Luca Di Fulvio - Der Junge, der Träume schenkte

Begonnen von Inge78, 08. April 2021, 09:40:31

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Inge78

ZitatNew York, 1909. Aus einem transatlantischen Frachter steigt eine junge Frau mit ihrem Sohn Natale. Sie kommen aus dem tiefsten Süden Italiens - mit dem Traum von einem besseren Leben in Amerika. Doch in der von Armut, Elend und Kriminalität gezeichneten Lower East Side gelten die gnadenlosen Gesetze der Gangs. Nur wer über ausreichend Robustheit und Durchsetzungskraft verfügt, kann sich hier behaupten. So wie der junge Natale, dem überdies ein besonderes Charisma zu eigen ist, mit dem er die Menschen zu verzaubern vermag ...

Cetta ist mit ihrem kleinen Sohn Natale aus ihrer Heimat Italien geflüchtet um den amerikanischen Traum zu leben und ihrem Sohn ein besseres Leben zu ermöglichen.
Und auch wenn ihr Leben nicht dass erträumte Leben ist, so macht sie doch das Beste daraus. Natale wurde direkt beim Betreten des Landes "amerikanisiert" und fortan Christmas genannt.Was mich erst gestört hat, woran man sich aber nachher doch recht schnell gewöhnt. Christmas wächst zu einem gescheiten jungen Kerl auf, der ich zwar auch verrennt aber dennoch unbeirrt seinen Träumen folgt. Eine weitere Hauptperson ist  Ruth, Mädchen aus reichem Haus, die von Christmas gerettet wird und deren Leben untrennbar miteinander verknüpft sind.

Luca Di Fulvio schreibt authentisch und lebhaft und in einem so rutschigen Schreibstil, dass die Seiten nur so dahinfliegen. Man sollte also keine Sorge vor diesem Schinken haben, der liest sich echt super weg. Das Buch spielt in den 1910/1920 er Jahren und ich finde, die Atmosphäre der Zeit und der Zeitgeist kommen wirklich gut rüber.

Der Autor schafft es, selbst den Nebencharakteren Persönlichkeit einzuhauchen. Was manchmal sogar fast schade ist, denn gerade bei einigen Nebencharaktere wäre ich gerne länger hängen geblieben, hätte gerne mehr über sie erfahren. Ich habe mich aber gefreut, dass wir auch aus Cettas Leben wirklich viel erfahren und einer der Charaktere dieser Entwicklung ist zu meinem absoluten Liebling im Buch avanciert.
Ich liebe aber auch Ruths und Christmas Entwicklung, ich bin ihnen unglaublich gerne gefolgt, auch wenn Christmas schon fast zu "gut" ist. Die paar Ecken und Kanten hätte doch noch etwas härter sein können.
Doch wo Licht ist, ist auch Schatten. Und dem Bösen hat Luca Di Fulvio meiner Meinung zu viel Raum gegeben. Das war mir oft zu detailliert, zu ausführlich und hat stellenweise wirklich genervt und auch angeekelt. Das ist echt nichts für schwache Nerven, die Brutalität war dabei in ihrer Detailliertheit aber eigentlich in meinen Augen gar nicht nötig für die Geschichte.
Noch ein kleiner Kritikpunkt wäre, dass Luca Di Fulvio wirklich viele Themen ins Buch packt, die dann aber leider aufgrund ihrer Fülle trotz der über 700 Seiten manchmal untergehen. Das war für mich etwas zu viel gewollt. Das macht das Buch aber auch trotz seiner Länge sehr kompakt und dicht und es ist ständig ein Spannungsbogen da, so dass man weiterlesen will und dem tollen Charakteren folgen will und wissen will, welchen Widrigkeiten sie trotzen. Und sie meistern das Leben wirklich oft unglaublich gut und das macht richtig Spaß, welche verrückten Ideen sie haben und wo sie , oft auch unerwartet, Hilfe und Freundschaft finden.

