Jodi Piccoult - "Kleine große Schritte"

Begonnen von nala11, 01. Juni 2019, 18:20:35

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nala11

ZitatRuth Jefferson ist eine der besten Säuglingsschwestern des Mercy-West Haven Hospitals in Connecticut. Dennoch wird ihr die Versorgung eines Neugeborenen von der Klinikleitung untersagt – die Eltern wollen nicht, dass eine dunkelhäutige Frau ihr Baby berührt. Doch eines Tages arbeitet Ruth allein auf der Station und bemerkt, dass das Kind keine Luft mehr bekommt. Sie entscheidet schließlich, sich der Anweisung zu widersetzen und dem Jungen zu helfen. Doch ihre Hilfe kommt zu spät, und Ruth wird von den Eltern des Jungen angeklagt, schuld an dessen Tod zu sein. Ein nervenaufreibendes Verfahren beginnt ... 
,, Wenn ich schon nichts Großes bewirken kann, kann ich doch auf großartige Weise kleine Schritte machen."
Martin Luther King

Ruth Jefferson ist Hebamme und Säuglingsschwester. Eine der Besten und Erfahrensten in dem Krankenhaus, in dem sie angestellt ist. ... und sie ist schwarz...
Genau das ist ihr größtes Problem, als sie auf die Eltern des neu geborenen Babys Davis Bauer trifft.
Turk und Brittany sind Rechtsextremisten. Sie verbieten Ruth, ihren Sohn zu berühren.
In einer Notsituation steht Ruth der Entscheidung gegenüber, die Befehle ihrer Vorgesetzten zu befolgen und damit ihren Job zu riskieren, oder sich darüber hinwegzusetzen und dem Baby zu helfen. Ihr ist klar, egal, wie sie sich entscheidet, wird sie falsch handeln.
Das Schlimmste, was passieren kann, passiert. Das Baby stirbt.
Die Eltern klagen Ruth an und es kommt zu einer Gerichtsverhandlung.

Wir erleben diese Geschichte aus der Sicht dreier Personen.
Ruth ... sie macht ihren Beruf mit Leib und Seele, hat ihn sich hart erkämpft. Wir begegnen dabei ihrer Mutter, ihrer Schwester und ihrem Sohn. Lesen von ihrem Leben als Schwarze in der heutigen Zeit.
Turk ... er berichtet von seiner Kindheit, wie er zum Skinhead wurde und schließlich Brittany kennenlernte und in ihr seine Seelenverwandte fand. Wir lernen sein Umfeld, die White-Power-Bewegung kennen.
Kennedy ... die (weiße) Pflichtverteidigerin von Ruth. Sie stellt uns ihre Familie, Mann, Tochter und Mutter vor. Und lernen durch ihre Augen, was es heißt, schwarz zu sein.

Durch das abwechselnde Erzählen der Drei erleben wir, dass nicht alles (das Wortspiel ist mir leider bewusst) schwarz weiß ist, sondern, dass es eine ganz Menge verschiedener Grautöne gibt.
Und genau das gefiel mir besonders gut!
Jodi Piccoult ist ein wunderbares Buch gelungen, dass mich mit vielen verschiedenen Gefühlen und Empfindungen konfrontierte.
Ich war wütend und mir war schlecht, als Turk von den Freizeitaktivitäten der White Power Bewegung berichtete.
Dann war ich geschockt, wie offen Schwarze diskriminiert werden.
Und ganz besonders war ich beschämt, als ich (durch Kennedys Augen) sah, wie vermeintliche Kleinigkeiten, rassistisch empfunden werden, die nie so gemeint sind.
Jodie Piccoult unterscheidet einmal zwischen aktivem und passivem Rassismus ... und ja, damit hat sie mir einen Spiegel vorgehalten .. und ich halte mich nicht für rassistisch (genau DAS wird auch angesprochen).

Ich könnte noch so viel mehr schreiben, was mich immer noch nicht los lässt... das wird auch noch länger so sein.

,,... aber wir, die wir Weiße sind, müssen miteinander über Rassismus sprechen, Denn dann werden noch mehr von uns zuhören und das Gespräch wird – wie ich hoffe – Kreise ziehen."
Jodi Piccoult

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Lesen ist nicht nur ein Hobby, es ist eine Lebenseinstellung.
Du misst das Jahr nicht in Wochen und Monaten, sondern in Büchern.

Inge78

OK, es wandert auf der to-read Liste weit nach oben  :dong:


Tolle Rezi, danke

Words are, in my not-so-humble opinion, our most inexhaustible source of magic. Capable of both inflicting injury, and remedying it - Albus Dumbledore

Im finst´ren Förenwald, da wohnt ein greiser Meister. Er ficht gar furchtlos kalt sogar noch feiste Geister.
(aus "ES" von Stephen King)

Fiktion ist wie ein Spinnennetz, das, auch wenn nur vielleicht ganz leicht, an allen vier Ecke des Lebens befestigt ist.
- Virginia Woolf

Christiane

Auf meine Liste der 'Pflichtlektüre' wandert es auch.
Staunt euch die Augen aus dem Kopf, lebt, als würdet ihr in zehn Sekunden tot umfallen. Bereist die Welt. Sie ist fantastischer als jeder Traum, der in einer Fabrik hergestellt wird.
Ray Bradbury (1920 - 2012)

nala11

Lesen ist nicht nur ein Hobby, es ist eine Lebenseinstellung.
Du misst das Jahr nicht in Wochen und Monaten, sondern in Büchern.

