Susanne Abel - Stay away from Gretchen

Begonnen von Esmeralda, 27. Mai 2021, 08:35:28

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Esmeralda

ZitatDer bekannte Kölner Nachrichtenmoderator Tom Monderath macht sich Sorgen um seine 84-jährige Mutter Greta, die immer mehr vergisst. Was anfangs ärgerlich für sein scheinbar so perfektes Leben ist, wird unerwartet zu einem Geschenk. Nach und nach erzählt Greta aus ihrem Leben – von ihrer Kindheit in Ostpreußen, der Flucht vor den russischen Soldaten im eisigen Winter, der Sehnsucht nach dem verschollenen Vater und ihren Erfolgen auf dem Schwarzmarkt in Heidelberg. Als Tom jedoch auf das Foto eines kleinen Mädchens mit dunkler Haut stößt, verstummt Greta. Zum ersten Mal beginnt Tom, sich eingehender mit der Vergangenheit seiner Mutter zu befassen. Nicht nur, um endlich ihre Traurigkeit zu verstehen. Es geht auch um sein eigenes Glück.

Ich scheine dieses Jahr ein gutes Händchen für Bücher zu haben, die mir rundum gut gefallen und die ich gerne weiterempfehle.
So wie dieser Roman "Stay away from Gretchen" von Susanne Abel.
Es ist ihr Debut-Roman und meiner Meinung nach darf sie noch viele weitere Romane schreiben, wenn diese nur annähernd so gut erzählt sind wie dieser.

Das Buch hat mich sehr berührt und gefesselt. Es greift so viele interessante und brisante Themen auf und ist dennoch nicht überladen.
De Geschichte wird auf zwei Zeitebenen erzählt: zum einen die Zeit während und nach dem 2. Weltkrieg und zum anderen im Jahr 2015/2016.
Was mir besonders gut gefallen hat sind die Parallelen, die die Autorin aufzeigt.

Susanne Abels Schreibstil ist extrem flüssig, sehr bildhaft und die Charaktere sind authentisch gezeichnet.
Von mir gibt's die volle Punktzahl!

[note1]
Life is too short to read bad books. 

sisquinanamook

Ich habe das Buch als Hörbuch gehört und auch mich hat es sehr berührt, vor allem, weil auch die Geschehnisse aus 2015 noch so präsent sind, dass ich mich noch sehr gut daran erinnere.
Dafür waren mir die Fakten über schwarze GIs und ihre Stellung in der Army gar nicht so präsent.

Ich persönlich fand Tom oft sehr unsympathisch und das Ende, welches Tom betrifft, ein bisschen zu vorhersehbar, aber das ist Jammern auf hohem Niveau.
Dafür war Gretas Geschichte umso berührender in ihrer Tragik.

Von mir auch eine klare Leseempfehlung.

[note1]
Viele Grüße
Daniela

Esmeralda

 :funkey:
Schön, dass es Dir auch so gut gefallen hat, Sisqui.
Life is too short to read bad books. 

sisquinanamook

Ich fand das Buch wirklich toll.

Tom ging mir die meiste Zeit ziemlich auf den Keks, aber das Buch hat dafür wenig bekannte Seiten der Besatzungszeit beleuchtet und das wiederum fand ich sehr spannend.

Viele Grüße
Daniela

Esmeralda

Ja, Tom fand ich auch sehr gewöhnungsbedürftig :rollen:, hat dem Roman aber letztendlich kein Abbruch getan.
Gretchens Geschichte hat alles wieder wett gemacht.
Life is too short to read bad books. 

Inge78

So ein tolles Buch. Wahnsinnig intensiv, wichtige historische Ereignisse werden thematisiert und gleichzeitig ist das Buch aktuell wie nie. Zum Ende sind dann doch auch noch ein paar Tränchen geflossen.

In zwei Zeitebenen begleiten wir Greta, die im 2.Weltkrieg mit ihrer Familie aus Ostpreußen flüchten muss und über einige Umwege nach Heidelberg kommt. Dort lernt Greta den schwarzen GI Robert kennen und lieben. Doch hat diese Liebe eine Zukunft?
Über diese Vergangenheit hat Gretas Sohn Tom nie etwas gehört. Erst als seine Mutter an Alzheimer erkrankt kann sie ihre Geheimnisse nicht mehr hüten. Tom arbeitet als Nachrichtensprecher und beginnt zu recherchieren.
Es geht in diesem Roman nicht nur um den 2.Weltkrieg, nicht nur um Alzheimer, nicht nur um Rassismus. So viele Themen werden angesprochen, ohne dass ich das Buch als überfrachtet empfand. Ich habe einiges Neues gelernt, mochte auch die vielen aktuellen Bezüge, die mir die Geschichte sehr nahe gebracht haben.
Ein Kritikpunkt ist der Charakter Tom, der mir nicht immer gut gefallen hat. Und am Ende meint die Autorin es vielleicht etwas zu gut mit Drama und weichzeichnen. Das ist aber "Jammern auf sehr hohem Niveau" und insgesamt habe ich das Buch sehr geliebt. Ich mag auch den Schreibstil der Autorin, der wirklich super rutschig zu lesen ist.

