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Storica => Rezensionen => Thema gestartet von: Kathrin in 31. Dezember 2024, 12:30:17

Titel: Michaela Beck: Das Licht zwischen den Schatten
Beitrag von: Kathrin in 31. Dezember 2024, 12:30:17
Das Licht zwischen den Schatten von Michaela Beck

Herausgeber: Lübbe
Gebundene Ausgabe: 848 Seiten
ISBN-10: 3785728662

Inhalt:
Der Arbeiterjunge Konrad schwört der schönen Selma aus reichem Hause, Medizin zu studieren, um ihre behinderte Schwester Alma zu heilen. Erst die Nazis ermöglichen es ihm, seinen Schwur zu erfüllen. Brigitte muss mit ihren Eltern gegen ihren Willen in den Westen flüchten und revoltiert gegen alles und jeden. Das treibt sie schließlich in die Arme der RAF. Andrés Eltern sind bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Die DDR bietet dem talentierten Kunstspringer eine sozialistische Vorzeigefamilie als Ersatz. Doch seine ungeklärte Vergangenheit lässt ihn nicht los.

Drei Menschen, die die Geschichte des 20. Jahrhunderts entfremdet hat. Und doch gibt es etwas, das sie untrennbar verbindet.

Kraftvoll, eindringlich, prall von Leben - ein großer deutscher Familienroman

Meine Meinung:
,,Das Licht zwischen den Schatten" von Michaela Beck ist wieder einmal ein Buch, zu dem mir die Rezension ziemlich schwer fällt. Ich habe den Roman vor ca. 4-5 Monate beendet und wenn ich jetzt darauf zurückblicke, ist deutlich mehr hängen geblieben als gedacht und tatsächlich finde ich das Buch jetzt besser als direkt nach Beenden. Es ist eine fesselnde Familiengeschichte aus Deutschland, die ich kaum aus der Hand legen konnte und die über drei Generationen in drei sich immer wieder abwechselnden Erzählsträngen vom Leser miterlebt wird. Die Autorin greift in der Geschichte um Konrad, Brigitte und André wesentliche und wichtige Epochen und Ereignisse der letzten 100 Jahre in Deutschland auf: Vom Ende des ersten Weltkriegs über die Gewaltherrschaft Hitlers, die Nachkriegszeit bis hin zum Spitzensport in der ehemaligen DDR und der Wiedervereinigung Deutschlands. Vor allem der Erzählstrang von Brigitte ist spannend. Mit ihr erleben wir u.a. hautnah eine für sie unfreiwillige Flucht von Ost- nach Westdeutschland und den Terror durch die RAF mit.

Der Klappentext macht eindeutig große Lust auf die Geschichte und bietet in meinen Augen sehr viel Potential für ein Jahreshighlight. Und die Autorin macht für mich auch sehr, sehr vieles richtig, richtig gut. Es gab in allen drei Erzählsträngen so viele gute und spannende Passagen, Ereignisse, die mich emotional tief berührt, teilweise richtiggehend fertig oder auch wütend gemacht haben, so dass ich dieses Klopperchen von einem Buch in relativ kurzer Zeit beendet habe. Allerdings wurde mein Gesamteindruck dadurch geschmälert, dass irgendwie jedem einzelnen positive Aspekt Kritikpunkte gegenüberstanden.

