Dörte Hansen: Zur See

Begonnen von Kathrin, 28. Dezember 2022, 14:21:57

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Kathrin

Zur See von Dörte Hansen
Herausgeber ‏ : ‎ Penguin Verlag;
Gebundene Ausgabe ‏ : ‎ 256 Seiten
ISBN-10 ‏ : ‎ 332860222

Inhalt:
ie Fähre braucht vom Festland eine Stunde auf die kleine Nordseeinsel, manchmal länger, je nach Wellengang. Hier lebt in einem der zwei Dörfer seit fast 300 Jahren die Familie Sander. Drei Kinder hat Hanne großgezogen, ihr Mann hat die Familie und die Seefahrt aufgegeben. Nun hat ihr Ältester sein Kapitänspatent verloren, ist gequält von Ahnungen und Flutstatistiken und wartet auf den schwersten aller Stürme. Tochter Eske, die im Seniorenheim Seeleute und Witwen pflegt, fürchtet die Touristenströme mehr als das Wasser, weil mit ihnen die Inselkultur längst zur Folklore verkommt. Nur Henrik, der Jüngste, ist mit sich im Reinen. Er ist der erste Mann in der Familie, den es nie auf ein Schiff gezogen hat, nur immer an den Strand, wo er Treibgut sammelt. Im Laufe eines Jahres verändert sich das Leben der Familie Sander von Grund auf, erst kaum spürbar, dann mit voller Wucht

Meine Meinung:
,,Der Glaube ist ein krankes Kind, die Liebe ist ein Biest. Die Hoffnung ist nicht tot zu kriegen."

Mit ihrem neuen Roman ,,Zur See" hat mich die Autorin Dörte Hansen wieder von der ersten Seite an in ihren Bann gezogen. Es ist eine grandios erzählte Geschichte über die Seefahrer-Familie Sander, deren Heimat-Insel und Bewohner und einem Inselpastor, der an Pastoritis leidet.

Bereits mit dem ersten Kapitel, in dem ,,lediglich" zwei der Hauptfiguren aus der Familie Sander vorgestellt werden, war für mich klar, dass dieses Buch genau das ist, was ich zur Zeit lesen will und genießen kann. Ein ruhig erzähltes Buch mit wenigen Dialoge und wenig Handlung, aber mit großer Wärme erzählt und mit Charakteren, die im Kopf bleiben, die man nicht vergessen wird, weil sie so lebensnah und echt wirken, so bärbeißig, wortkarg und ungehobelt, verschroben sie auch sein mögen. Das ist kein Buch mit strahlenden Helden, sondern eins mit verkrachten Persönlichkeiten, denen allerdings – im Vergleich zu ,,Mittagsstunde" und ,,Altes Land" (vermutlich mit purer Absicht) – ein wenig der besondere Charme fehlte, den ich bei Sönke oder Vera so geliebt habe.

,,Zur See" ist anders als die anderen Bücher der Autorin, deutlich ruhiger, ähnlich wortkarg und rau wie die See und die Inselbewohner. Es ist keine einfache Geschichte, es passieren Dinge, die tief traurig, tragisch oder auch erschreckend sind, Dinge von denen man nicht lesen will und glücklicherweise auch nicht in aller Detailtiefe lesen muss. Wie für ihre Figuren findet die Autorin für diese Situationen genau die richtigen Worte ohne pathetisch oder gar kitschig zu werden. Sie fängt Situationen, Menschen, Menschenschläge, Gefühle – das Leben - so unfassbar gut ein, schreibt wunderbar atmosphärisch, mit kraftvollen Bildern und so echt. Ich hatte als Leserin permanent das Gefühl, dass die Autorin ihre Worte mit großer Sorgfalt wählt und sich lieber etwas mehr Zeit lässt, um diese 255 Seiten zu schreiben. Das bedeutet allerdings für mich als Leserin, dass ich viel Geduld aufbringen muss, bis es neues Lesefutter von Dörte Hansen gibt.

Auch wenn ,,Zur See" in meinen Augen nicht ganz mit ,,Mittagsstunde" und ,,Altes Land" mithalten kann, hat sich jedes Wort, das ich hier lesen durfte gelohnt. Leseempfehlung! 

Bewertung:
 :Box1:  :Box1:  :Box1:  :Box1:  :Box1:   :Box_halbgrau1:
Rock the Night!

Annette B.

Danke für deine Eindrücke Kathrin.  :schmusen:

Diese Eindrücke klingen so, als ob mir das Buch gefallen könnte.
Grade wegen dieser wortkargen Menschen, die es eben an der Küste tatsächlich gibt und die lieber handeln als reden.
Ihre Handlungen sagen oft mehr als tausend Worte.

Liebe Grüße Annette