtung bzw. die seelischen Ursachen.

Mich hat der Roman sehr berührt und beschäftigt und ich hätte mir so sehr gewünscht, dass diese starke, kluge und warmherzige Mutter sich im Verlauf der Geschichte stärker emanzipiert hätte und die (durchaus vorhandenen) Chancen, aus einer toxischen Ehe auszubrechen, schon viel früher genutzt hätte.

Der Vater hingegen hat mich dauer-wütend gemacht. Kompensiert er doch seine eigenen Minderwertigkeitsgefühle, indem er alles (sein Selbstwert und sein gesellschaftlicher Status), vom Gewicht der Mutter abhängig macht. Absolut absurd!

Fazit: Jede/r hat das Recht über den eigenen Körper zu bestimmen; ohne von allen Seiten dafür beurteilt oder verurteilt zu werden.

[note2]
Life is too short to read bad books. 

Inge78

#1
"Es fühlte sich an, als würde etwas zerbrechen, lautlos zwar, doch aber so, dass sich Einzelteile nicht mehr zu einem Ganzen würden zusammensetzen lassen."

Ela erzählt uns über ihre Kindheit in den 1980er Jahren und über die Konflikte zwischen ihren Eltern.
Die Geschichte wird in zwei Zeitebenen erzählt, zum Einen erzählt die kindliche Ela die Hauptgeschichte, es gibt aber regelmäßige Einschübe aus Sicht der erwachsenen Ela, die das Geschehen kommentiert und in Kontext bringt.

"Lügen über meine Mutter" ist kein einfaches Buch. Ich musste mich in den ersten Kapiteln erstmal an den sehr anspruchsvollen Schreibstil der Autorin gewöhnen. Sie lässt ihre kindliche Erzählerin aus ihrer Sicht die Geschichte erzählen, gleichzeitig gibt es immer kursiv geschrieben "Erwachsenenausdrücke", die das Kind zwar in die Erzählung einbaut, aber oft nicht wirklich versteht. Dann gibt es erklärenden oft sehr psychologischen Einschüben in der "Jetzt-Zeit". Doch trotz aller Komplexität lässt das Buch sich überraschend gut lesen, ich habe zu keiner Zeit das Gefühlt gehabt, dass die Autorin mich nicht mehr mitnimmt, dass die Geschichte mich verliert. Die Story selber ist sehr provozierend und doch, leider, sehr realistisch. Der patriarchische Vater, der sich als Oberhaupt der Familie sieht, dem sich alle in ihren Wünschen unterzuordnen haben sieht all seine Probleme und die Probleme innerhalb der Familie in dem Übergewicht der Mutter begründet. Und darauf reitet er wirklich permanent rum. Sein Verhalten, seine Ignoranz gegenüber den Sorgen und Wünschen der Mutter, sein eigenes Unverständnis seinen Fehler gegenüber hat mich beim Lesen wirklich unglaublich wütend gemacht. Die Hilflosigkeit der Mutter wird immer offensichtlicher und es ist traurig und erschreckend, wie man merkt, dass sie sich aufgibt. Diese starke schöne Frau, die immer wieer aufblitzt, wird vom Vater vollständig zerstört. Oft habe ich mich gefragt, warum sie so wenig aufbegehrt, warum sie sich nicht emanzipiert aber nicht nur die Depression, die sie eindeutig in ihren Fängen hat, sondern noch eine andere Krankheit hindern sie lange an einem selbstbestimmten Leben. Auch zu sehen, wie sehr Ela unter dem Verhalten ihrer Eltern leidet, wie wenig sie Kind sein kann und darf, tut weh. Mich hat das Buch sehr mitgenommen und auch wenn ich nicht immer Verständnis für das Verhalten der Mutter hatte, so habe ich doch sehr mitgelitten mit dieser klugen und warmherzigen Frau. Mit einigen Entwicklungen hat die Autorin mich überrascht. Letztendlich findet die Mutter einen Weg, um die Enge, zu der ihr Zuhause wird, zu kompensieren und sucht einen sehr ungewöhnlichen Weg, eigenen Entscheidungen zu treffen. Das Gewicht der Mutter ist zwar hier zentrales Problem im Buch um dass sich immer wieder die Geschichte dreht, aber es ist nicht das größte Problem. Vielmehr ist die Frage, warum die Mutter vermeintlich zu dick ist, welche Probleme dazu geführt haben und was man hätte ändern können und ändern müssen. Ganz schlimm diese ständigen Aussagen darüber was denn wohl "die Leute sagen", da platzt mir echt die Hutschnur. Leben und leben lassen kann hier eigentlich niemand.
Insgesamt ein Roman, von dem man nicht sagen kann, dass er "schön" ist. Er ist sperrig, er ist emotional, er ist wichtig. Es geht um Selbstbestimmung, um Emanzipation, um Wertevorstellungen, um Beziehungen zwischen Kinder und Eltern. Großartig erzählt wenn man sich auf den Stil der Autorin einlässt