[note1]
Words are, in my not-so-humble opinion, our most inexhaustible source of magic. Capable of both inflicting injury, and remedying it - Albus Dumbledore

Im finst´ren Förenwald, da wohnt ein greiser Meister. Er ficht gar furchtlos kalt sogar noch feiste Geister.
(aus "ES" von Stephen King)

Fiktion ist wie ein Spinnennetz, das, auch wenn nur vielleicht ganz leicht, an allen vier Ecke des Lebens befestigt ist.
- Virginia Woolf

Esmeralda

 :yahoo1: Freu mich gerade wie blöd, dass Dir das Buch auch so gut gefallen hat, Inge.  :schmusen:
Life is too short to read bad books. 

Inge78

Words are, in my not-so-humble opinion, our most inexhaustible source of magic. Capable of both inflicting injury, and remedying it - Albus Dumbledore

Im finst´ren Förenwald, da wohnt ein greiser Meister. Er ficht gar furchtlos kalt sogar noch feiste Geister.
(aus "ES" von Stephen King)

Fiktion ist wie ein Spinnennetz, das, auch wenn nur vielleicht ganz leicht, an allen vier Ecke des Lebens befestigt ist.
- Virginia Woolf

sisquinanamook

Und ich glaube, bei der Figur Tom sind wir uns alle einig.
Viele Grüße
Daniela

Inge78

Zitat von: sisquinanamook in 26. August 2021, 10:53:56
Und ich glaube, bei der Figur Tom sind wir uns alle einig.

Dann haben wir wohl einen guten Männergeschmack ;-)
Words are, in my not-so-humble opinion, our most inexhaustible source of magic. Capable of both inflicting injury, and remedying it - Albus Dumbledore

Im finst´ren Förenwald, da wohnt ein greiser Meister. Er ficht gar furchtlos kalt sogar noch feiste Geister.
(aus "ES" von Stephen King)

Fiktion ist wie ein Spinnennetz, das, auch wenn nur vielleicht ganz leicht, an allen vier Ecke des Lebens befestigt ist.
- Virginia Woolf

SilkeS.

Meine Meinung zu  Stay Away from Gretchen

Aufmerksam wurde ich durch die Besprechung von Esme, später wurde es dann in der ,,Bestsellerchallenge" bei meinem Lieblingspodcast ,,eat.Read.sleep" gelesen und in der nächsten Folge besprochen. Ich setzte es gleich ein paar Punkte höher in meiner Wunschliste

Das Buch las sich ja absolut fantastisch es hat einen von Anfang an gepackt und man konnte es nur schwer zu Seite legen. Ich habe die etwas mehr als 500 Seiten in drei Tagen gelesen, genauer gesagt die zweiten Hälfte an einem Tag!
Die Charakter die total realistisch und authentisch in den Plot eingepflegt und passend zu der Geschichte ausgearbeitet.  Ich mußte schmulzen, denn gerade die Szene mit dem Autohändler der Toms Mutter einfachmal ein hochmotorisiertes schnelle Cabriolet verkauft, kam mir leider sehr bekannt vor...
Tom fiel jedoch etwas aus der Rolle, zu ihm habe ich keinerlei Verbindung aufbauen können, ich fand sein Verhalten seiner Mutter gegenüber kaltschnäuzig und arrogant und ich wunderte mich, dass er nicht vorher mitbekommen hat, dass sie vergesslicher wurde. Demenz ist ja eher ein schleichender Prozess und es ist nicht so, dass es von heute auf morgen radikal auftritt.
Aber meist ist es eben EIN Ereignis, wie eben in diesem Fall die Fahrt mit dem Auto und von der Polizei aufgegriffen zu werden, die es dann unübersehbar machen.
Sein ,,Schockzustand" nach der Diagnose konnte ich absolut nachvollziehen, weil ich eben sowas ähnliches im familiären auch erlebt habe und weiß, was es bedeutet neben einem Job noch krankheitsbedingte Bürokratie und Regelungen zu treffen.
Gut gefallen hat mir aber auch, das Tom der Journalist bleibt und hat er einmal eine Story gewittert sich reinbeißt, recherchiert, nachforscht und Dinge aufdeckt. Jedoch passte auch hier im Verlauf der Geschichte seine Gefühlswelt nicht. Ich habe  ihm das ,,vererbte" Trauma nicht abgenommen. Er war zu egoistisch zu selbstverliebt zu sehr eigenbrötlerisch, dass er plötzlich verstehen konnte, was eine Mutter fühlt, wenn man ihr das Kind wegnimmt. Woher soll er da verstehen. Er hatte keine Kinder, er hat(te) keine Geschwister und alles hat sich immer nur um ihn gedreht. Er musste nie auf irgendjemand Rücksicht nehmen. 
Daher kann ich sagen, dass mir das Ende generell zu weichgespült, zu sehr ,,heile" Welt, etwas zu ,,overthetop" fand, aber damit habe ich im Laufe der Geschichte gerechnet.
Trotz allem habe er hat die Autorin eine tolle, bis zum Ende spannende Geschichte erzählt, die mir gerade, weil sie bei mir um die Ecke spielt, tolle Dinge gelernt, offenbart, zu verstehen gegeben. Und das liebe ich an Büchern, wenn man unterhalten wird und dabei lernt.

