Yaa Gyasi - Heimkehren

Begonnen von Inge78, 12. Februar 2021, 09:29:39

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Inge78

ZitatObwohl Effia und Esi Schwestern sind, lernen sie sich nie kennen, denn ihre Lebenswege verlaufen von Anfang an getrennt. Im Ghana des 18. Jahrhunderts heiratet Effia einen Engländer, der im Sklavenhandel zu Reichtum und Macht gelangt. Esi dagegen wird als Sklavin nach Amerika verkauft. Während Effias Nachkommen über Jahrhunderte Opfer oder Profiteure des Sklavenhandels werden, kämpfen Esis Kinder und Kindeskinder ums Überleben: auf den Plantagen der Südstaaten, während des Amerikanischen Bürgerkrieges, der Großen Migration, in den Kohleminen Alabamas und dann, im 20. Jahrhundert, in den Jazzclubs und Drogenhäusern Harlems. Hat die vorerst letzte Generation schließlich die Chance, einen Platz in der Gesellschaft zu finden, den sie Heimat nennen kann und wo man nicht als Menschen zweiter Klasse angesehen wird?
Mit einer enormen erzählerischen Kraft zeichnet Yaa Gyasi die Wege der Frauen und ihrer Nachkommen über Generationen bis in die Gegenwart hinein. ›Heimkehren‹ ist ein bewegendes Stück Literatur von beeindruckender politischer Aktualität.

Die Geschichte der Sklaverei, erzählt über eine Spanne von ca. 250 Jahren. Eine Mutter, zwei Schwestern, die unterschiedlicher ihr Leben nicht hätten leben können.
Das Schicksal ihrer Nachkommen, in Ghana und in Amerika. Frauen und Männern, die bis heute unter Rassimus leiden.

Yaa Gyasi schafft ein beeindruckendes Stück Literatur, dass sehr bildgewaltig die Brutalität der Sklaverei erzählt. Wir bekommen kurze Einblicke in die Leben zweier Familienzweige, die in der einen oder anderen Form ihr Glück finden oder untergehen. Das ist unglaublich stark erzählt, ist aber oft eine sehr bedrückende Geschichte mit wenig Hoffnung.
Die Autorin hat eine unglaublich gute, eindringliche Erzählsprache, die wunderbar poetische Momente erzeugt. Ich liebe sie für ihre wunderschöne Sprache.
Die Geschichten der verschiedenen Charaktere sind sehr intensiv erzählt aber leider eben nur immer kurze Einblicke in die verschiedenen Leben. Da hätte ich mir oft mehr Tiefe gewünscht. Auch sind mir die Personen recht unterschiedlich nahe gekommen, an einigen habe ich großen Anteil genommen, andere sind bei mir eher durchgefallen.
Ich denke, man muss das Buch als Gesamtwerk sehen, als eine Geschichte über die Sklaverei anhand einiger sehr eindringlicher Beispiele. Mir hat sehr gefallen, dass sowohl die Seite von Ghana beleuchtet wird, als auch die in Amerika.

Ein wichtiges Buch, was sicherlich noch lange nachhallen wird, was aber durchaus 200 Seiten mehr hätte haben dürfen.

Mit der Bewertung tue ich mich schwer, es ist kein 5 Sterne Highlight Buch, weil ich einfach das Gefühl hatte, mir fehlt ab und an etwas. Aber ich finde es so beeindruckend, ich mache mir so viele Gedanken darum, ich habe es so intensiv in einer wirklich wundervollen Leserunde gelesen und ich bin mir sicher, es wird auch ein Buch sein, an das ich mich mein Leben lang erinnern werde.

Von daher gibt es eine 2+

[note2+]

Words are, in my not-so-humble opinion, our most inexhaustible source of magic. Capable of both inflicting injury, and remedying it - Albus Dumbledore

Im finst´ren Förenwald, da wohnt ein greiser Meister. Er ficht gar furchtlos kalt sogar noch feiste Geister.
(aus "ES" von Stephen King)

Fiktion ist wie ein Spinnennetz, das, auch wenn nur vielleicht ganz leicht, an allen vier Ecke des Lebens befestigt ist.
- Virginia Woolf

Kathrin

Tolle Rezi. spiegelt ziemlich gut meine Meinung wieder. Nichtsdestotrotz werde auch ich demnächst noch eine Rezi schreiben.
Rock the Night!

Kathrin

Und hier jetzt endlich auch meine Meinung zu diesem tollen Buch:

,,Zwei Völker, zwei Äste, die aus demselben Stamm wuchsen." Dies war einer der ersten von vielen Sätzen, die ich mit in Yaa Gyasis Roman ,,Heimkehren" notiert habe. Auch wenn sich der Satz im Buch selbst auf die beiden Akan-Stämme Fante und Asante bezieht, so passt er doch auch zu der Geschichte, die die in Ghana geborene und in den USA aufgewachsene Schriftstellerin, in ihrem Debut-Roman erzählt, die Geschichte von Effia und Esi, zweier Schwestern und deren Nachkommen über einen Zeitraum von insgesamt 250 Jahren. Effia und Esi sind Halbschwestern mit der gleichen Mutter, haben sich aber nie kennengelernt, da die Mutter ihre Tochter und deren Vater kurz nach Effias Geburt verlassen hat. Während Effia in Ghana des 18. Jahrhunderts einen Engländer heiratet, der mit Sklavenhandel zu Geld kommt, wird Esi als Sklavin nach Amerika verkauft. Entsprechend unterschiedlich entwickeln sich die Familienzweige der Schwestern.