Positiv für mich war, dass die Autorin mich ganz wunderbar nah an ihrer Figuren herangeführt hat und ich dadurch sehr emotional in der Geschichte hineingerutscht bin. Selbst wenn ich relativ häufig mit dem Handeln der Protagonisten nicht einverstanden war und vieles von ihrem Tun als falsch empfunden habe, war durch die Nähe trotzdem eigentlich immer ein gewissen Grundverständnis für sie da. Dies gilt vor allem für Brigitte, an deren Verhalten, an deren Ecken und Kanten man sich heftige blaue Flecken stoßen kann. Wir lernen Brigitte als kleines Kind in der Nachkriegszeit in den 40er Jahren kennen und erleben ihre Entwicklung hautnah mit bis hin zu einer erwachsenen Frau in ihren 40er/ 50er Jahren. Dabei hat sie so viel Heftiges er- und miterlebt, dass ich mir gerade für diesen schwierigen aber auch tragischen Charakter ein gutes Ende gewünscht  habe. Aber so gut der Autorin die Charakterisierung ihrer Figuren auch gelungen ist, so geht diese extreme Nähe zu den Figuren für mein Empfinden ein wenig zu Lasten des historischen Hintergrunds. Über die Zeit von Hitler-Deutschland hat mir die Autorin eigentlich kaum etwas Neues erzählen können, aber vielleicht habe ich auch einfach schon zu viel darüber gelesen. Die RAF-Zeit hingegen hätte in meinen Augen deutlich mehr Hintergrund vertragen. Ich kann gar nicht genau sagen, was mir hier gefehlt hat, aber irgendwie empfand ich diesen Teil des Buches als seltsam unbefriedigend. Dass André ein angehender Spitzensportler in der DDR ist, damit kann ich gut leben, weil sich damit für ihn und für die Geschichte Türen und Wege geöffnet haben, die sich sonst wohl nicht geöffnet hätten. Das mag zwar in manchen Augen ein wenig konstruiert wirken, war für mich allerdings okay. Aber musste sein Trainer und Adoptivvater wirklich als Silbermedaillengewinner bei Olympischen Spielen dargestellt werden, den es so nachweislich nicht gab? Und auch sonst haben wir zwar das ein oder andere Rädchen im Getriebe der DDR sich drehen sehen, aber auch da wäre ich gerne tiefer eingestiegen. Vielleicht wäre Fritz als einer der Hauptprotagonisten da sinnvoller gewesen – obwohl auch der kein einfacher Charakter war.

Der Erzählstil und die Art und Weise, wie die Autorin ihren Roman über die drei Erzählstränge und unterschiedlichen Protagonisten aufgebaut hat, hat ein wenig an die Spannungsromane von Joel Dicker erinnert. Wir als Lesende bekommen einen guten Überblick über die möglichen Zusammenhänge und sind dadurch den Protagonisten gegenüber im Vorteil. Und trotzdem erfahren auch wir natürlich erst nach und nach die ganze Geschichte. Was wussten die einzelnen Figuren? Wer wusste wann was bzw. wie viel? Da den Überblick nicht zu verlieren, ist für mich große Erzählkunst, die ein Joel Dicker für mich in Perfektion beherrst. Hier allerdings hatte ich das Gefühl, dass nicht nur bei mir einzelnen Knoten ungelöst blieben, sondern dass auch die Autorin manche Fäden aus der Hand verloren hat. War das wirklich noch alles logisch? Ist wirklich alles geklärt worden, was ich mich zwischenzeitlich gefragt habe? Habe ich irgendwas verpasst? Waren wirklich ALLE Zwischen- Episödchen nötig? Hatten wirklich ALLE Zwischen- Episödchen einen Sinn oder eine wichtige Information, die für die Entwicklung der Geschichte wichtig waren? Dadurch hatte mich die Geschichte an der ein oder anderen Stelle leider auch kurzzeitig verloren, was schade war.

Alles in allem ist das Buch aber ein wirklich spannende und umfassende Familiengeschichte, die mit etwas Abstand betrachtet etwas besser ist, als ich zunächst dachte. Es ist sicherlich ein Buch für einen guten Grundüberblick über die Geschichte Deutschlands der letzten 100 Jahr und geeignet für solche Leser*innen, die vielleicht nicht so viel Hintergrundwissen haben oder erzählt bekommen wollen, wie ich mir das bei historischen Romanen erhoffe.

Bewertung:
 :Box1:  :Box1:  :Box1:  :Box1:  :Box_grau1:
Titel: Aw: Michaela Beck: Das Licht zwischen den Schatten
Beitrag von: Kathrin in 31. Dezember 2024, 12:30:41
Ging leider nicht kürzer. :rotwerd: