Nguyen Phan Que Mai: Der Gesang der Berge

Begonnen von Kathrin, 14. Juni 2022, 09:42:13

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Kathrin

Der Gesang der Berge von Nguyen Phan Qué Mai

Herausgeber ‏ : ‎ Insel Verlag
Gebundene Ausgabe ‏ : ‎ 429 Seiten
ISBN-10 ‏ : ‎ 3458179402

Inhalt:
»Der Gesang der Berge ist ein Meisterstück der Hoffnung, eine entschlossene Erkundung der Vergangenheit mit dem erzählerischen Mut der Gegenwart.« Ocean Vuong

Huong wächst bei ihrer Großmutter auf, mitten im vom Krieg gebeutelten Hanoi der frühen 1970er Jahre. Der Vater ist auf den Schlachtfeldern verschollen, ihre Mutter folgte ihm in der Hoffnung, ihn zu finden. Und die Großmutter erzählt Huʾoʾng an den vielen langen Abenden die Geschichte ihrer Familie, eine Geschichte, die in Frieden und Wohlstand ihren Anfang nimmt, aber im Zuge fremder Besatzung, Landreform und Krieg eine Geschichte von Vertreibung, Flucht und unsäglichem Leid wurde. Doch die Frauen ihrer Familie sind stark und entschlossen, dem Schicksal eine lebenswerte Zukunft abzutrotzen.

Ein Familienepos, das ein ganzes Jahrhundert atmet, die bildgewaltige Geschichte eines leidgeprüften Volkes, ein beeindruckender historischer Roman, erzählt von einer vietnamesischen Autorin – so hat man von Vietnam im zwanzigsten Jahrhundert noch nicht gelesen.

Meine Meinung:
,,Wenn ich einen Wunsch frei gehabt hätte, hätte ich mir nichts ausgefallenes gewünscht, nur einen normalen Tag, an dem wir alle als Familie zusammen sein konnten; einen Tag, an dem wir einfach zusammen kochen, essen, reden und lachen konnten. Ich fragte mich, wie viele Menschen überall auf der Welt so einen normalen Tag erlebten, ohne zu wissen, wie besonders und kostbar das war."

Mit ,,Der Gesang der Berge" hat mich die aus Vietnam stammende Autorin Nguyén Phan Qué Mai in ein Land und einen Krieg geführt, die mir zwar bekannt waren, aber über die ich erschreckend wenig wusste. Auch wenn es rein thematisch keine einfache Geschichte ist und ich kleinere Kritikpunkte hatte, war dieses Buch auf jeden Fall ein Jahreshighlight für mich, das ich unbedingt weiterempfehlen will und kann.

Der Einstieg ist mir nicht ganz so leicht gefallen, vor allem die Nähe zu den Figuren hat mir zu Beginn gefehlt, doch das hat sich glücklicherweise bald geändert, denn gerade an Huongs Großmutter Diéu-Lan habe ich dann doch schnell mein Herz verloren. Das Buch erzählt die Geschichte der Familie Tran auf zwei Zeitebenen, beginnend mit dem Jahr 1930, in dem Diéu-Lan noch ein Kind ist, während die zweite Erzählebene von ihrer Enkelin Huong erzählt wird, die im Vietnam-Krieg der 60er/ 70er Jahre ein Jugendliche ist. Mit Huong hatte ich zugegebenermaßen ab und zu meine Probleme. Zum einen war sie mir manchmal etwas zu kindlich, kindisch und ungerecht – ihr Verhalten hätte in meinen Augen eher zu einer 12-jährigen als zu einer 15-jährigen gepasst, gerade weil ihr ihre Kindheit und Jugend durch den Krieg geraubt worden ist. Zum anderen bin ich von pubertierenden Jugendlichen leider recht schnell genervt und das war auch hier mitunter der Fall. Umso lieber war mir aber ihre Großmutter, die ich für immer einen Platz in meinem Leserherzen haben wird. Was für eine tolle, starke Frau, ,,der Berg, immer da, immer stark, immer ein Schutz für uns," wie Huong am Ende des Buches selbst sagt.

Ich war sehr dankbar für den Stammbaum vorne im Buch, der keine Sterbedaten enthält und somit auch nicht spoilert. Ich bin deshalb dankbar dafür, weil die vietnamesischen Namen für mich und mein europäisch geprägtes Ohr so ungewöhnlich sind und teilweise gleich klingen ohne gleich zu sein. Durch das Zurückblättern auf dem Stammbaum habe ich mich zumindest in der Familie gut ausgekannt, auch wenn ich manchmal geschichtlich, allein aufgrund Erzählweise auf zwei Zeitebenen, ziemlich geschwommen bin. Ich hätte mir für das Buch durchaus mehr Extras wie den Stammbaum gewünscht, z.B. eine Zeittafel über die wichtigsten Ereignisse in der vietnamesischen Geschichte, ein hist. Vor- oder Nachwort oder auch eine Landkarte. Aber das können andere Leser*innen durchaus als nicht nötig empfunden haben, ich kniee mich halt gerade bei hist. Romanen gerne voll in die Geschichte rein, die mir erzählt wird. Klar, ich kenne den Namen Ho Chi Minh und habe von den Viet Kong und Viet Minh gehört, aber der Unterschied wurde hier nicht wirklich erklärt.

Die Autorin besticht mit einer tollen Sprache, gespickt mit vietnamesischen Begriffen und Sprichworten, die direkt erklärt werden und mich dadurch nicht holpernd lesen lassen, und vielen tollen Bildern und Vergleichen, ohne das Buch und die Geschichte damit zuzupflastern. Die Sprache ist nicht übermäßig kompliziert und immer auf den Punkt. Inhaltlich habe ich zwei kleinere Kritikpunkte, auf die ich aber ohne zu spoilern nicht eingehen kann und die auch wieder sehr persönlich sind. Es ist ein Buch das hängenbleibt und tief geht, das mir die Tränen in die Augen getrieben hat. Es gibt trotz der erschreckenden und schlimmen Geschichte des Landes und auch dieser Familie, viele tolle Szenen, Ideen und Gedanken in dem Buch, die ich arg mag, vor allem auch den Titel des Buches. MEGA!

,,Der Gesang der Berge" ist ein absoluter Lesetipp für alle, die Familiengeschichten und / oder hist. Romanen mögen und auch gerne in Regionen und Kulturen unserer Welt eintauchen wollen, die mit der eigenen nicht viel gemein hat.

Bewertung:
[note1]
Rock the Night!