Sam Savage - Firmin. Ein Rattenleben

Begonnen von Nerolaan, 15. April 2020, 20:11:38

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

Nerolaan

Firmin
Autor: Sam Savage
Genre: Belletristik

Taschenbuch: 181 Seiten
Verlag: Orion Books
ISBN-13: 978-0753823392

Du bist, was du isst

Der Ort von Firmin Geburt ist ein enormes Omen, ein Wegweiser für sein ganzes Leben: seine Mutter, ihres Zeichen eine Ratte, bekommt ihre Kinder in einer regnerischen Nacht in einer dunklen Ecke einer Buchhandlung. Firmin ist dabei das Nethäkchen des Wurfs. Doch das alleine reicht noch nicht: durch das Essen von Buchseiten entwickelt er eine Gabe: er lernt lesen. Bald schon kennt er alle Romane von A bis Z. Dabei gilt vor allem ein Grundsatz: schmecken die Seiten eines Romans gut, ist dieser auch inhaltlich ein Schmankerl.


Lange hing der Roman auf meinem SuB, nachdem er damals als einer der ersten Romane bei vorablesen auftauchte. Die ersten Rezensionen damals waren gut, daher kaufte ich ihn dann. Nach dem Lesen habe ich einige andere Rezensionen gelesen und es scheint so, dass es zwei Lager gibt: entweder man mag es oder man mag es nicht.

Ich tendiere tatsächlich als eine der wenigen eher zur Mitte. Der Roman hat seine Schwächen, als auch seine Stärken.


Als lesende Ratte möchte man seinem Leser offensichtlich gerne zeigen, was man so kennt. Und so beginnt der Roman mit einer recht langen Anschauung darüber, wie schwierig es ist einen Roman zu beginnen. Dabei werden diverse Buchanfänge zitiert, die recht berühmt sind, aber es macht den Einstieg mehr als holprig, weil es eben sehr gezwungen ist.
Wenn der Leser den Anfang erstmal erfolgreich geschafft hat, kann man in Firmins Welt eintauchen. Dabei ist der lockere Schreibstil des Autors auch sehr hilfreich, der an einigen Stellen sogar humöros daher kommt. Und jetzt wirken eingeflochtene Zitate aus anderen Werken auch nicht mehr gestellt und fügen sich wunderbar in die Erzählung ein. Sehr gut gefallen hat mir auch die Leseransprache: Firmin spricht seine Leser immer wieder aktiv an und versucht sie so zum Teil seiner Geschichte zu machen.
Firmin selbst ist eine eher melancholisch, depressive Rache. Leider war es mir häufig nicht möglich eine Beziehung zu ihm aufzubauen. Massiv gestört hat mich jedoch, dass er auf seinen vermeintlichen Fehlern so herumreitet; sowas muss nicht alle zwei Seiten wiederholt werden. Es gabe sogar eine Stelle – ziemlich zu Beginn – die mich den Roman sogar fast abbrechen ließ:

Spoiler
Firmin beschreibt, dass er menschliche Frauen sexuell erregend findet.Das war mir kurzfristig etwas too much
[Schließen]

Was mich trotz der genannten Schwächen mit dem Buch versöhnt ist Firmins größter Wunsch, seine größte Sehnsucht: mit den Menschen zu kommunizieren. Und wie sehr er darunter leidet, dass er diese Sehnsucht nicht erfüllen kann. Ich glaube, der Wunsch sich anderen zu offenbaren, sich ihnen anzuvertrauen ist jedem zueigen und ich glaube, viele sind unglücklich, weil auch sie es nicht schaffen mit jemanden zu kommunizieren – wie Firmin.

Firmin ist ein netter Happen für Zwischendurch. Leider denke ich, wird er nicht lange im Gedächtnis bleiben.

[note4+]