Der Spielmann von Ingrid Ganß[isbn]3940855162[/isbn]
Zitat von: Amazon de.Während sich in Frankreich am Hof des Sonnenkönigs Ludwig XIV. jede erdenkliche Pracht entfaltet, leiden die deutschen Lande unter den Folgen des 30jährigen Krieges. In dieser Zeit begeistert sich die behütet aufgewachsene, gebildete Fürstentochter Elisabeth für die aufkeimenden Gedanken von der Gleichheit von Mann und Frau. Sie widersetzt sich den Heiratsplänen ihres Vaters, bis dieser die Geduld verliert und sich zu dem Schwur hinreißen läßt, sie solle nach Ablauf eines Monats mit dem erstbesten Manne vermählt werden, der um ihre Hand anhält. Und just an diesem Tag betritt der verwegen aussehende junge Spielmann Jakob den Speisesaal des Fürsten. Er führt die verwöhnte Prinzessin auf die staubige Landstraße, und Elisabeth muß lernen, sich in der ihr gänzlich unbekannten Welt der Gaukler und Zigeuner, der Bauern und Küchenmägde zurechtzufinden.
Meine Meinung:Es gibt diesen alten Spruch, dass gute Bücher wie Freunde sind. Ich habe schon viele Freunde unter den Büchern gefunden die mich auch nach Jahren noch begleiten, da ich sie immer wieder gerne lese.
Mit diesem Buch >Der Spielmann< habe ich jetzt einen ganz besonderen neuen Freund gefunden, der mich sicher für den Rest meiner Tage begleiten wird.
Es ist diese wundervolle Mischung, aus einem Märchen und der hist. realen Alltags-Welt, die Ingrid Ganß in diesem Buch geschickt miteinander verbunden hat.
Ein König hatte einmal eine Tochter, die hochmütig und stolz war und kein Heiratskandidat war ihr genehm!
Oder war die Tochter einfach nur klug und selbstbewusst? Hatte sie vielleicht andere Vorstellungen von ihrem Leben, als Heiraten und jedes Jahr ein Kind zu bekommen?
Kann man die Aussagen die in den alten Märchen stecken, nicht auch heute noch in unserer Gesellschaftsordnung – und speziell auf die Stellung der Frau bezogen – immer wieder neu definieren?
Dieses Buch liefert viele kritische und interessante Denkanstöße zu diesem Thema. Und nicht nur zu dem Thema Frauen in der Gesellschaft, sondern auch zu vielen anderen Themen, die das soziale Netz im Alltag aller Menschen betreffen.
Ich habe selten einen historischen Roman gelesen der komplett ohne Gewalt und Vergewaltigungsszenen auskommt und dennoch atemberaubend spannend und fesselnd ist. Die Zeit nach dem 30 jähr. Krieg war für die Bürger und Bauern in Deutschland schon grausam genug. Armut, Hunger, Kälte, Krankheiten, Unwetter und grausame Strafen für kleinere Straftaten machten den Menschen das Leben schon schwer genug. Hinzu kam für viele Frauen auch noch die Angst vor der Inquisition.
Dieses reale Leben führten die kleinen, armen Menschen zwischen Abfällen und baufälligen Behausungen.
Im Adel sah das jedoch ganz anders aus! Da wurde geprasst und verschwendet. Die feinen Damen kümmerten sich um ihre Frisuren und den neuesten Klatsch. Genau in diesem Umfeld wächst Elisabeth auf und soll, nachdem sie sich lange gesträubt hat, nun endlich verheiratet werden.
Elisabeth wehrt sich jedoch mit allen Mitteln die ihr zur Verfügung stehen und am Ende reißt dem Vater der Geduldsfaden! Er setzt einen Tag fest, an dem der erste Mann der das Schloss betritt, Elisabeths Ehemann werden soll.
Und wie der Teufel es so will, taucht genau zu diesem Zeitpunkt ein junger Spielmann auf!