[note2]
Words are, in my not-so-humble opinion, our most inexhaustible source of magic. Capable of both inflicting injury, and remedying it - Albus Dumbledore

Im finst´ren Förenwald, da wohnt ein greiser Meister. Er ficht gar furchtlos kalt sogar noch feiste Geister.
(aus "ES" von Stephen King)

Fiktion ist wie ein Spinnennetz, das, auch wenn nur vielleicht ganz leicht, an allen vier Ecke des Lebens befestigt ist.
- Virginia Woolf

SilkeS.

Lügen über meine Mutter / Daniela Dräscher

Ich habe das Buch, in meinem Lesekreis gelesen.
Zeitgleich, aber auch in einem Buddyread @gemeinsam.mitlesen gelesen was mich das aufrüttelnde Buch noch intensiver hat erleben lassen.
Ich bin Jahrgang `76  und konnte mit der Protagonistin, aus deren Sicht hier die Geschichte, einmal als Kind und zwischendurch als Erwachsene, erzählt wird identifizieren.
Einerseits erzählt Sie wie Sie ihre Kindheit erzählt hat, unterbrochen von Perspektiven aus Ihrer Sicht als Erwachsene. Sie erzählt von Gesprächen mit ihrer Mutter, nach Beweggründen, arbeitet als Kind erlebte Geschehnisse auf und es die Art die Geschichte zu erleben, gibt ein interessantes Gesamtbild
Ich habe meine Kindheit ähnlich erlebt. Es gab über ähnliche Punkte Streit, die Rollenverteilung war strikt getrennt. Wenn auch das Gewicht meiner Mutter kein Thema war, waren aber Diätmodelle von damals bekannt.
Ich war während dem Lesen hin- & her gerissen. Einerseits tat mir Ela sehr leid, sie bekommt schon sehr viel mit von der Ehe ihrer Eltern, von den Themen, von der Dominanz durch den Vater, die Forderungen, die Abwertungen und auch die Demütigen, den Streitereien.
Es war erschreckend zu lesen, wie sehr das Verhalten des Vaters sich auch auf das Kind überträgt, die zwischen Anklage und Mitgefühl zur Mutter schwankt und das in dem junge Alter.
Es hat mich unfassbar wütend gemacht, dass weder die Tante noch die im Haus lebenden Großeltern eingegriffen haben um das Kind vor den doch schweren Themen zu schützen, die den Alltag der Familie bestimmten.
Die Mutter ist stark, sie geht ihren Weg, hat beruflich Erfolg, ist beliebt und managet viel, bei dem  ich schon beim Lesen dachte: Oh man, warum hilft ihr keiner, warum entlastet sie niemand.
Andererseits habe ich mich gefragt, warum sie sich die Demütigungen durch den Ehemann solange gefallen lassen hat. Klar Alleinerziehende hatten es damals noch schwerer als heute, aber bei der Psychischen Stärke, die Mutter mitbringt, hätte sie es geschafft, sie hätte sich auch mit Hilfe von Freunden und Bekannten, helfen lassen können, den mir kam es schon vor, als käme sie gut mit anderen Menschen klar. War beliebt, sehr hilfsbereit und hätte bestimmt ein Netzwerk mich sich aufbauen können, dass sie unterstützt hätten.
Den Vater fand ich ziemlich klischeehaft bezeichnet ein männlicher Loser, oberflächlicher Einstellung, auf der Suche nach Anerkennung immer dem neuesten Trend hinterherjagend. Trotzdem hat er in der Ehe nicht die Hosen an, den die Frau kümmert sich einfach um alles:  Haushalt, Kind, später dann noch um 2. Kind und das Nachbarskind, könnte nebenbei Karriere machen.

Es war ein emotionales Buch, was mich gedanklich auch beschäftigte, wenn ich nicht in dem Buch gelesen habe. Ein Buch über das man sich wunderbar im Buddyread oder auch im Lesekreis austauchen kann. Alleine hätte ich niemals zu dem Buch gegriffen. Der Titel hat mich nicht angesprochen, die Aufmachen mir nicht zugesagt, aber es ist schön, das Lesekreise und Buddyreads, schlussendlich aber auch Longlists und Shortlists einem auf solche Bücher aufmerksam machen.


Note 3+  [note3+]






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