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Sachbücher => Rezensionen => Thema gestartet von: Peter Waldbauer in 22. September 2017, 00:06:39

Titel: Paul Brandenburg – Kliniken und Nebenwirkungen
Beitrag von: Peter Waldbauer in 22. September 2017, 00:06:39
Klasse!

Dr. Brandenburg ist Notfallmediziner. Genauso schreibt er auch. Das Wesentliche schnell auf den Punkt gebracht; die nackte Kerninformation ist es, die zählt. Es werden nicht alle möglichen Gegen-Standpunkte ausdifferenziert, sich nicht nach allen Seiten umständlich abgesichert (einerseits...andererseits). Dies ist keine wissenschaftliche Studie, kein akademischer Schreibstil.
Nein, Dr. Brandenburg hat zu allen Themen im Buch eine klare Meinung und die äußert er unmißverständlich. Dabei mag einiges unter den Tisch fallen, mancher manches vermissen. Es ist das Recht des Autors aus seiner eigenen Erfahrung zu schöpfen. Quellen müssen vor allem von Journalisten benannt werden können, die sich von außen (als "Fremde") einem Thema nähern.

Fünf wichtige Kapitel im Buch sind: die Frage der KV (privat oder gesetzlich?), das Abrechnungssystem der Krankenhäuser (Fallpauschale), die Notaufnahme, mögliche Behandlungsfehler und die Frage, inwieweit der Patient selbst dazu beiträgt das Gesundheitssystem zu überlasten (ungesunde Lebensweise). Hier erfährt der Leser Erhellendes, Wichtiges und Neues.
Auf Unmut (vor allem bei Chefärzten) dürfte Brandenburg mit seinem Kapitel 43 stoßen (Warum wehren Ärzte sich nicht gegen die Zustände im Krankenhausbetrieb?). Zitat: "In Deutschland gibt`s in der Frühbesprechung prinzipiell einen Glassplittereinlauf".

Formulieren und schreiben kann der Autor auch. Beispielsweise: "Wie der Kommunismus scheitert aber auch die DRG-Theorie an der menschlichen Natur..."(S. 52).
Am deutlichsten zeigt er dies im letzten Kapitel seines Buches ("Sterben müssen"). Sehr berührend sind seine Erfahrungen mit dem Tod. Gegen Ende des Buches heisst es metaphorisch:
"Manchmal wartet man lange auf ihn und atmet auf, wenn er endlich da ist.
Manchmal sieht man ihn gar nicht ins Zimmer kommen, auch wenn man die Tür genau bewacht."
Und der Autor bietet Trost:
"Den Weg des Sterbens müssen Sie nicht allein gehen, egal wie lang er sich ziehen mag. Nur den allerletzten Schritt, aber der ist ganz kurz."
Und dann die Schlußzeile: "Sie gehen nur vor. Wir anderen folgen Ihnen sehr bald."