Kathrin

Wusste doch, dass es hier schon irgendwo eine Rezi zu gab. Da kann ich meine ja auch endlich mal anschließen:

Meine Meinung:
,,Kleine große Schritte" ist der erste Roman, den ich von Jodi Picoult gelesen habe, wird aber sicherlich nicht der Einzige sein. Denn das Buch hat mich von Anfang an in seinen Bann gezogen und viele unterschiedliche Emotionen durchleben lassen. Bereits nach 120 Seiten hatte ich mehrfach Tränen in den Augen und mich aber auch mindestens ebenso häufig über die Einstellung mancher Figuren aufgeregt.

Das Buch ist in drei unterschiedliche Erzählperspektiven unterteilt, die von Ruth (eine afroamerikanischen Säuglingsschwester), Turk (ein um sein verstorbenes Kind trauernder Vater) und Kennedy (Ruths Anwältin). Turk und seine Frau Brittany sind gerade Eltern eines Jungen geworden und lassen Ruth über die Klinikleitung aus rassistischen Gründen verbieten, sich um das Kind zu kümmern. Als es bei dem Kind nach einer Routine-OP zu Komplikationen kommt, ist Ruth allein auf der Station und zunächst zwischen der Anweisung durch die Eltern und der lebensnotwendigen Hilfe für den Jungen hin und her gerissen. Die Hilfe durch Ruth und ihre hinzueilenden Kollegen kommt am Ende zu spät und der Säugling stirbt. Als Ruth schließlich angeklagt wird, kommt die dritte Erzählperspektive, die ihrer Anwältin Kennedy ins Spiel.

Die Autorin behandelt in ihrem Roman mit dem Rassismus ein äußerst brisantes Thema und hält einem als Leser mehr als einmal einen Spiegel vor. Sie spricht Dinge an, die man im Einzelnen vielleicht nicht  so extrem rassistisch beurteilen würde, aber man denkt auch nicht darüber nach, weil man manche Dinge einfach schon immer so kennt, z.B. die gute Goldmarie und die böse, faule Pechmarie in Frau Holle. Warum ist die blonde die Gute und die Dunkelhaarige die Faule? Und solche Beispiele führt sie zuhauf auf. Weshalb ich tatsächlich zwischenzeitlich auch das Gefühl hatte, dass Ruth mitunter auch anstrengend sein kann., wenn sie in jedem Satz, in jedem Ding einen rassistischen Hintergrund sieht. Aber ich habe vermutlich auch leicht reden, denn ich stecke ja nicht in ihrer Haut, so blöd das Sprichwort jetzt in diesem Zusammenhang auch klingen mag. Dennoch gehören alle meine Sympathien Ruth und ihrer Anwältin, die ich wirklich großartig finde. Und mindestens so sehr gehören alle meine Antipathien Turk und seinem rassistischen Umfeld. Ich will Turk und Brittany die Trauer um ihren Sohn gar nicht absprechen und ich kann mir gut vorstellen, dass viele Menschen in solchen Extremsituation einen Sündenbock brauchen, um überhaupt mit dem Verlust in irgendeiner Weise fertig zu werden. Aber ich kann diese rassistischen Ansichten einfach nicht verstehen. Es geht nicht in meinen Kopf rein, wie man so denken kann. Ich könnte permanent schreien, wenn ich Turks Gedanken lesen muss.

,,Kleine große Schritte" ist ein Roman der lange nachwirkt und den ich wirklich jedem weiterempfehlen kann, aber es ist für mich kein absolutes Highlight, sondern hat ein paar Schwächen. Zum einen sind es mir für Laien zu viele medizinische Fachbegriffe und Abkürzungen, vor allem an Anfang. Das hat mich auf Dauer genervt, auch wenn es später nachließ. Außerdem bin ich sowieso kein besonderer Freund der Ich-Perspektive und diese dann in allen drei Erzählsträngen zu nutzen, war mir auch zu viel. Tja und dann das Ende. Das war mir zu übertrieben, zu gut und teilweise zu unwahrscheinlich bzw. zu übertrieben. Die Autorin geht da zwar teilweise in einem Nachwort drauf ein, aber es war mir etwas too much! Aber dafür muss man das Ende gelesen haben, um zu wissen, was ich meine.

Alles in allem ein guter Roman, ein wichtiger Roman, der aber nur weil er ein wichtiges Thema behandelt trotzdem nicht das Highlight für mich ist, dass ich mir angesichts solcher Themen  vielleicht gewünscht habe.

[note2]
Rock the Night!