Raffiniert fand ich an dem Plot  eben eine Gegenwart-Handlungsstrangs-Zeit zu wählen, die wir LeserInnen hautnah miterlebt haben, nämlich den Flüchtlingsstrom im Jahr 2015. Man kam an dem Thema nicht vorbei, sei's im Fernsehen/Radio oder eben auch vor der eigenen Haustür, im eigenen Ort etc. Man fühlte mit den Leuten mit, erlebt ihr Leid, ihr Elend, ihre Ängste sehr nah, näher als wenn die Großeltern oder Eltern von Flucht, Hunger, Nahrungsmittelknappheit berichteten.

Dadurch wird das Thema vertrieben werden, Flucht, und das Elend was eben die ältere Generation, die eigenen Großeltern oder sogar Eltern mitgemacht haben besonders verständlich und nachvollziehbar transportiert. Schon alleine wegen der Eingängigkeit durch den Bezug zum "kürzlich selbst erlebten", macht es das Lesen zu dem Buch zu was besonders intensiven.

Note 2 [note2]
(Abzüge wegen Tom und dem Ende)


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Mein Blog - Kommtar erwünscht

Christiane

Zitat von: SilkeS. in 18. Februar 2022, 10:50:37
Raffiniert fand ich an dem Plot  eben eine Gegenwart-Handlungsstrangs-Zeit zu wählen, die wir LeserInnen hautnah miterlebt haben, nämlich den Flüchtlingsstrom im Jahr 2015. Man kam an dem Thema nicht vorbei, sei's im Fernsehen/Radio oder eben auch vor der eigenen Haustür, im eigenen Ort etc. Man fühlte mit den Leuten mit, erlebt ihr Leid, ihr Elend, ihre Ängste sehr nah, näher als wenn die Großeltern oder Eltern von Flucht, Hunger, Nahrungsmittelknappheit berichteten.

Dadurch wird das Thema vertrieben werden, Flucht, und das Elend was eben die ältere Generation, die eigenen Großeltern oder sogar Eltern mitgemacht haben besonders verständlich und nachvollziehbar transportiert. Schon alleine wegen der Eingängigkeit durch den Bezug zum "kürzlich selbst erlebten", macht es das Lesen zu dem Buch zu was besonders intensiven.

Ich hab das Buch ja (noch) nicht gelesen, aber diesen Gedanken, den Du hier ausführst, fand ich gerade sehr spannend. Denn ich hab es genau umgekehrt schon oft gedacht: Als 2015 so viele Flüchtlinge zu uns kamen, gab (und gibt) es ja auch viele Leute, die vor allem Angst um ihre eigenen Pfründe hatten (haben). Die die Menschen am liebsten nicht rein lassen, bzw. wieder wegschicken wollen.
Da denke ich oft, dass sie sich mal überlegen sollten, dass so viele Menschen hierzulande vor gar nicht so langer Zeit so sehr auf Hilfe angewiesen waren. Dass vielleicht ihre eigene Familie, ihre Großeltern selbst Flüchtlinge waren. Dass es sie vielleicht nur gibt, weil es damals Menschen gab, die ihren Vorfahren geholfen haben. Ich wünsche mir immer, dass die Leute aus dieser eigenen Vergangenheit dann vielleicht ein wenig mehr Empathie für die Flüchtlinge unserer heutigen Zeit aufbringen können.
Staunt euch die Augen aus dem Kopf, lebt, als würdet ihr in zehn Sekunden tot umfallen. Bereist die Welt. Sie ist fantastischer als jeder Traum, der in einer Fabrik hergestellt wird.
Ray Bradbury (1920 - 2012)

SilkeS.