Und nun wird es nicht nur heiter für den Leser, sondern auch manches mal etwas grausam, denn man lacht und leidet fürchterlich mit den Protagonisten. Plötzlich sieht man die Welt, und auch die Zeit nach dem 30 jähr. Krieg mit ganz anderen Augen. Für Elisabeth, die sehr behütet aufgewachsen ist, ist es ein furchtbar großer Sprung in die grausame Realität der arbeitenden Menschen. Sie lernt Bauern und Gaukler kennen und muss ihren Platz in der Gesellschaft wieder finden.
Zumal sie nun mit einem Spielmann verheiratet ist!!!!
Der Spielmann, Jakob, ist schon eine Klasse für sich! Ein bisschen Macho, ein bisschen Oberlehrer, außerdem auch noch mit einer gehörigen Portion Eigensinn gesegnet und obendrein auch noch so richtig schön romantisch und zärtlich. Ein Typ zum verlieben, aber eben auch mit vielen charakterlichen Ecken und Kanten! Nicht unbedingt der tolle strahlende Held der unfehlbar ist.
Aber auch Elisabeth ist nicht ohne! Sie ist mindestens genauso eigensinnig wie er! Sie ist klug und lernt schnell, aber sie ist natürlich auch immer wieder mal hilflos in dieser ganz fremden Umgebung. Diese Hilflosigkeit lässt sie dann auch schon mal Kratzbürstig oder Zickig erscheinen. Was sie aber gar nicht ist, im Gegenteil, sie ist ein sehr herzlicher und verständnisvoller Mensch.
Und somit knallen hier förmlich Welten und ,,Weltanschauungen" oftmals ungebremst aufeinander! Zudem liegt über dieser ganzen gespannten Atmosphäre auch noch dieses zarte knistern, wenn Jakob sein seltenes Lächeln zeigt.
DAS muss man selbst gelesen haben, es ist total spannend, fesselnd und sehr tiefsinnig beschrieben.
So ziehen also diese zwei wunderbar gezeichneten Charakter durch die deutschen Lande und es kommt zwischen Jakob und Elisabeth immer wieder zu sehr interessanten und sehr lebendigen Dialogen.
Die Autorin zeigt hier ein ganz besonderes Geschick bei der Wortwahl und auch bei der Satzstellung.
Ingrid Ganß zieht alle Register bei den Beschreibungen der Menschen und ihrer Gefühle. Genauso wie bei der Beschreibung der Landschaft und auch der Abenteuer die Elisabeth und Jakob erleben.
Die Autorin hat mit sehr einprägsamen Worten auch viele facettenreiche Nebencharaktere erschaffen, mit denen der Leser dann auch schnell vertraut ist.
Die Beschreibungen des Schmutz und der Armut sind so geschickt formuliert, dass man förmlich den Duft vom Unrat beim lesen in der Nase hat und unbewusst das Fenster öffnet.
Es entspinnt sich nun so nach und nach zwischen Jakob und Elisabeth eine Beziehung, in der die beiden sich nichts schenken, aber dabei immer versuchen fair und respektvoll miteinander umzugehen. Sie debattieren auf gleichem Niveau und mit starken Argumenten. Diese Debatten habe ich auch gerne zweimal gelesen, weil sie einfach so viel Spaß machten.
Die zarte Liebesgeschichte ist sehr geschmackvoll und gut dosiert in die Handlung eingefügt. Durch diese außergewöhnlich gute Dosierung wirkt diese Lovestory sehr romantisch und sehr erotisch.
Der Schreibstil der Autorin ist sehr flüssig und leicht zu lesen. Auch wenn er am Anfang durch die eine oder andere französische Redewendung, die ja im Adel damals üblich war, etwas Anspruchsvoll wirkt. Das legt sich aber, sobald der Spielmann auftaucht.
Da es in diesem Buch keine Einteilung in Kapitel gibt findet man einfach nie einen Grund das Buch aus der Hand zu legen. Man sollte sich also von vornherein viel Zeit zum Lesen nehmen, denn wenn man erst einmal angefangen hat dann taucht man aus dem Buch erst wieder auf, wenn man es zuklappt.
Darum bekommt dieses wundervolle Buch auch von mir die Note:
Besonders Wertvoll und Lesenswert. :hechel:
1 mit *** [note1]