Von daher kein 5-Sterne Buch, aber wirklich nur ein minimaler Abzug denn es überwiegt doch der Lesespaß und die guten Momente. Auf jeden Fall habe ich eine ganze Palette an Emotionen durchlebt während des Lesens

Also: Leseempfehlung
Und ich will unbedingt noch mehr von Luva Di Fulvio lesen

[note2+]



Words are, in my not-so-humble opinion, our most inexhaustible source of magic. Capable of both inflicting injury, and remedying it - Albus Dumbledore

Im finst´ren Förenwald, da wohnt ein greiser Meister. Er ficht gar furchtlos kalt sogar noch feiste Geister.
(aus "ES" von Stephen King)

Fiktion ist wie ein Spinnennetz, das, auch wenn nur vielleicht ganz leicht, an allen vier Ecke des Lebens befestigt ist.
- Virginia Woolf

Kathrin

So, und hier nun auch noch meine Meinung:

Genau so, wie ,,Der Junge der Träume schenkte" von Luca di Fulvio muss ein historischer Roman sein, knappe 800 Seiten dick, atmosphärisch dicht und absolut rutschig zu lesen. Der Roman ist für mich sicherlich nur der erste von weiteren Romanen des Autors. Ich habe zwar auch meine Kritikpunkte, aber alles in allem ein tolles Buch.

Wir begleiten in ,,Der Junge der Träume schenkte" die junge Cetta, die mit ihrem unehelichen Sohn Natale Anfang des 20. Jahrhunderts aus ihrer italienischen Heimat nach New York auswandert, in der Hoffnung für sich und Natale dort ein besseres Leben aufzubauen. Doch der Alltag und vor allem die Schwierigkeiten für eine alleinerziehende Mutter in einem Land, dessen Sprache sie nicht spricht holt sie schnell ein, denn sie muss ihren Körper verkaufen, um sich und ihren Sohn versorgen zu können.

Diese Kurzbeschreibung mag klischeehaft klingen, aber die Geschichte ist alles andere als klischeehaft. Denn (für mich: leider) ist nicht Cetta die Hauptfigur des Romans, sondern ihr Sohn, der in Christmas umbenannt wurde und im New Yorker Elendsviertel zu einem absolut liebenswerten jungen Erwachsenen heranwächst. Er ist ein Herzensmensch, vielleicht schon ein wenig zu gut, er hätte in meinen Augen gerne noch ein paar mehr Ecken und Kanten haben können, aber vergessen werde ich ihn wohl nie. Den wesentlich größeren Platz in meinem Herzen nehmen allerdings andere Figuren ein:  seine Mutter Cetta, Sal (wer das ist, verrate ich nicht) und auch die beiden alten Landsleute von Cetta – Tonia und Vito -, bei denen sie am Anfang ihrer Zeit in New York leben. Vor allem Cetta kann man nur bewundern. Sie ist eine so starke Frau, so eine gute Mutter, die so viel auf sich nimmt, um Christmas ein besseres Leben bieten zu können. Sie wirkt auf den ersten Blick naiv, aber ich denke nicht, dass sie das wirklich ist. Sie ist in meinen Augen grundehrlich, sagt offen heraus, was (eine nicht immer schöne) Tatsache ist und hadert nicht mit ihrem Schicksal, sondern packt das Leben an, wie es eben ist und macht definitiv das Allerbeste draus. Für mich ist sie die eigentliche Heldin des Romans. Und dann ist da noch Sal, ach ja, Sal...seufz...ein nicht ungefährlicher Charakter, grummelig, aber er hat sein Herz auf dem rechten Fleck, auch wenn er es so oft vor anderen und auch vor sich selbst versteckt.

In dem Buch geht es um so viel: um Freundschaft, Ungerechtigkeit, Versagen, um das Wiederaufstehen, Nicht-Aufgeben und auch um die Einsamkeit der Reichen. Es gibt in diesem Buch aber auch zwei Liebesgeschichten und das sollte man wissen, denn nicht jeder ist ein Freund von Liebesgeschichten in Büchern. Und auch ich bin bekanntlich nicht der größte Freund davon, zumal mir die eine die eine der beiden Liebesgeschichten etwas zu viel, zu drüber, zu kitschig war. Die andere ist dafür genau nach meinem Geschmack. So und nicht anders.

Zu einem Mega-Highlight hat es das Buch leider nicht geschafft, auch wenn ich weiß, dass ich den Autor auf jeden Fall weiter verfolgen und weitere Bücher von ihm lesen werde. Abzug gab es für den etwas zu perfekten Christmas, die eine etwas zu kitschige Liebesgeschichte und den ,,bösen Schurken" des Buches, der viel zu viel Raum einnimmt und dessen Passagen zwischenzeitlich nicht zu ertragen waren. Und trotzdem ist es ein toller, warmherzig erzählter Schmöker mit viel Atmosphäre und einer Geschichte und Romanfiguren, die sich wunderbar echt anfühlen.

Bewertung:
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Rock the Night!