Juliet Grames: Die sieben oder acht Leben der Stella Fortuna

Begonnen von Kathrin, 27. Juli 2021, 11:20:38

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Kathrin

Die sieben oder acht Leben der Stella Fortuna von Juliet Grames

Herausgeber ‏ : ‎ Droemer HC
Gebundene Ausgabe ‏ : ‎ 496 Seiten
ISBN-10 ‏ : ‎ 3426282127

Inhalt:
Eine große italienisch-amerikanische Familien-Saga und das Porträt einer außergewöhnlichen Frau:

Für Stella Fortuna war der Tod schon immer ein Teil ihres Lebens. Ihre Kindheit ist geprägt von merkwürdigen Unfällen – Momenten, in denen alltägliche Situationen wie das Kochen von Auberginen oder das Füttern der Schweine beinahe tödliche Folgen haben. Sogar Stellas eigene Mutter ist überzeugt davon, dass ihre Tochter verflucht ist.
In ihrem ärmlichen Dorf in Kalabrien gilt Stella als seltsam: ebenso schön und klug wie frech und abweisend. Ihre innere Kraft nützt sie vor allem, um ihre kleine Schwester Tina vor den Härten des Lebens zu schützen. Doch immer wieder provoziert Stella auch den Zorn ihres Vaters Antonio, eines Mannes, der von Frauen Unterwürfigkeit verlangt, und dessen größtes Geschenk an seine Familie seine Abwesenheit ist.

Als die Fortunas vor dem Zweiten Weltkrieg nach Amerika auswandern, hofft Stella auf eine neue Freiheit – und muss erfahren, dass ihre Familie, und allen voran ihre Schwester Tina, ihr eines um jeden Preis verweigern wird: ihre Unabhängigkeit.

Im heutigen Amerika erzählt Stellas Enkelin die bewegende Geschichte ihrer Großmutter, die Geschichte eines Lebens zwischen Italien und den USA und den Kämpfen innerhalb einer Familie, die so alt sind wie die Zeit selbst.

Mit »Die sieben oder acht Leben der Stella Fortuna« hat Juliet Grames, Verlagsleiterin bei Soho Press, einen großen Familien-Roman geschrieben, der zum Teil auf ihrer eigenen italienisch-amerikanischen Familiengeschichte beruht.

Meine Meinung:
,,Die sieben oder acht Leben der Stella Fortuna" von Juliet Grames habe ich im Rahmen des diesjährigen Bücherbingos gelesen, um die Aufgabe zu erfüllen, zwei Bücher zu lesen, die vom gleichen Übersetzer übersetzt wurden. Da ich die Aufgabe spannender fand, wenn es im Original zwei Bücher unterschiedlicher AutorInnen sind, habe ich mich neben ,,Alles Licht, das wir nicht sehen" von Anthony Doerr auch für die Geschichte von Stella Fortuna entschieden, bei übersetzt von Werner Löcher-Laurence. Tja, und leider konnte mich weder das eine noch das andere Buch wirklich vom Hocker reißen. Ich will nicht behaupten, dass es an der Übersetzung lag, denn dazu fehlt mir der Vergleich zum englischen Original, aber was beide Bücher gemeinsam hatten, war die fehlende Nähe von mir als Leserin zu den ProtagonistInnen. Doch in dieser Rezension soll es nur um das Buch von Juliet Grames gehen.

Mariastella (Stella) Fortuna wird 1920 in einem kleinen, ärmlichen Dorf in Kalabrien als ältestes Kind von Assunta und Antonio (Tony) Fortuna geboren. Sie, ihre Schwester Cettina (Tina) und ihre Brüder wachsen nahezu vaterlos auf. Ihr Vater Antonio hat seine Familie früh Richtung Amerika verlassen, um dort für sie alle ein besseres Leben aufzubauen und doch  dauert nahezu 20 Jahre bis der Vater seine Familie zu sich nach Amerika holt. Sicherlich bietet Amerika den nun mehr jungen Frauen Stella und Tina deutlich mehr Möglichkeiten als ihre italienische Heimat und ihr ärmliches Leben dort, und hat doch vor allem Stella große Schwierigkeiten sich an das neue Leben, die fremde Sprache und Kultur und den despotischen Vater zu gewöhnen, gegen den sie schon als Kind, bei seinen seltenen Besuchen, eine große Abneigung entwickelt hat. Gerade sein Verhalten Assunta gegenüber, seine sexuellen Übergriffe und die Tatsache, dass Stella schon als Kind die Geburt einer ihrer Brüder miterlebt hat, haben Stella für ihr Leben geprägt, so dass sie sich schon früh geschworen hat, niemals zu heiraten oder Kinder zu bekommen.

