Beate Sauer - Echo der Toten

Begonnen von Sagota, 22. Januar 2018, 16:32:51

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Sagota

"Echo der Toten" von Beate Sauer erschien (TB, broschiert) im Ullstein-Verlag, 2018.Die Autorin, bereits durch viele historische Romane bekannt, legt hier ihren ersten - hoffentlich nicht letzten und für mich sehr gelungenen historischen Kriminalroman vor.

Januar 1947:

Friederike Mathée, mit ihrer Mutter aus Ostpreußen geflüchtet, ist noch nicht lange bei der "Weiblichen Polizei" in Köln und ist trotz aller Beengtheit froh, ein Dach über ihrem Kopf und eine Arbeit zu haben: Gesine Langen, ihre Vorgesetzte, hält sie für zu zart besaitet und zweifelt an ihren Fähigkeiten als Polizistin, als jedoch die Royal Military Police, konkret Richard Davies, Verstärkung anfordert, wendet sich das Blatt: Friederike kann gut mit Kindern und Jugendlichen umgehen und spricht Englisch: Gute Voraussetzungen, um als Unterstützung für Davies in der Eifel und im Umland von Köln Ermittlungen in einem Mordfall aufzunehmen, der an einem bekannten Schwarzmarkthändler verübt wurde: Jupp Küppers.
Zur Aufklärung des Mordfalles kommt noch Zeugenschutz hinzu: Ein kleiner Junge, wie Friederike mit seiner Mutter aus Ostpreußen geflohen, hat die Tat aus Zufall beobachtet. Wer hatte ein Motiv, Küppers zu töten und was hat es mit dem "Goldenen Militärverdienstkreuz" aus dem 1. Weltkrieg auf sich, das bei Küppers gefunden wurde?

Meine Meinung:

Von Beginn an schafft die Autorin Spannung, die durch sehr authentische Schilderungen und atmosphärische Dichte diesen Krimi aus der frühen Nachkriegszeit, als Deutschland in Schutt und Asche lag, auszeichnet: Der Leser wird ins Jahr 1947 katapultiert, in dem die Bevölkerung hungert und durch den harten Winter friert, die Alliierten das Land in Besatzungszonen aufgeteilt hatten, Entnazifizierungsprogramme laufen und es Lebensmittel nur auf Karten gibt (sofern etwas Essbares im Laden vorhanden). Demzufolge blüht der Schwarzmarkthandel und alte Seilschaften belassen Mitarbeiter in ihren Positionen, die sie auch bereits während der Zeit des NS-Regimes innehatten...

Zentrale Themen sind hier die Aufarbeitung (bzw. das vereinzelte Festhalten) der Ideologie des Nationalsozialismus, Antisemitismus, der Holocaust, Flucht, Vertreibung und Gewalt bis hin zu Vergewaltigungen in Kriegszeiten, denen Frauen ausgesetzt waren. Die (noch unbewaffnete) deutsche Polizei arbeitet mit der RMP der Briten zusammen und Davies und Friedericke spüren, dass die antijüdische Gesinnung mancher Personen, die befragt werden, sich nicht geändert hat... Beide Ermittler werden sehr glaubhaft dargestellt und tragen schwer an all dem Erlebten: Beate Sauer beschreibt beide sympathischen, aber auch traumatisierten Charaktere sehr einfühlsam; ebenso fand ich die Beschreibung der damaligen polizeilichen Ermittlungsarbeit (Notizblock, Abtippen von Protokollen etc.) sehr spannend, detailreich und authentisch, was auch für zahlreiche Nebenfiguren zutrifft, von denen man sich als Leser ein Bild machen kann (z.B. die britische Offiziersgattin). Hier handelt es sich zum Einen um einen Kriminalfall, zum anderen aber auch - und das ist das für mich Wesentliche - um ein Stück Zeitgeschichte, das in diesem Roman zum Leben erweckt wird: Es wird nichts verschwiegen, was in der NS-Zeit an Gräueltaten verübt wurde und die Auseinandersetzung damit ist immer präsent, spürbar. Letzteres hat mich (ein Nachkriegskind, das gottlob erst 11 Jahre nach Kriegsende geboren wurde) sehr berührt und betroffen gemacht, aber auch zum Nachdenken angeregt - besonders, wenn man bedenkt, wie der Rechtspopulismus und die größte Flüchtlingswelle seit dem 2. Weltkrieg, die Europa in diesen Tagen "stemmen" sollte, die Menschen teilweise wieder in alte reaktionäre Ecken zu ziehen versucht....

Fazit:

Ein spannender, stimmiger, sehr authentischer und rundum gelungener Nachkriegskrimi um den ersten Fall von Friederike Mathée und Richard Davies, nach dessen Lektüre man sich nur wünscht, dass es noch weitere Fälle geben wird: Ich würde mit Sicherheit wieder zugreifen und vergebe die volle Punktzahl, 5* und eine ganz klare Leseempfehlung!