Ich hatte im Vorfeld viel gutes über das Buch gehört und war entsprechend neugierig, wie die Autorin die 250-jährige Geschichte der beiden Familien auf gerade mal 413 Seiten erzählen würde, denn eigentlich sollten doch nicht einmal 800 Seiten reichen, für so einen langen Zeitraum. Sie schafft dies dennoch, in dem sie von Kapitel zu Kapitel zwischen den beiden Familienzweigen wechselt und dabei innerhalb der Erzählsträngen von Kapitel zu Kapitel in die nächste Generation wechselt. Und das macht sie großartig, denn nicht hätte ich gedacht, dass 30-40 Seiten ausreichen, um ein Leben zu erzählen und es ist genial gemacht, wie sie den Bogen von der Mitte des 18. Jahrhunderts in unsere Zeit spannt. So ganz reichen mir diese Seiten aber letztlich dennoch nicht, zumindest nicht immer, denn es gab den ein oder anderen Charakter den ich gerne länger und intensiver begleitet hätte, als Yaa Gyasi mir ermöglicht hat. Einige der Geschichten sind für mich nicht zu Ende erzählt. Das ist definitiv eine Erzählart, die man mögen, auf die man sich einlassen muss.

Der wunderbare Schreibstil der Autorin hat mich von Anfang an in seinen Bann gezogen. Sie verwendet eine grandios kraftvolle, bildreiche Sprache und schafft damit viel Atmosphäre, auch wenn dadurch die Grausamkeit, die Brutalität, das Menschenverachtende der Geschichte meist noch schwerer zu ertragen war. Selbst wenn die Autorin auf gewisse Details verzichtet, bzw. nicht so auserzählt, wie es vielleicht andere Autor*innen ausgeschlachtet hätten, so gab es auch hier genügend Szenen, die mich total zerstört haben. Aber es gab eben auch ganz wundervolle, starke, kraftvolle Szenen und Figuren, die ich mein Leben lang nicht vergessen werde, wie zum Beispiel die Geburt von Esis Tochter Ness, bei der der Leser zwar auch nicht ,,live" dabei ist, sondern sie im Nachgang über gerade mal 14 Zeilen ,,nur" erzählt bekommen. Aber was habe ich das Buch und auch Esi in diesem Moment gefeiert! Generell gibt es einige grandiose, starke Protagonist*innen in diesem Buch, allerdings war auch schnell klar, dass aufgrund der Fülle der Protagonisten über die Generationen hinweg, einem nicht jeder Charakter gleich nah kommt, gleich gut liegt. Aber das passt auch zu einem Episodenroman mit vielen unterschiedlichen Charakteren, denn zum eigenen Verwandten- und Bekanntenkreis hat man ja auch unterschiedlich enge Bindungen.

Alles in allem muss ich sagen, dass das Buch im zweiten Teil für mich etwas nachgelassen hat und mir außerdem der amerikanische Familienzweig etwas mehr gelegen hat, als der afrikanische. Dies liegt aber wohl hauptsächlich daran, dass mir die afrikanische Kultur deutlich fremder ist, als  die amerikanische Kultur und Geschichte. Aber das ist Meckern auf hohem Niveau, genau wie ich mir ab und an mehr Jahreszahlen gewünscht hätte. In der Zeit bin ich ab und zu etwas geschwommen, wie auch teilweise bei der Zuordnung der Protagonisten, auch wenn es dafür hinten im Buch einen Stammbaum gibt, den ich oft zu Rate gezogen habe. Auch das Ende lässt mich zwigespalten zurück. Auf der einen Seite mag ich es, wie sie den Bogen gespannt hat und die Geschichte zu Ende gebracht hat, aber sie in meinen Augen auch haarscharf am Kitsch vorbei geschrappt. Glücklicherweise hat sie die Kurve noch gekriegt und auch hier nicht alles auserzählt, so dass sich jeder Leser das Ende so zurechtlegen kann, wie es für einen selbst am besten ist.

Alles in allem ist das Buch aber auf jeden Fall eine große Leseempfehlung und ich freue mich auch weitere Werke von Yaa Gyasi, die hoffentlich bald erscheinen werden.

Bewertung:
[note2+]
Rock the Night!

Christiane

Na, das klingt ja auf jeden Fall nach einem 'Muss' für dies Lesejahr. Wieder ein Buch mehr auf meiner Wunschliste  :rollen:.
Staunt euch die Augen aus dem Kopf, lebt, als würdet ihr in zehn Sekunden tot umfallen. Bereist die Welt. Sie ist fantastischer als jeder Traum, der in einer Fabrik hergestellt wird.
Ray Bradbury (1920 - 2012)

Esmeralda

"Heimkehren" ist ein sehr bewegendes Buch mit leider - nach wie vor - politischer Aktualität, da es das oft menschenunwürdige und benachteiligte Leben der Farbigen sowie den rassistischen Alltag aufzeigt.

Es beginnt mit einer Mutter und zwei Töchtern, die sich nie kennenlernen und die Zukunft vieler Nachkommen, die wir bis ins heutige Amerika begleiten.
Erzählt wird die Entwicklung über acht Generationen hinweg - beginnend im 18. Jahrhundert bis in die Jetztzeit.
Jedem Nachkommen wird ein Kapitel gewidmet, in dem sein Leben erzählt wird.

Mir hat das Buch sehr gut gefallen. Es ist zwar ein bedrückendes, aber auch wichtiges Buch, welches Einblicke in das schreckliche Geschäft des Sklavenhandels und die afrikanische Kultur gibt.

[note2]
Life is too short to read bad books.