Ellen Sandberg - Die Vergessenen

Begonnen von Inge78, 25. Januar 2018, 16:06:25

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Inge78

[isbn]332810089X[/isbn]

Zitat1944. Kathrin Mändler tritt eine Stelle als Krankenschwester an und meint, endlich ihren Platz im Leben gefunden zu haben. Als die junge Frau kurz darauf dem charismatischen Arzt Karl Landmann begegnet, fühlt sie sich unweigerlich zu ihm hingezogen. Zu spät merkt sie, dass Landmanns Arbeit das Leben vieler Menschen bedroht – auch ihr eigenes.

2013. In München lebt ein Mann für besondere Aufträge, Manolis Lefteris. Als er geheimnisvolle Akten aufspüren soll, die sich im Besitz einer alten Dame befinden, hält er das für reine Routine. Er ahnt nicht, dass er im Begriff ist, ein Verbrechen aufzudecken, das Generationen überdauert hat ...

Ein dunkles Kapitel deutscher Geschichte spannend aufgearbeitet

"Die Vergessenen" ist schon jetzt ein Lesehighlight 2018 für mich. Ellen Sandberg, ein Pseudonym der Krimi Autorin Inge Löhnig, schreibt selber über dieses Buch, dass es ihr eine Herzensangelegenheit war diese Geschichte zu erzählen. Und sie erzählt es so gut, dass man das Thema selber zur Herzensangelegenheit macht.

Die Geschichte wird hauptsächlich in zwei Zeitebenen erzählt, wobei es auch kurze Rückblicke in die 60 er und 70 er Jahre gibt. Diese Erinnerungen sind aber immer klar differenziert von der eigentlichen Handlung des Romans und haben meinen Lesefluss nie gestört.
Ich mag nicht zu viel erzählen über die Handlung denn zum Glück verrät auch der Klappentext nicht allzu viel über den Ansatz des Buches.
Aber ich kann sagen dass mich die beiden Geschichtsstränge des Romans sehr mitgenommen haben und ich teilweise sogar Gänsehaut beim Lesen hatte, so lebendig beschreibt Inge Löhnig die Schrecken der Vergangenheit. Es ist mir nicht begreiflich wie Menschen einander solche Dinge antun können und wie man vor Allem solche Taten vor sich selber rechtfertigen kann. "Unwertes Leben", das sind zwei Worte die ich absolut nicht verstehen kann und weder hören noch lesen will. Traurig dass auch in unseren Zeiten noch immer viel zu viel solches braunes Gedankengut gibt.
Die Geschichte macht wütend. Ich kann auch das Handeln der einen oder anderen Person nicht nachvollziehen. Aber vielleicht ist das genau richtig, ein Roman soll zum nachdenken anreden und nicht nur "schwarz-weiß" malen. Man hinterfragt sich beim Lesen ständig selber: "Wie hätte ich gehandelt?"  .
Man will mutig sein, man will sagen können, dass man Widerstand geleistet hätte, und ich hoffe für mich dass ich mutig gewesen wäre aber wo endet Mut und beginnt Wagemut. Wann stellt man seine eigenen Bedürfnisse vor die Bedürfnisse Anderer? Und wie weit sollte man selber gehen um Rache zu üben, um zu bestrafen?
Das Buch macht nachdenklich. Und es wird bestimmt noch lange nachhallen.
Und es hat mich eine fast schlaflose Nacht gekostet denn irgendwann konnte ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen und wollte wissen wie es endet. Und auch wenn man vielleicht recht schnell auf einen Teil der Lösung kommt so ging es für mich nicht um eine Lösung sondern immer eher ums "warum".

Ich kann jedem der sich auch nur ein bisschen für Geschichte interessiert dieses Buch ans Herz legen. Aber es ist auch streckenweise echt harter Tobak.

[note1]
Words are, in my not-so-humble opinion, our most inexhaustible source of magic. Capable of both inflicting injury, and remedying it - Albus Dumbledore

Im finst´ren Förenwald, da wohnt ein greiser Meister. Er ficht gar furchtlos kalt sogar noch feiste Geister.
(aus "ES" von Stephen King)

Fiktion ist wie ein Spinnennetz, das, auch wenn nur vielleicht ganz leicht, an allen vier Ecke des Lebens befestigt ist.
- Virginia Woolf

Annette B.

ZitatIch kann jedem der sich auch nur ein bisschen für Geschichte interessiert dieses Buch ans Herz legen. Aber es ist auch streckenweise echt harter Tobak.

Danke für diese aussagekräftige Rezi Inge.
Besonders der letzte Satz wird mir eine Mahnung sein, dieses Buch besser nicht zu lesen. Ich habe vor ca. 30 Jahren auch mal ein Buch zu diesem Thema gelesen und weiß, wie man dabei leidet und weint.
Dennoch, dieses Thema ist einfach zu wichtig! Das MUSS immer wieder ins Bewusstsein der Menschen gebracht werden.

Liebe Grüße Annette

Inge78

Ich finde Bücher über den Krieg sind schon immer harter Tobak. Wobei Inge Löhnig das schon echt gut verpackt in ihre Story. Aber sie schreibt eben so lebendig dass auch einige ungewollte Bilder lebendig werden und mich echt getroffen haben. Das Buch hat mich auch dazu gebracht ein wenig zu recherchieren im Internet aber ich muss zugeben dass ich das ganz schnell dran gegeben habe denn zeitweise sind die Sachen echt kaum zu ertragen. Auch wenn es wirklich absolut richtig ist dass die Gräultaten niemals vergessen werden dürfen
Words are, in my not-so-humble opinion, our most inexhaustible source of magic. Capable of both inflicting injury, and remedying it - Albus Dumbledore

Im finst´ren Förenwald, da wohnt ein greiser Meister. Er ficht gar furchtlos kalt sogar noch feiste Geister.
(aus "ES" von Stephen King)

Fiktion ist wie ein Spinnennetz, das, auch wenn nur vielleicht ganz leicht, an allen vier Ecke des Lebens befestigt ist.
- Virginia Woolf

leseschnecke

Hallo Inge,

lieben Dank für deine Rezi.