Bücherhexe

Köln, Januar 1947. Es ist ein bitterkalter Nachkriegswinter und zwischen den schneebedeckten Ruinen kämpfen die Menschen in der britischen Besatzungszone ums Überleben. 
Als in der Eifel ein Mord geschieht, wird die Polizeianwärterin Friederike Matthée von der Weiblichen Polizei von dem britischen Militärpolizisten Richard Davies zur Unterstützung angefordert. Einziger Zeuge des Mordes ist ein sechsjähriger Junge, der sich weigert, über das Geschehene zu sprechen. Genau wie Friederike selbst kommt Peter aus Ostpreußen und sie hofft, dadurch einen Zugang zu ihm zu finden. Durch die Ereignisse kommen die Erinnerungen an ihre Flucht aus Königsberg wieder hoch und oft zweifelt Friederike an ihrer Kraft. Aber auch Davies scheint etwas zu verbergen und gegen Dämonen aus seiner Vergangenheit zu kämpfen.
Dann geschieht ein weiterer Mord und Friederike und Davies müssen ihre privaten Probleme zunächst hintenanstellen, um den Mörder zu finden, bevor er wieder tötet. 

Ich hatte die Leseprobe zu "Echo der Toten" bei Vorablesen.de gelesen und war gleich begeistert. Weil ich unbedingt weiterlesen wollte, habe ich mich für das Buch beworben und hatte Glück. Und ich wurde nicht enttäuscht. Die Geschichte hat mir von Anfang bis Ende gut gefallen. Der Schreibstil ist lebendig und anschaulich, beim Lesen sah ich die schneebedeckten Ruinen der Stadt Köln vor mir  und konnte die Kälte fast fühlen. Die Autorin beschreibt realistisch, aber doch einfühlsam die damalige Situation der Deutschen unter der britischen Besatzung. Die Angst, sein Zuhause zu verlieren, der Hunger, die Vorurteile, mit denen jeder leben musste.

Friederike mochte ich gleich. Trotz ihrer Erlebnisse auf der Flucht gibt sie nicht auf, nimmt den Job bei der Polizei an, den sie eigentlich nicht mag, nur damit sie und ihre Mutter aus dem Flüchtlingslager rauskommen.
Auch Richard Davies war mir sympathisch, seine Art, auf Friederike einzugehen, gefiel mir. Und gewisse Verhaltensweisen versteht man nach Beendigung des Buches.

Ich denke, der Autorin ist es gelungen, die damalige Situation authentisch zu beschreiben. Auf der einen Seite die britischen Besatzer, die grundsätzlich jedem Deutschen misstrauisch gegenüber standen und sich immer fragten: War sie oder er ein Gegner oder Befürworter der Nationalsozialisten? Auf der anderen Seite aber auch die deutsche Bevölkerung, die durch die Rationierungen und Sanktionen der Besatzer kaum genug zu essen oder überhaupt zum Leben hatte.

Ich muss zugeben, ich wusste bisher gar nicht, dass es damals eine spezielle Weibliche Polizei gab und diese für gesonderte Aufgaben eingesetzt wurde. Also  wurde ich nicht nur gut unterhalten, sondern habe auch noch etwas gelernt.

Fazit: Ein historischer Krimi aus der entbehrungsreichen Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, den ich sehr empfehlen kann.

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Was ich rette geht zu Grund, was ich segne muss verderben.
Nur mein Gift macht dich gesund. Um zu leben musst du sterben.
(Musical: Tanz der Vampire)

Kathrin

,,Das Echo der Toten" ist der Auftakt einer historischen Krimireihe von Beate Sauer, der im Winter 1947 in Köln spielt. Es handelt sich hierbei um den ersten Fall von Richard Davies von der britischen Military Police und Frederike Matthée von der weiblichen Polizei in Köln, die ihm zur Seite gestellt wird um einen  Mord aufzuklären.

Es ist schon manchmal spannend, wie das eigene Gedächtnis einem manchmal im Stich lassen oder auch veräppeln kann. Es ist ca. 1 Jahr her, dass ich diesen Roman und auch einen weiteren hist. Krimi (,,Der nasse Fisch" von Volker Kutscher) gelesen habe und grundsätzlich hat mir der Roman von Beate Sauer deutlich besser gefallen, als der von Volker Kutscher. Interessanterweise habe ich aber an letzteren deutlich mehr und detailliertere Erinnerungen, was mich ein wenig zweifeln lässt, ob ich nicht doch beide Reihen weiterlesen und auch Volker Kutscher eine zweite Chance geben will. Bei Beate Sauer stellt sich mir diese Frage nicht, hier wartet der zweite Fall für Frederike Matthée bereits auf mich, aber mit Volker Kutscher hatte ich – bis ich die Rezension geschrieben hatte – voll und ganz abgeschlossen.

