[16. Jh, England] Der dunkle Thron - Rebecca Gablé

Begonnen von Kathrin, 06. Dezember 2011, 08:03:21

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Kathrin

[isbn]3431038409[/isbn] Verlag: Lübbe Ehrenwirth (September 2011)
ISBN: 3431038409
Seiten: 956
Ausgabe: Hardcover
Preis: € 24,99

Kurzbeschreibung:
London 1529: Nach dem Tod seines Vaters erbt der vierzehnjährige Nick of Waringham eine heruntergewirtschaftete Baronie und den unversöhnlichen Groll des Königs Henry VIII. Dieser will sich von der katholischen Kirche lossagen, um sich von der Königin scheiden zu lassen. Bald sind die Papisten, unter ihnen auch Henrys Tochter Mary, ihres Lebens nicht mehr sicher. Doch in den Wirren der Reformation setzen die Engländer ihre Hoffnungen auf Mary, und Nick schmiedet einen waghalsigen Plan, um die Prinzessin vor ihrem größten Feind zu beschützen: ihrem eigenen Vater.

Meine Meinung:
Endlich! Nach vier langen Jahren ist die erfolgreiche Autorin Rebecca Gablé mit ihrem neuesten Roman ,,Der dunkle Thron" wieder nach Waringham zurückgekehrt. Auch wenn sie seit dem Ende des dritten Romans ,,Das Spiel der Könige" einige Generationen übersprungen hat, so ist die Geschichte von Nick of Waringham und seiner Geschwister Laura und Ray auch für mich als Leserin eindeutig wieder wie ein Nach-Hause-Kommen. Allerdings versetzte mir der Beginn des Romans erst einmal einen kleinen Schock versetzte, denn der hässliche alte Kasten –der Wohnturm der Familie - ist zerstört und damit unbewohnbar und auch die Pferdezucht wirft nicht mehr den Gewinn früherer Tage ab. Beim ,,Anblick" des zerstörten Wohnturms sind mir die Tränen gekommen, denn dieser und vor allem das Zimmer über dem Rosengarten gehörten doch zu den Waringham wie die besondere Gabe im Umgang mit den Pferden, das Waringham-Schwert, die Familienbibel, das gefährlich-lose Mundwerk und die Treue zum Königshaus – auch wenn diese im aktuellen Roman nicht Henry VIII gilt.

Meine Sorgen um die Familie waren besonders groß, denn die Waringham sind in Ungnade gefallen, was relativ früh in der Gefangennahme von Jasper of Waringham, Nicks und Lauras Vater, gipfelt. Sein Abschied von der Familie hatte wahrlich etwas von dem Gang auf's Schaffott. Und auch wenn wir Jasper kaum kannten, so bin ich über seinen Tod und das intrigante Spiel, dass mit ihm gespielt wurde, doch zutiefst erschüttert. Mir war zwar klar, dass ich solche Dinge von Henry VIII zu erwarten hatte, und auch wenn Jasper sich auf einem verdammt dünnen Eis bewegt hat, so finde ich es doch zutiefst erschreckend und angsteinflößend, zumal sein ältester Sohn Nick in seines Vaters Fußstapfen tritt, wenn auch vor allem dadurch, dass er Catalina von Aragon (Königin Nr. 1) und ihrer Tochter Mary zutiefst verbunden und treu ergeben ist.

Alles in allem habe ich mit Nick als Haupt-Figur des Romans einige Probleme. Zu Beginn hatte ich ihn noch trotz seiner sehr erwachsenen Art schnell ins Herz geschlossen, doch mit der Zeit kehrte sich dies in das genaue Gegenteil um und ich fing sogar an, ihn zu hassen. Der feine Lord ist dermaßen arrogant und fies seiner Frau gegenüber, das hat mich schier auf die Palme gebracht. Mag ja sein, dass er sie nicht aus Liebe geheiratet hat, aber wenn sie ihm so unerträglich ist, dann soll er auch aus ihrem Bett fernbleiben, Allerdings hat es irgendwie auch schon was, wenn ein Waringham auch mal so ein richtiger  Kotzbrocken sein kann. Ich kann mich auch irgendwann  wieder mit ihm aussöhnen, aber seine Frau hat nun mal all meine Sympathien und sein Verhalten ist einfach unter aller Sau! Nichtsdestotrotz ist und bleibt Nick ein typischer Waringham, den sein loses Mundwerk und seine Treue der ,,falschen" Person gegenüber immer wieder in höchste  Gefahr bringen. Dass da Aufenthalte im Tower vorprogrammiert sind, war klar und diese fand ich auch das Buch über sehr gut umgesetzt. Gerade sein Verhältnis zu seinen Mitgefangenenwar sehr faszinierend und spannend. Dennoch kann sein ,,Verhältnis" zu Thomas More oder Mary mit dem Verhältnis zwischen Robin und John of Gaunt oder John und Bischof Henry einfach nicht mithalten. Es gibt zwar auch zwischen Nick und Mary, oder zwischen Nick und Cranmer bzw. More tolle Dialoge, in die die Autorin wieder all ihre Kunst steckt, aber es ist lange nicht so intensiv wie in früheren Romanen. Ob es daran liegt, dass Mary eine Frau und noch dazu nicht wirklich im Zentrum der Macht ist?

