[18 Jh./Portugal] Die Jesuitin von Lissabon - Titus Müller

Begonnen von nirak, 30. Mai 2010, 11:26:19

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nirak

[isbn]978-3-352-00782-8[/isbn]

Die Jesuitin von Lissabon

Buchrückentext

Lissabon, 1755: Die Jesuiten halten Portugal in ihrem bann. Doch ein apokalyptisches Erdbeben erschüttert ihre Macht. Antero Moreica de Mendonca kann den grausamen Orden vernichten. Er hofft auf die Hilfe der deutschen Kaufmannstochter Leonor. Doch diese ist – Jesuitin.

Die packende Geschichte über eine gefährliche Liebe und eine Naturkatastrophe, die die Welt verändert.

Meine Meinung

Die Jesuitin von Lissabon ist mein erster Roman den ich von Titus Müller gelesen habe, dieser Autor war mir bis dato unbekannt. Ein Fehler, wie sich jetzt herausgestellt hat.

Hatte ich am Anfang auch etwas Schwierigkeiten, mich in die Geschichte einzufinden, hat sich das von Kapitel zu Kapitel gelegt und damit geendet, das ich dieses Buch nicht mehr aus der Hand legen konnte. Der Schreibstil ist schön flüssig, jedenfalls, wenn man sich erstmal an die Fremdklingenden Namen gewöhnt hat. Dann aber kann man es gut so weglesen.

Erzählt wird die Geschichte des Erdbebens von Lissabon von vor 250 Jahren, und das so glaubwürdig, das man das Gefühl hatte dabei zu sein.
Der Autor hat dieses geschichtliche Ereignis in eine glaubwürdige fiktive Handlung gebettet.
Antero, ein Schmuggler führt uns glaubwürdig durch Lissabon und bringt uns eindrucksvoll die politischen und religiösen Gegebenheiten  näher. Durch ihn erfahren wir viel über die Handlungsweisen der  Jesuiten und ihre politischen Gegner.
Wir erleben die Hilflosigkeit angesichts einer so großen Katastrophe und wie ein einzelner Mann, nämlich der Primieminister Sebastian de Carvalho versucht der Lage Herr zu werden.
Sehr Eindrucksvoll war die Schilderung der Jesuiten und insbesondere Gabriel Malagridas, der zu dieser  Zeit der Wortführer der Jesuiten war. Es hat mich schon beeindruckt, wie ein einzelner Mann im Namen Gottes die Leute so aufwiegeln konnte und wie jeder den Blick für die Realität verlor. Statt sich über Brot zu freuen, dass im Auftrag des Primieminsters verteilt wurde, glaubte man dem Jesuiten, dass das Beben eine Strafe Gottes war und beschimpfte den Minister aufs übelste. Auch der König half nicht wirklich er gab zwar die Genehmigungen aus die gebraucht wurden, aber im wesentlichen war es ihm wichtiger, das sein Park wieder hergerichtet wurde und das er angemessen versorgt war. Dem Autor sind diese Schilderungen sehr gut gelungen

Die eigentliche Geschichte von Antero und Leonor ist hier so gut hineingepackt worden, das sie ohne weiteres als geschichtlich korrekte Personen durch gehen könnten.
Auch die eigentliche Liebesbeziehung zwischen Antero und Leonor ist so die Handlung hingepackt, das sie nicht im Geringsten aufdringlich wirkt.

Wirkt Leonor am Anfang noch sehr Oberflächlich und auf sich selbst bezogen, verändert sich ihre Sichtweise der Dinge, im Laufe der Handlung, zum positiven, jedenfalls habe ich es so empfunden. Es hat mir großen Spaß gemacht ihr bei dieser Wandlung zu zusehen. Zu erleben, wie durch die Ereignisse und durch die Verluste ihr nahe stehender Personen sich ihr Charakter verändert.
Auch war für mich sehr glaubwürdig, wie Antero versucht, das Entstehen eines Erdbebens zu erklären, und wie sein Gegenspieler Malagrida dagegen hielt.
Ich hätte mir allerdings gewünscht, dass der Autor sich ein wenig mehr Zeit gelassen hätte, und auf einige Episoden etwas genauer und ausführlicher eingegangen wäre. Manchmal hatte ich einfach das Gefühl, als fehlten ein Paar Seiten, jedenfalls in Bezug auf die Protagonisten.
Es gab einige Charaktere die gerne etwas ausführlicher hätten behandelt werden können.
So zum Beispiel die kleine Samira und ihr Hund Bento, die mir beide sehr viel Freude beim lesen bereitet haben.

Am Schluss des Buches befindet sich ein ausführliches Nachwort. Hier geht Titus Müller noch einmal auf die geschichtlichen Details ein. Der Leser erfährt einige weiter interessante Dinge über die Gegebenheiten Lissabons. Für mich war dieser Anhang ein abzulutes Plus, ich habe sehr viel über den Jesuitenorden und über Lissabon erfahren.