Was mir vom Grundsatz her gut gefällt, ist, dass die Autorin Stella, Tina und auch ihre Mutter Assunta sehr glaubwürdig und realitätsnah dargestellt hat. Oft begegnet man ja gerade in historischen Romanen einer allzu modernen weiblichen Hauptfigur, die sehr kämpferisch, eigensinnig und gerne auch rebellisch ist, was aber weniger dem Frauenbild der jeweiligen Epoche entspricht. Auch Stelle ist all dies, auch sie begehrt gegen ihren Vater auf, ist selbstbewusst, aber sie ist mir in ihrem Denken oft zu radikal. Für sie gibt es nur Schwarz und Weiß, gerade in Bezug auf Männer und Sexualität. Natürlich sind ihre Eltern kein gutes Vorbild, die Mutter die viel zu viel stillschweigend erduldet und der Vater, der einfach nur ein absoluter Widerling ist. Aber Stella lässt in dieser Hinsicht auch keine andere Sichtweise als ihre eigene zu. Sie kann da wohl nicht aus ihrer Haut, aber ich habe auch das Gefühl, dass sie es nicht WILL. Es geht mir gar nicht darum, dass ich sie nicht verstehe, denn das tue ich. Jede normale Frau muss bei diesem Mann oder generell dem Männerbild, das die Autorin hier zeigt, Hass und Verachtung fühlen. Und trotzdem bleibt da eine Distanz zwischen Stella und mir. Ich komme nicht an sie ran. Ich sehe und lese von ihrem Hass, ich hasse Tony genauso, aber ich fühle Stella und auch Tina und Assunta nicht. Ich mag sie, keine Frage, aber sie sind nicht nah bei mir. Eigentlich müsste ich viel wütender sein, angesichts des Lebens, dass die Frauen führen müssen, gefangen in einer Ehe, die sie nicht wollen, mit Männern, die sie nicht lieben und vor allem auch gefangen in diesen alten, patriarchalischen Denkmustern. Aber gerade hier hat die Geschichte für mich heftige Längen entwickelt. Irgendwann sollte jeder kapiert haben, dass Stella Angst vor der Ehe und den ehelichen Pflichten hat.

Die Geschichte an sich ist interessant, aber in meinen Augen ein wenig zu eindimensional erzählt, und zwar vor allem in Bezug auf Tony bzw. die Männer im Allgemeinen. Auch wenn ich Tony wirklich nicht mag, so habe ich mich doch ab und zu dabei ertappt, dass ich auch gerne mal in seinen Kopf geschaut hätte. Im Endeffekt hätte er seine Familie auch in Italien lassen können. Sie wollten nicht weg von dort und ich habe nicht wirklich verstanden, warum er sie zu sich geholt hat, denn glücklich scheint auch er in der Ehe mit Assunta nicht gewesen zu sein. Nichtsdestotrotz zeigt mir das Buch, wie froh ich bin in der heutigen Zeit selbstbestimmt und unabhängig von wem auch immer leben zu können.

Ich war aufgrund des oft sehr ermüdenden Schreibstils, der deprimierenden Grundstimmung, der vielen, wirklich vielen Tippfehler und eben besagter Längen mehrfach versucht, das Buch abzubrechen. Es war mitunter echt eine Qual und das sollte kein Buch sein. Vielleicht bin ich aber auch gerade in einer etwas anderen Lese-Stimmung und vielleicht hätte dem Buch auch eine Leserunde gut getan, aber alles in allem war das Buch trotz des wichtigen Themas (das in genügend Ländern und Kulturen immer noch aktuell ist) eine leichte Enttäuschung für mich.

Bewertung:
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Rock the Night!