Die übrigen Waringham kommen mir persönlich zu kurz. Laura und auch ihr Mann – ein Durham – sind mir zwar äußerst sympathisch und auch sie vertreten ihre eigene klare Meinung und Stellung, aber gerade Laura ist im Vergleich mit z.B. mit Blanche aus ,,Das Spiel der Könige" doch sehr blass. Leider ist auch der Weg des jüngeren Bruders Raymond von Anfang an vorprogrammiert, verfällt er doch bereits mit 5 Jahren seiner Cousine Catherine Howard. Da war ich doch sehr froh, dass mir Nicks Sohn Francis ein wahrer Sonnenschein auftritt und mein Herz im Sturm erobern konnte. Zudem finde ich es schade, dass auf diverse Zweige im Waringham-Stammbaum zwar Bezug genommen wird und auch alte befreundete Familien und Freundschaften wieder mit von der Partie sind, aber alles in allem kommen mir diese doch viel zu kurz. Dies gilt z.B. auch für den wunderbaren Madog, der seinem Urahn Owen sehr ähnlich ist, den aktuellen König der Diebe oder aber auch für den Herrn (Name wird nicht verraten), der auf Seite 889 ein kurzes Gastspiel hat. Ich habe mich über diese Figuren so sehr gefreut, aber um ihnen wirklich alles voll gerecht zu werden und die geliebten Anspielungen und Verwandtschaftsverhältnisse ausführlicher zu behandeln, hätte das Buch doppelt so dick sein müssen. Die Familie ist einfach zu fortpflanzungsfreudig (und das schon immer), denn selbst ich blicke bei den Verwandtschaftsverhältnissen kaum noch durch, wenn dann weit entfernte Cousins auftauchen. Auch fehlen mir einfach zu den  Generationen zwischen ,,Das Spiel der Könige" und ,,Der dunkle Thron" die Charaktere und Waringhamköpfe in meinem Kopfkino.

Wie immer ist der ist der historische Hintergrund bei Rebecca Gablé extrem gut und spannend dargestellt. Für mich ist es bei weitem nicht der erste Roman über die Regierungszeit von Henry VIII ist, und bei der Vielzahl der Personen rund um diesen König ist es meiner Meinung nach auch schwierig, sie alle so intensiv darzustellen, dass sie im Kopf des Lesers als historische Persönlichkeiten haften bleiben. Was Charlotte Lyne in ,,Die zwölfte Nacht" mit den Seymours, Cranmer und Catherine Parr gelang, gelingt Rebecca Gablé mit Thomas More, seiner Tochter Lady Meg und dem kaiserlichen Gesandten Chapuys. Diese Charaktere haben mich wesentlich mehr fasziniert als die ,,Königlichen", aber letztlich wird Henry VIII NIEMALS mein König sein. Ich kann mich mit ihm einfach nicht anfreunden, so spannend er als hist. Figur sein mag, aber das ist definitiv keine hist. Persönlichkeit, die ich gerne mal getroffen hätte. Vor ihm hätte ich viel zu viel Angst, dass er mich von einem Moment auf den nächsten einen Kopf kürzer macht. Nein, wirklich, vor ihm würde ich mich so klein wie nur irgend möglich machen und verstecken so gut wie es nur geht...oder weit, weit weglaufen. Nichtsdestotrotz kann man ihm seine enorme Präsenz nicht abstreiten, allein wenn er in Catalinas Räume poltert, Mary im Schlepptau, weil sie angeblich gelauscht hat...da bin ich steckensteif geworden und in die Hab-Acht-Stellung gegangen. Aber wow, ja, doch er hat definitiv eine starke Persönlichkeit. Insofern ist die Darstellung Henrys von Rebecca Gablé für mich absolut perfekt, denn es kommt schon rüber, dass sie ihn wohl genauso wenig leiden kann wie ich. Er ist und bleibt einfach ein Tyrann und seine Willkür, Kälte und Grausamkeit sind zum kotzen! Auch wenn mir von seinen sechs Ehefrauen aus einem anderen Roman eigentlich Ehefrau Nr. 3 und Nr. 6 die liebsten sind (,,Die zwölfte Nacht" und Charlotte Lyne sind ,,schuld"), so muss ich doch sagen, dass hier Anne Boleyn das schärfste Profil hat. Sie hat ähnlich wie ihr Mann und später ihre Tochter eine ungeheure Präsenz. Und gerade Elisabeth macht Hoffnung auf eine tolle weitere Fortsetzung mit unseren geliebten Waringham!  Aber gut, an dieser Königin hab ich eh einen Narren gefressen.

Leider kommen mir dennoch einige hist. Dinge zu kurz, zum Beispiel  die Freude und der Jubel um die Geburt von Edward, die Trauer um Jane und auch über die Gnadenwallfahrt hätte ich gerne ausführlicher gelesen. Auch wenn es Passagen gibt, die mich sehr überzeugen konnten und mich fertig gemacht haben (z.B. die Armut der Kinder), so ist mir das Buch auch in historischer Sicht zu dünn. ,,Der dunkle Thron" im Umfang von ,,Das Lächeln der Fortuna" hätte mich vermutlich noch glücklicher machen können. Nichtsdestotrotz liebe ich auch dieses Buch von Rebecca Gablé, es hat mich von der ersten Seite in seinen Bann gezogen und mir viel von meiner Lesefreude – gerade auch für historische Romane – zurückgegeben.

Bewertung:
[note1]**************
Rock the Night!

ClaudiC

Liebe Kathrin,
ich höre gerade das ungekürzte Hörbuch zum dunklen Thron und freue mich, dass es schon eine Meinung zu diesem Roman gibt.
Mir geht es in vielen Dingen ganz genauso wie dir. Ich kann Nick ÜBERHAUPT nicht leiden. Das ist mir bei Gablé-Romanen auch ganz neu.
Insgesamt geht es in diesem Buch auch etwas blutiger zu als in den Vorgängern, oder? Gablé beschreibt meines Erachtens die Folter- und Hinrichtungsszenen genauer - mir manchmal zu genau.  :wah:
Mehr, wenn ich durch bin.
LG
Claudi