Ich muss zugeben, dass ich Jahrelang einen großen Bogen um hist. Romane gemacht haben, die in der Zeit rund um den zweiten Weltkrieg spielen. Dank eines anderen Romans bin ich aber inzwischen ,,auf den Geschmack" gekommen – wenn man das bei diesem Thema überhaupt sagen kann. Und auch Beate Sauer schafft es ab Seite 1 mich voll und ganz in dieses Buch und diesen bitterkalten Winter im Jahr 1947 hineinzuziehen. Das Kopfkino ist sofort angesprungen, mehr noch ... ich habe gefroren, ich habe gehungert und ich habe mitgefühlt mit den Figuren – und das nicht nur mit Frederike und Richard, die beide schwer an den Grauen der Nazizeit zu tragen haben.

Und dennoch sind es Frederike Matthée und  Richard Davis, die für mich den großen Unterschied zu der Krimireihe um Volker Kutscher ausmachen. Die Protagonisten eines Romans müssen nicht immer die sympathischen Helden schlechthin sein, sie dürfen gerne ihre Ecken und Kanten haben, aber sie müssen mich immer packen können.

Beate Sauer hat es mit dem Auftakt dieser Reihe ganz wunderbar geschafft, die schwere Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg einzufangen. Die Kälte, den Hunger, die Verwüstung, die Aufteilung Deutschlands in Besatzungszonen und was diese schlimme Zeit sowohl mit den Menschen – Besiegten wie Siegern – und einem ganzen Land gemacht hat. Als ich am Ende des Romans angelangt war, konnte ich es kaum erwarten, den zweiten Teil der Reihe zu lesen und allzu lange werde ich damit auch sicherlich nicht warten

[note2]
Rock the Night!

Bücherhexe

@Kathrin

Kennst du die Bücher von Frank Goldammer? Sie spielen während und nach dem 2. WK, aber in Dresden. Das erste heißt "Der Angstmann" und spielt 1944/45, u. a. während des großen Feuersturms. Auch sehr eindringlich geschrieben.
Was ich rette geht zu Grund, was ich segne muss verderben.
Nur mein Gift macht dich gesund. Um zu leben musst du sterben.
(Musical: Tanz der Vampire)

Kathrin

Nein, die Bücher kenne ich nicht. SChau ich mir mal an. Danke für den Tipp.
Rock the Night!

Bücherhexe

Zitat von: Kathrin in 06. August 2019, 12:13:30
Nein, die Bücher kenne ich nicht. SChau ich mir mal an. Danke für den Tipp.

Gerne! Ich hatte dazu auch mal meine Rezis hier bei den Krimis eingestellt.   :->
Was ich rette geht zu Grund, was ich segne muss verderben.
Nur mein Gift macht dich gesund. Um zu leben musst du sterben.
(Musical: Tanz der Vampire)

Kathrin

Danke, schau ich mir an. Mir fehlen hier leider einfach die Buchcover sehr, weshalb ich mir REzis nur sehr selten durchlese. Ich schau in erster Linie auf das Cover, wenn mich das nicht abschreckt (es muss mich gar nicht mal extrem ansprechen oder mir gefallen), dann kommt der Klappentext und dann die Meinung von anderen. Oder aber es ist eine Rezi zu einem Buch, über das ich schon viel gehört habe, dann brauch ich auch das Cover nicht.
Rock the Night!

nirak

Das Buch hat mir auch gut gefallen  :funkey: Teil 2 liegt auch schon hier  :->

Bücherhexe

Zitat von: Kathrin in 07. August 2019, 08:32:38
Danke, schau ich mir an. Mir fehlen hier leider einfach die Buchcover sehr, weshalb ich mir REzis nur sehr selten durchlese. Ich schau in erster Linie auf das Cover, wenn mich das nicht abschreckt (es muss mich gar nicht mal extrem ansprechen oder mir gefallen), dann kommt der Klappentext und dann die Meinung von anderen. Oder aber es ist eine Rezi zu einem Buch, über das ich schon viel gehört habe, dann brauch ich auch das Cover nicht.

Stimmt, dass man die Cover hier nicht direkt sieht, ist schade...
Was ich rette geht zu Grund, was ich segne muss verderben.
Nur mein Gift macht dich gesund. Um zu leben musst du sterben.
(Musical: Tanz der Vampire)

sisquinanamook

Ich habe das Buch für das Bingo 2021 gelesen.

Ich bin durch euch auf das Buch aufmerksam geworden und es hat mein Interesse geweckt, da es ein Buch ist, in das eben nicht vor oder im Krieg spielt sondern kurz danach.
Und das auch noch in Krimiform. Ich war sehr gespannt und wurde nicht enttäuscht.

Die Autorin versteht es perfekt die Situation im Hungerwinter darzustellen, ohne anklagend zu sein.
Die Figuren haben viel Tiefe und ihr Päckchen zu tragen.
Die schrecklichen Dinge, die während des Krrieges und auch noch danach geschehen sind werden thematisiert und beschrieben, aber nicht effektheischend aufgebauscht.

Ich kann mich meinen Vorschreiberinnen nur anschließen: ein absolut lesenswertes Buch.

Band 2 ist schon auf meiner Wunschliste.

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Viele Grüße
Daniela

Kathrin

Hach, das freut mich jetzt ja, Daniela!!!
Rock the Night!