Jane Gardam - Robinsons Tochter

Begonnen von Sagota, 02. Oktober 2020, 15:27:07

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Sagota

"Robinsons Tochter" von Jane Gardam ist im Verlag HanserBerlin (HC, 2020) erschienen und wurde (wie die Vorgänger der englischen Autorin) von Isabel Bogdan ins Deutsche übersetzt. Im Original (Crusoes Daughter) erschien der Roman bereits 1985 und ich freute mich sehr auf diesen Roman, da Jane Gardam zu meinen britischen LieblingsautorInnen zählt.

England, 1904:

Polly Flint, Hauptprotagonistin dieses wundervollen Romans, erzählt uns ihr Leben in der Ich-Form, wodurch nach und nach eine besondere Nähe zu den Gefühlen und Gedanken Pollys geschaffen wird und sie dem Leser mehr und mehr ans Herz wächst....
Als 6jähriges Mädchen wird Polly von ihrem Vater, einem Seemann, zu Aunt Mary und Aunt Frances ins "Gelbe Haus", auch Oversands genannt, von Wales aus ins nördliche England gebracht, wo sie fortan (nach vielen Pflegefamilien, ihre Mutter Emma starb, als Polly ein Jahr alt war) leben sollte. Die Tanten sind die älteren Schwestern ihrer Mutter; die weiteren Bewohner sind Charlotte und Mrs. Woods; erstere das Hausmädchen und Mrs. Woods eine alleinstehende ältere Witwe, die Polly in Französisch und etwas Deutsch unterrichten wird. Aunt Mary ist von strengem Wesen; Frances dagegen sanftmütiger und das Leben der frommen Tanten ist nicht gerade auf Kinder zugeschnitten: So gibt es für Polly in dem großen und geheimnisvollen Haus kaum Abwechslung, auch wenn die Tage (und sogar die Wochenenden, samstags wird z.B. grundsätzlich gebeichtet und Sonntag folgen die Kirchgänge) durchgetaktet sind: Sehr interessiert ist Polly jedoch an den in reicher Zahl vorkommenden Bücher im Gelben Haus und liest alles, was ihr in die Hände fällt; einige englische Klassiker wie Jane Austens Romane z.B. Doch ein Buch hat es ihr ganz besonders angetan: Daniel Defoes "Robinson Crusoe".

Im Laufe der Zeit, die sich stellenweise biografisch lesen, wird dieses Buch die "Rettungsinsel" und das Zentrum geistigen Denkens, mentaler Stärke und Kraft für Polly, denn das Leben hält allerlei für sie bereit: Selbst eher Güte als Liebe und Zuneigungsbekundungen von den Tanten erfahren, verliebt sich Polly als 16jährige erstmals in Paul Treece, einem angehenden Dichter Anfang 20, der in "Thwaite", dem Haus eines alten Freundes der Familie, zu Gast ist: Der ältere, wortkarge, aber sehr sympathische Mr. Thwaite hat sie in sein Haus eingeladen, das so anders ist als das "Gelbe Haus"; laut Lady Celia, der Schwester von Mr. Twaithe, weiß man hier nicht, wem man im Flur so über den Weg laufen könnte... Das Haus ist ein Zufluchtsort und Ort der Regeneration, wie es scheint, für (etwas versponnen anmutende) Dichter, Maler und Schriftsteller (und -innen), um die sich Celia sehr liebevoll kümmert. Mr. Thwaite dagegen bleibt eher im Hintergrund, jedoch strahlt er eine "Sanftheit, Zufriedenheit und einen Frieden aus, verbreitet in jedem Raum eine angenehme Atmosphäre" - und spricht stets eher im "Telegrammstil". Diese interessante und überaus sympathische Figur, die am Ende des Romans eine Schlüsselrolle im Leben Pollys zukommen soll, hat mich sehr fasziniert.

So trifft man Menschen, die Polly kennenlernt: Stanley, den armen Jungen, der jeden Mittwoch ins Gelbe Haus kommt und von Charlotte verköstigt wird; die Zeits - eine jüdische Familie mit deutschen Wurzeln, mit denen Polly - sie ist 16 - eine wichtige Freundschaft pflegt und in dessen Sohn Theo sie sich verliebt; der bereits genannte Paul Treece, der ebenso wie Theo Zeit im 1. Weltkrieg zu Felde ziehen müssen. Wir verfolgen die Entwicklung Pollys zu einer jungen, klugen und verletzlichen Frau, die Liebe, Enttäuschung, Verlust, Depression, aber auch wahre Freundschaft erlebt: Alice, die nach Charlotte ins Gelbe Haus als Hausmädchen arbeitet, zieht die selbst etwas "schiffbrüchig" gewordene nun über 30 Jahre alte Polly wieder an Land: Auch in dieser Situation (Polly griff etwas häufig zur Whiskyflasche) und der Wende ist "Robinsons Tochter" ihr wie immer ein literarischer Leuchtturm:

