Die Tulpe des Bösen - Jörg Kastner

Begonnen von Kathrin, 25. Dezember 2008, 17:52:02

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Kathrin

[isbn]9783426662625[/isbn]   Die Tulpe des Bösen
Kastner, Jörg
hist. Krimi
17. Jahrhundert
   
Seiten: 455

Inhalt:
Amsterdam 1671. Bis vor kurzem hielt das »Tulpenfieber« die Niederlande in Atem - hochgefährliche Spekulationen mit Tulpenzwiebeln kosteten nicht wenige Bürger die Existenz. Und noch immer treffen sich wöchentlich die »Verehrer der Tulpe«, ein exklusiver Club ...
Als sich eines Abends ein ehrenwertes Mitglied, Bankier de Koning, auf den Heimweg macht, wird er von einer fremden Frau angehalten und brutal niedergestochen. Amsterdam ist in Aufruhr. Er ist der zweite Ermordete, der ein seltenes Blütenblatt in der Hand hält. Inspektor Jeremias Katoen führt die Ermittlungen, bei denen fanatische Liebhaber und ebenso fanatische Tulpenhasser ihn auf die Spur eines extrem raren und gefährlichen Exemplars bringen, das einst im Osmanischen Reich gestohlen wurde. Ein dämonisches Gewächs von schillernder Farbe, das jeden, der ihm zu nahe kommt, den Verstand verlieren lässt ... Nun scheint die Tulpe des Bösen in die Hände von Landesverrätern geraten zu sein. Und Jeremias Katoens Leben hinge bald am seidenen Faden, wären da nicht ein ihm blind ergebener Betteljunge und eine fechtkundige junge Frau.

Meine Meinung:
Und historische Krimis gefallen mir doch besser als die modernen zeitgenössischen Krimis bzw. Thriller, wie ich gerade wieder feststellen durfte. Nach einem, in meinen Augen 08/15-Thriller im heutigen Amerika habe ich mich richtig gefreut, wieder in die Vergangenheit, ins Amsterdam des 17. Jahrhunderts abtauchen zu können und mit dem Hauptermittler Katoen und seinen Gehilfen Kampen und Deckert wieder alte Bekannte aus ,,Die Farbe Blau"  treffen zu dürfen. Schnell war ich in der Geschichte um die Tulpenmorde drin, auch wenn ich, wie immer, wenn ich mich lesetechnisch in den Niederlanden aufhalte, meine Schwierigkeiten mit den niederländischen Namen hatte. Was aber dem Lesevergnügen keinen Abbruch getan hat, da sich das Buch quasi von alleine liest, was ich deutlich am Seiten-Tages-Schnitt für dieses Buch sehen konnte, der dann doch deutlich über meinem sonstigen Durchschnitt lag. Aber um so besser, gerade in stressigen Zeiten weiß ich ein Buch zu schätzen, in das ich völlig abtauchen und alles um mich rum vergessen kann.

Dass ich um mich rum alles mögliche vergessen konnte ist aber auch angesichts der Tatsache, was alles auf den Straßen des alten Amsterdams los ist, kein Wunder. Neben den Morden des Tulpenmörders, die den Hauptfalls des Romans bilden, gibt es immer wieder  heftige Streitereien zwischen den Verehrern der Tulpe und den Tulpenhassern, zerstörte Tulpenbeete, außerdem wird beim bekannten Kartenmacher Blaeu eingebrochen und wertvolle Dinge gestohlen. Und immer wieder wird Katoen, unser Ermittler hinzugezogen, der mit der Aufklärung der Tulpenmorde und seinem heimlichen ,,Lieblingsgegner", dem Zuhälter Dircks, eigentlich schon genug zu tun hat. Und dieser Dircks scheint bei jeder Schurkerei in Amsterdam seine Finger im Spiel zu haben, weshalb ich gerade auch den Kampf von Katoen gegen Dircks super interessant fand, der sich im Laufe des Buches immer mehr zuspitzt. Und ich muss da auch gleich gestehen, dass ich schon auch ein klein wenig Achtung für Dircks empfinde, gerade seine Idee, wo er seine Nachtläuferinnen die Kunden bedienen lässt, das hat schon was ;-)