Man sollte diesen Anhang allerdings erst zum Schluss lesen und nicht schon im Vorhinein, da er doch sehr auf die Handlung im eigentlichen Buch eingeht und einiges verrät.
Auch befinden sich in diesem Anhang ein ausführliches Glossar und ein interessantes Interview mit dem Autor.
Das Glossar und die Hilfen zur korrekten Aussprache der spanischen Begriffe, hätte ich mir allerdings an den Anfang des Buches gewünscht, da ich sie nun erst am Ende gelesen habe, weil ich auf keinen Fall erst den Anhang lesen wollte. Auch hätte mir eine Karte Lissabons gut gefallen. So ein vorher nachher Vergleich wäre nicht schlecht gewesen.

Meine Bewertung: [note2+]

Kathrin

Meine Meinung:

"Die Jesuitin von Lissabon" war für mich in zweierlei Hinsicht etwas Neues: zum einen war es für mich das erste Buch von Titus Müller und zum anderen der erste historische Roman der in Portugal spielt. Die iberische Halbinsel hat mich nie sonderlich interessiert und ist für mich auch nicht unbedingt der bevorzugte Ort um Urlaub zu machen. Aber dieses Buch hat mich wirklich sehr neugierig auf das Land und vor allem auch auf seine Geschichte gemacht, wovon ich bislang wirklich gar nichts wusste.

"Die Jesuitin von Lissabon" erzählt die Geschichte von Leonor, einer jungen Frau aus adeligem Haus und von Antero, einem jungen Wissenschaftler und ehemaligen Sympathisanten der Jesuiten. Der Roman beginnt wenige Tage vor dem schrecklichen Erdbeben im November 1755, das Lissabon in Schutt und Asche legt. Der Schrecken des Erdbebens, seine Folgen, die Angst und Not der Einwohner der Stadt sind sehr gut wiedergegeben. Ich selbst habe die Angst verspüren können, ich habe es rund um mich herum rumpeln hören und spüren können, so dass ich wirklich froh bin, diese Katastrophe nicht miterlebt haben zu müssen. Wie viele Menschen haben mit diesem Erdbeben und dem anschließenden Tsunami ihre Existenz oder noch schlimmer ihr Leben verloren.

In all diesen Wirren und Schrecken kristallisieren sich für mich zwei Figuren heraus, die ich äußerst spannend und faszinierend finde:
Gabriel Malagrida: "Chef" der Jesuiten und Sebastian de Carvalho, Premierminister von Portugal, der in all diesem Chaos einigermaßen den Überblick behält und dem Lissabon den Neuanfang verdankt. Gerade über diese beiden historischen Persönlichkeiten, ihre Machenschaften, ihre Politik - auch wenn sie mir äußerst bzw. bisweilen unsympathisch waren - hätte ich gerne viel, viel mehr gelesen. Da war mir der Schwerpunkt auf Leonor und Antero fast zu stark. Wenn ich mir vorstelle, das Buch wäre doppelt so dick und die hist. Persönlichkeiten noch deutlicher herausgearbeitet, noch wichtiger (ähnlich einem John of Gaunt in Gablés "Das Lächeln der Fortuna"), dann hätte mir das Buch noch um einiges besser gefallen. Der Autor ist in seinem phantastisch (!) ausführlichen Nachwort sehr konkret auf sie gegangen. Es wird dadurch noch einmal mehr deutlich, was für interessante Persönlichkeiten sie waren und auch wie genau und gut der Autor recherchiert hat.

Der Stil des Autors hat mir gut gefallen, auch wenn mir einige Sätze doch oft zu kurz und abgehackt waren, der ein oder andere verschachtelte Satz hätte in meinen Augen gut getan. Zwar war das Buch dadurch sehr gut und schnell zu lesen und es passt auch irgendwie, da es die schlimme Zeit des Erdbebens atemlos widerspiegelt, aber es war mir fast zu einfach. Dennoch konnte Titus Müller mir mit einigen traumhaft schönen Sätzen, Ideen und Figuren - trotz all des Schreckens rund um die Katastrophe - immer wieder ein Lächeln auf das Gesicht zaubern. Gerade Samira (Anteros kleine Tochter) und ihr Hund Bento, dessen Gedanken wir auch von Zeit zu Zeit genießen durften,  fand ich allerliebst.

Die beiden Hauptfiguren waren mir grundsätzlich sympathisch, auch wenn ich zu Beginn mit Leonor so meine Schwierigkeiten hatte. Dafür wuchs sie mir mit der Zeit immer mehr ans Herz und es war wunderbar ihre Entwicklung miterleben zu dürfen. Antero war mir zwischenzeitlich kurz zu sehr der strahlende Held, allerdings hat sich das auch wieder gelegt, da er - genau wie Leonor - doch  auch sehr gebeutelt wurde.

Für mich ein gelungenes erstes Buch, das ich von Titus Müller gelesen hab. Ein ganz großes Lob gebührt dem Zusatzmaterial, das sehr ausführlich und informativ war. So etwas hätte ich gerne für jeden historischen Roman. Einzig ein Stadtplan von Lissabon vor der Zeit des Erdbebens hat mir persönlich gefehlt, aber das ist nur ein kleiner Kritikpunkt.

Bewertung:
[note2-]

lg
kathrin
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