Zitat von: Christiane in 18. Februar 2022, 11:00:15
Zitat von: SilkeS. in 18. Februar 2022, 10:50:37
Raffiniert fand ich an dem Plot  eben eine Gegenwart-Handlungsstrangs-Zeit zu wählen, die wir LeserInnen hautnah miterlebt haben, nämlich den Flüchtlingsstrom im Jahr 2015. Man kam an dem Thema nicht vorbei, sei's im Fernsehen/Radio oder eben auch vor der eigenen Haustür, im eigenen Ort etc. Man fühlte mit den Leuten mit, erlebt ihr Leid, ihr Elend, ihre Ängste sehr nah, näher als wenn die Großeltern oder Eltern von Flucht, Hunger, Nahrungsmittelknappheit berichteten.

Dadurch wird das Thema vertrieben werden, Flucht, und das Elend was eben die ältere Generation, die eigenen Großeltern oder sogar Eltern mitgemacht haben besonders verständlich und nachvollziehbar transportiert. Schon alleine wegen der Eingängigkeit durch den Bezug zum "kürzlich selbst erlebten", macht es das Lesen zu dem Buch zu was besonders intensiven.

Ich hab das Buch ja (noch) nicht gelesen, aber diesen Gedanken, den Du hier ausführst, fand ich gerade sehr spannend. Denn ich hab es genau umgekehrt schon oft gedacht: Als 2015 so viele Flüchtlinge zu uns kamen, gab (und gibt) es ja auch viele Leute, die vor allem Angst um ihre eigenen Pfründe hatten (haben). Die die Menschen am liebsten nicht rein lassen, bzw. wieder wegschicken wollen.
Da denke ich oft, dass sie sich mal überlegen sollten, dass so viele Menschen hierzulande vor gar nicht so langer Zeit so sehr auf Hilfe angewiesen waren. Dass vielleicht ihre eigene Familie, ihre Großeltern selbst Flüchtlinge waren. Dass es sie vielleicht nur gibt, weil es damals Menschen gab, die ihren Vorfahren geholfen haben. Ich wünsche mir immer, dass die Leute aus dieser eigenen Vergangenheit dann vielleicht ein wenig mehr Empathie für die Flüchtlinge unserer heutigen Zeit aufbringen können.

Ja, Christiane, genau das habe ich eben auch gedacht, beim Lesen.
Ich konnte für Geschichte meiner Oma viel besser nachvollziehen und greifen, nachdem ich eben als Erwachsene mit den Schicksalen von den Flüchtlingen 2015 in Berührung kam.
Der Mann meiner Mutter ist ja auch vertrieben worden und der dachte dann eben an seine Erlebnisse und erzählte dann auch "wir hatten auch ncihts", "wir mußten auch gucken wie er klar kam" , "uns hat man auch keine Wohung/Geld etc" zur Verfügung gestellt.

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Christiane

Aus den Erzählungen meiner Eltern hatte ich immer den Eindruck, dass man halt so gut die Umstände es zuließen für die damaligen Flücktlinge gesorgt hat. Wohnraum war wegen der Bombenangriffe rares Gut. Deshalb konnte man keine 'eigenen Wohnungen' verteilen. Aber die Leute wurden dann eben bei anderen Leuten 'zwangseinquartiert'. Stell Dir das mal heute vor: Da kommt jemand von den Behörden und erklärt Dir, dass ab morgen in Deiner Wohnung noch eine syrische Familie mit drei kleinen Kindern wohnt, weil ihr für zwei Personen doch soundsoviel Zimmer/qm habt  :umfall:. Da wäre postwendend die Hölle los!
Staunt euch die Augen aus dem Kopf, lebt, als würdet ihr in zehn Sekunden tot umfallen. Bereist die Welt. Sie ist fantastischer als jeder Traum, der in einer Fabrik hergestellt wird.
Ray Bradbury (1920 - 2012)

Tara

Ich glaube diesen Paragraphen zur Zwangseinquartierung gibt es immer noch. Da haben sich 2015 die Leute empört, dass die Regierung "einfach so, so ein Gesetz beschlossen" hat. Mein Opa meinte da, dass es das schon immer gibt und nicht erst neu für die Flüchtlingskrise in 2015 geschaffen wurde.
Aber ich hab mich nicht genauer dazu informiert und weiss nicht wo das im Gesetz steht bzw. stehen soll.
Sometimes you just need to lay on the couch and read for a couple of years.

With freedom, books, flowers and the moon, who could not be happy? Oscar Wilde