"Denn meine Befreiung lag greifbar vor mir, alles war bereitet, und ein großes Schiff wartete nur darauf, mich hinzubringen, wohin ich wollte". (S. 279)

Die Zeitgeschichte des letzten Jahrhunderts (beide Weltkriege) sind in die Handlung verwoben und ein wichtiger Einschnitt in Pollys Leben, die - selbst nur privat unterrichtet und nie selbst in einer Schule gewesen - Kinder unterrichtete (ihre Mutter Emma war eine wundervolle Lehrerin), geschieht kurz vor Ausbruch des 2. Weltkrieges: In einem Brief aus Deutschland wird Polly gebeten, zwei jüdische Mädchen, die mit einem Flüchtlingszug in London ankommen, abzuholen und sich um sie zu kümmern. So begeben sich der nun 80jährige Mr. Thwaite, Ms. Maitland (seine Haushälterin) und Polly auf die Reise nach London und wieder einmal bin ich fasziniert von dem Empathievermögen des alten Herrn: Während der Zug von Yorkshire Richtung London rollt, überlegt er, wo in Holland der Zug der Kinder jetzt sein könnte....

Eine ganz besondere, wundervoll erzählte, atmosphärisch dichte Lebensgeschichte einer Frau mit allen dramatischen Wendungen, die das Leben für sie bereithalten sollte - von ihrer Kindheit bis ins hohe Alter, die auch gesellschaftliche Veränderungen im England des 20. Jahrhunderts aufzeigt; von feiner Ironie gezeichnet und hier und da mit dem Jane Gardam so eigenen britischen trockenen Humor gewürzt, kann ich diese besondere Reise durch Polly Flints selbstbestimmte Lebenswelt sehr empfehlen. Von mir gibt es daher 4,5 Sterne und einen besonderen Platz (neben den Vorgängern) im Bücherregal!

4,5 *****

SilkeS.

Meine Meinung:
Ich habe mir das Buch auf die Merkliste gepackt, nachdem ich viele begeisterte Stimmen über das Buch gehört habe.
Leider war das aber nicht MEIN Buch. Ich habe mich extrem schwer getan mit der Geschichte, mit dem Verlauf, mit der "Aussage"

Hauptprotagonistin ist Polly, die als junges Mädchen zu ihren zwei Tanten mütterlicherseits abgeben wird. Ihr Vater ist Seemann und kann sich um das Kind nicht kümmern, nach die Mutter verstorben ist und er wieder zur Seefahrt muß.

So und nun waren die beiden Jungfern also da mit einem Mädchen, sie muß mithelfen im Haushalt, bekommt Privatunterricht, aber so wirklich  habe ich über das Leben in dem sogenannten "Gelben Haus" nicht gespürt. Mir fehlte da einfach der Zugang, zu Polly, zu den Tanten. Ich fand es unscheinbar und unaufgeregt.
Ich hatte irgendwie die Erwartung, dass Polly etwas wird wie "Anne auf Green Gable" aber Polly ist dazu zu introvertiert.
Sie  lernt verschiedene junge Männer kennen, die ebenfalls von ihren Tanten unterstützt werden, sie kommt hierbe in die Erfahrung mit dem Tod, aber auch das hat mir Polly, ihr Denken, ihr Gefühlsleben kein bißchen näher gebracht.

Dann verliebt sich Polly in einen Jungen Dichter, mit dem sie bei einem Spaziergang die Nachbar Familie Zeits kennenlernt.
Diese nehmen sie herzlich auf wollen sie etwas aus der konservativen Haushalt befreien, aber Polly will nicht. Warum sie sich hier der sympatischen Familie nicht öffnet hat sich bei mir beim lesen nicht wirklich erschlossen?
Auch später, als ihr Liebe im Krieg stirbt und die Familie sie zu sich einlädt um ihr sein Erbe in Form von Briefen und Büchern zu übergeben, fand ich Polly sehr kühl und nüchtern und auch abweisend, denn auch diese FAmilie bietet ihr Gastfreundschaft an um dem Verstorbenen zu gedenken.

Der Plot spielt über das ganze Leben von Polly, sie erlebt den Krieg, sie wird als Lehrerin verpflichtet, sie nimmt Waisenkinder bei sich auf...
Sie ist eine starker Charakter, der sich sehr an eben Daniel Defoes Robinsons Crusoes Buch orientiert und später auch die Übersetzung des Buches schreibt.
Diese leider sehr kurzen Passagen, fand ich interessant zu lesen und hätte mir während dem Buch viel mehr davon gewünscht.

Alles in allem habe ich einfach keinen Zugang zu Charakter, Zeit, Ort, Gefühlen in dem Buch bekommen.


Note 4+
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