Und letztlich hatte gerade auch die erste Begegnung zwischen Katoen und Dircks, die wir Leser miterleben dürfen auch etwas positives. Denn Katoen lernt den Schlangenjungen Felix kennen, der sich von der ersten Szene an in mein Herz geschlichen und immer mehr zu meinem Liebling entwickelt hat. Da wäre ich am liebsten direkt ins Buch reingekrabbelt und hätte ihn umarmt, getröstet und geholfen, aber er hat ja Katoen kennenlernen dürfen, da hat es meiner nicht bedurft :-) Sein Schicksal und die glückliche Wendung für ihn aber auch seine Unerschrockenheit und Gewitztheit, wenn er Katoen hilft sind wirklich ergreifend und haben mir mehrmal laut auflachen oder auch leise weinen lassen, weil ich so gerührt war (ich dumme rührseelige Kuh :-) ) Mir war auch zwischenzeitlich total egal, ob der Tulpenmörder gefasst wird oder nicht, hauptsache ich konnte mehr von Felix lesen. Ich hätte überhaupt nichts dagegen, wenn Felix in Katoens Fußstapfen treten und sein Nachfolger werden würde. Eine eigene Felix-als-Ermittler-und Herzensbrecher-Romanreihe würde bei mir sofort im Regal landen!

Gerade durch Felix' Rolle in diesem Buch hat auch der Ermittler Katoen unheimlich an Profil gewinnen dürfen. Er wächst mir im Laufe des Buches immer mehr ans Herz und macht da wirklich eine schöne Entwicklung durch, vor allem, weil er in "Die Farbe Blau" eher eine Randfigur war, die mir sogar dem damaligen Ermittler irgendwie zu oft zur Seite gestanden und in letzter Minute geholfen hat. Aber hier zeigt er wirklich mehrere Seiten, hat seine Ecken und Kanten hat  und ist nicht gleich von Anfang an der allersympathischste, heldenhafte, alles überstrahlende Ermittler. Im Gegenteil, er scheint es schon ein wenig zu "genießen", wenn er aus Verdächtigen Geständnisse herauspeitschen lassen kann oder zumindest damit drohen und somit seine Machtbefugnisse ausspielen kann. Aber er kümmert sich so rührend um Felix, dass ich auch wirklich bei Katoen butterweich werden könnte, weil er einfach so ein großes Herz hat und sich um andere Menschen, nicht nur Felix kümmert. Insofern hoffe ich auch auf ein Wiedersehen mit ihm und vor allem hoffe ich für ihn, dass er mit der Frau an seiner Seite auch wirklich glücklich sein darf, ich finde sie passen perfekt zueinander!

Auch die übrigen Figuren finde ich gut gezeichnet, da berührt mich das Schicksal vom kurz auftauchenden Bettler ebenso wie das Schicksal von Katoens Gehilfen und wieder, wie schon in ,,Die Farbe Blau" müssen Menschen viel zu früh sterben, die ich gerne besser kennengelernt hätte. Aber letztlich ist es auch gut, wenn es auch Opfer auf der guten Seite gibt, das macht einen Roman und das Ende nicht zu glücklich und damit auch realistischer.

Bei den Nebenfiguren haben es mir vor allem die beiden Extreme, der Tulpenhasser Swalmius und der Tulpenliebhaber van Dorp angetan. Schlimm, was ein Swalmius alles durchmachen und verlieren musste nach dem Tulpencrash. Aber auch sein Widerpart, van Dorp, der den Tulpencrash überstehen konnte und seinen Reichtum behalten durfte ist faszinierend. Und sein Anwesen, das hätte ich wirklich zu gerne gesehen. Das war schon wunderbar von Jörg Kastner beschrieben, das muss unheimlich farbenfroh und klasse ausgesehen haben. Umso schlimmer war es dann mitzuerleben, wie alles zerstört und verbrannt wird, das hat mir schon in der Seele wehgetan, so viel Schönheit zerstört zu wissen.

Mit der Lösung des Falls habe ich nicht wirklich gerechnet. Ich hatte zwar zwischenzeitlich den richtigen Verdacht, allerdings fehlte mir das Motiv. Besonders gut hat mir gefallen, dass es nach der Überführung des Mörders noch nicht zu Ende war mit dem Buch, sondern es eine Nachgeschichte gab, in der es auch für Katoen und vor allem seine Liebe noch mal brenzlig wurde.

Alles in allem ein schöner Roman, der mir doch noch um einiges besser gefallen hat als ,,Die Farbe Blau". Und abgerundet wurde dieses schöne Leseerlebnis durch ein wunderbar aufbereitetes Hardcover, mit Land- und Stadtkarte, dass ich schon wieder am überlegen bin, ob ich mir ,,Die Farbe Blau" nicht doch auch noch als Hardcover nachkaufen sollte, schließlich soll das Buchregal ja auch schön aussehen ;-)

Bewertung:
[note1]
Rock the Night!