Das Buch steht schon auf meiner Wunschliste; nach deiner Rezi aber mit Ausrufezeichen  :->

Das Thema finde ich super interessant, ich lese auch gerne aus dieser Zeit. Es muss nur stimmungsmäßig passen - ich schaffe das nicht immer.


Inge78

Ich kann das verstehen, ich kann das auch nicht immer
Aber wenn es passt dann lies es auf jeden Fall
Words are, in my not-so-humble opinion, our most inexhaustible source of magic. Capable of both inflicting injury, and remedying it - Albus Dumbledore

Im finst´ren Förenwald, da wohnt ein greiser Meister. Er ficht gar furchtlos kalt sogar noch feiste Geister.
(aus "ES" von Stephen King)

Fiktion ist wie ein Spinnennetz, das, auch wenn nur vielleicht ganz leicht, an allen vier Ecke des Lebens befestigt ist.
- Virginia Woolf

Christiane

Zitat von: leseschnecke in 26. Januar 2018, 13:14:43
Das Thema finde ich super interessant, ich lese auch gerne aus dieser Zeit. Es muss nur stimmungsmäßig passen - ich schaffe das nicht immer.

So geht es mir auch. Und da ich gerade erst einen Krimi aus der Zeit gelesen hab, müssen 'die Vergessenen' nun wohl noch eine Weile warten...
Staunt euch die Augen aus dem Kopf, lebt, als würdet ihr in zehn Sekunden tot umfallen. Bereist die Welt. Sie ist fantastischer als jeder Traum, der in einer Fabrik hergestellt wird.
Ray Bradbury (1920 - 2012)

Kathrin

Und hier meine Meinung zu diesem großartigen Buch:

,,Die Vergessenen" ist der erste Roman der erfolgreichen Krimiautorin Inge Löhnig unter dem Pseudonym Ellen Sandberg. Ich habe zugegebenermaßen etwas gezögert, dieses Buch zu lesen, auch wenn es von einer meiner Lieblingsautorinnen ist, da ich lange Zeit einen großen Bogen um Literatur über den Zweiten Weltkrieg gemacht habe. Natürlich finde auch ich es wichtig, dass das Thema nicht vergessen wird. Aber Lesen ist für mich in erster Linie Unterhaltung, Abschalten vom Alltag und über die Gräueltaten der Nazis zu lesen ist keine Unterhaltung. Da muss ich wirklich offen und belastbar genug dafür sein, das geht nicht immer. Aber ,,Die Vergessenen" hat mich tief bewegt, hat mir atemlose, spannende Lesestunden beschert und ist eines der Jahreshighlights aus dem Lesejahr 2018. Und seit ich dieses Buch gelesen habe, bin ich offener für die Thematik geworden und greife öfter nach Büchern über den Zweiten Weltkrieg bzw. will mehr darüber lesen.

Die Geschichte, die uns Ellen Sandberg hier erzählt, spielt in zwei Zeitebenen. Im Jahr 1944 arbeitet die junge Kathrin Mändler als Krankenschwester in der Heil- und Pflegeanstalt Winkelberg bei München. Als sie den Arzt Karl Landmann trifft und sich in ihn verliebt, ahnt sie nichts von den schrecklichen Ereignissen, die sich in der Anstalt abspielen und auch Karl Landmann zeigt nicht immer sein wahres Gesicht. Als Kathrin 2013 einen schweren Schlaganfall erleidet, kümmert sich ihre Nichte Vera um Kathrins Wohnung. Sie stößt dabei auf ein dunkles Geheimnis. Doch sie ist nicht die einzige, die sich für die Vergangenheit ihrer Tante interessiert, denn auch Manolis Lefteris, ein Mann für besondere Aufträge, soll geheime Unterlagen, die sich in Kathrins Besitz befinden, aufspüren.

Wie bereits geschrieben, war ,,Die Vergessenen" für mich ein absolutes Lesehighlight in 2018, allerdings benötigte ich zunächst einige Zeit, bis ich wirklich vollends in der Geschichte angekommen bin. Die lag neben der Scheu vor diesem großen Themen, vor allem an der Vielzahl an Personen und die unterschiedlichen Erzählperspektiven bzw. Erzählstränge, die mich anfangs derart überfordert hatten, dass ich mit dem Gedanken spielte, das Buch abzubrechen. Aber der wunderbare Schreibstil von Ellen Sandberg hat mich durchhalten lassen und inzwischen ist dieses Buch wohl jenes, welches ich am häufigsten anderen Lesebegeisterten empfehle.

Von den Verbrechen der Nazis im Zweiten Weltkrieg haben wir alle in der Schule und vielleicht auch über Reportagen im Fernsehen viel erfahren, aber für mich sind Einzelschicksale von fiktiven Romanfiguren genauso unfassbar und schrecklich wie Tatsachenberichte. Da kann ich den Roman, die fiktive Geschichte oft nicht mehr spüren, sondern ich lese Wirklichkeit, weil es . Dieses Buch kann schon allein aufgrund der Thematik kein Wohlfühlbuch sein, ich hatte permanent einen dicken Kloß im Hals und ich habe geweint, aber es ist so gut, so unglaublich spannend und wirklich ein Buch, das ich jedem empfehlen kann.

Bewertung:
[note1]
Rock the Night!