Hundert Jahre Blindheit von Roman Rozina
Herausgeber: Klett-Cotta;
Gebundene Ausgabe: 584 Seiten
ISBN-10: 3608987282
Inhalt:
»Hundert Jahre Blindheit« erzählt vom Aufstieg und Niedergang einer Familie. Die massiven gesellschaftlichen Umbrüche, die den Vorabend der Moderne prägen, machen auch vor dem blinden Matija und dessen Umfeld nicht halt. Ein monumentaler Familienroman aus Slowenien, der das europäische Erbe des 20. Jahrhunderts aufleben lässt.
Als am 24. Mai 1900 ein Kind in der Familie Knap geboren wird, ahnt noch niemand, dass der kleine Matija sein Leben lang blind bleiben wird. Und doch, so stellt es sich später heraus, ist er der Einzige, der den Herausforderungen, die der Familie bevorstehen, wirklich ins Auge blickt. Das Unwetter, das bei Matijas Geburt in Podgorje getobt hat, scheint ein böses Omen zu sein. Der Grundbesitz der Familie wird fast vollständig zerstört und die Knaps sind bald gezwungen, sich in der neu entstandenen Bergbausiedlung als Arbeiter zu verdingen. Während die Industrialisierung den sozialistischen Arbeiterkampf immer stärker befördert und die Emanzipationsbewegung Familienstrukturen über den Haufen wirft, rufen die Kriege des 20. Jahhrunderts die Soldaten wie böse Geister auf den Plan. Roman Rozina hat einen meisterhaft erzählten Roman geschrieben über ein Jahrhundert, dem wir heute noch oft mit Blindheit gegenüber stehen.
»Der Roman Hundert Jahre Blindheit zeugt von der außerordentlichen Erzählkraft des Autors. Die Saga der Familie Knap mit ihren zahlreichen historischen Bezügen entwickelt sich zu einem monumentalen Fresko der slowenischen Gesellschaft des 20. Jahrhunderts.« - Julija Uršič, Bukla
Meine Meinung:
Puh, das war leider ein zäher und deprimierender Start in das Lesejahr 2025 mit dem Roman ,,Hundert Jahre Blindheit" von Roman Rozina. Ich hatte mir einiges von dieser Geschichte erhofft, auch wenn ich weiß, dass ich nicht den einen historischen Roman nicht mit anderen oder die Art eine Geschichte zu erzählen nicht mit einer anderen vergleichen sollte. Aber der Vergleich drängt sich ein wenig auf, wenn mir das Buch auf dem hinteren Buchcover als eine Familien-Saga vorgestellt wird, ,,die sich zu einem monumentalen Fresko der slowenischen Gesellschaft des 20 Jahrhunderts entwickelt." Ich gebe zu, dass ich in der Hinsicht etwas verwöhnt bin und auf etwas anderes gehofft hatte. Ich hatte gehofft mehr über das Land Slowenien, seine Geschichte, seine Kultur, seine Bewohner zu erfahren, aber wirklich kennengelernt haben wir nur die verschiedenen Mitglieder der Familie Knap über mehrere Generationen in einem Zeitraum von 100 Jahren (1900 – 2000).
Ja, die Geschwisterschar um den blinden Matija, mit dessen Geburt das Buch beginnt, ist ein vielschichtiger Haufen: ein Blinder mit schärferem Sehvermögen als so mancher Nicht-Blinde, ein Mädchen mit körperlichen Einschränkungen, die sich durchs Leben kämpft, eine Lehrerin, die erst als ledige Schwangere fortgeschickt wird und später noch einmal als Frauenrechtlerin und eineiige Zwillinge, von denen einer der größte Fabrikant im Ort wird und der andere ein berüchtigter Antikapitalist. Das klingt grundsätzlich nach spannenden Charakteren, allerdings sind die Figuren, trotz des expliziten Fokus, den Autor auf die Familie Knap legt, für mich sehr fern und irgendwie nur Schatten ihrer Selbst geblieben. Der ein oder andere Nebenfigur wirkte hingegen auf mich künstlich aufgebläht. Oft genug gibt es größere Zeitsprünge (dabei aber selten Angaben, in welchem Jahr/ Jahrzehnt wird uns befinden) und ebenso oft werden wir vor vollendete Tatsachen gestellt. So erfahren wir z.B. nur in wenigen Sätzen und auch zum Teil nur in der Retrospektive, was die Familienmitglieder während der deutschen Besatzung zur Zeit des Zweiten Weltkriegs durchlebt haben, aber wir erleben es nicht wirklich mit. Erschwerend hinzu kommt, dass für ein 600 Seiten starkes Buch verhältnismäßig wenig wörtliche Rede vorkommt und zu viel um spannende Ereignisse herum erzählt, dabei aber das Innenleben der Figuren wird meist außeracht gelassen wurde. Dies führte dazu, dass mir die Nähe zu ihnen und die Emotionen fehlten und es mich somit auch nicht wirklich zu dem Buch und zum Weiterlesen gezogen hat.
Grundsätzlich lässt sich der Stil des Autors gut lesen, es ist keine komplizierte Sprache, aber mir persönlich ist das Buch zu ruhig erzählt. Der Anfang hat mir sogar ziemlich gut gefallen, das Unwetter während Matijas Geburt und wie der Hof der Familie zerstört wird, das war sehr plastisch, sehr atmosphärisch erzählt. Aber im Großen und Ganzen empfand ich den Erzählstil als langweilig, auch wenn ich froh, dass sich inhaltlich so mancher Kreis im Laufe der 600 Seiten schließt, auch wenn die Kreislinie mitunter unterbrochen wirkt. Dinge/ Personen, die zu Beginn des Buches wichtig waren, werden am Ende des Buches wieder in die Gegenwart der Familie gerückt, trotzdem gibt es zu viele offene Fragen und Ereignisse, die mir zu kurz erzählt oder nicht abschließend geklärt wurden.
In meinen Augen ist das größte Manko an diesem Buch jedoch, dass ich gefühlt nichts über die Geschichte, die Politik und Kultur des Landes Slowenien über dieses Buch erfahren habe und zu viel Hintergrundwissen vorausgesetzt wird. Tito wird beispielsweise gerade einmal in einem Halbsatz erwähnt, wahrlich kein unwichtiger Politiker des ehemaligen Jugoslawien. Auch wenn ich grundsätzlich gerne neben dem eigentlichen Lesen für mich selbst Hintergrundrecherche betreibe, so hat es Roman Rozina leider nicht geschafft, mich auf Slowenien neugierig zu machen ich mich demzufolge dann auch nicht selbst weitergebildet habe. Schade für das Land, das 2023 Gastland der Frankfurter Buchmesse war und sicherlich ein spannende Geschichte und tolle Landschaften und Menschen zu bieten hat. Dass mir persönlich die Extras wie eine historische Zeittafel, Personenregister und ein Nachwort des Autors fehlt, mag ein ganz persönlicher Kritikpunkt sein, aber es gibt leider noch nicht einmal eine Danksagung des Autors und das finde ich nun doch mehr als schade.
Ich hatte zu Beginn des Buches den Verdacht, dass es dem Buch nicht gut tut, wenn man es zu oft für ein Parallelbuch unterbricht. Zum Schluss war ich jedoch froh, es in kleineren Häppchen gelesen zu haben, weil es mich einfach zu sehr enttäuscht hat und ich zu sehr genervt war. Es war für mich ein ziemlich frustrierender Start in das Lesejahr, aber ich wollte nicht mit einem Abbruch ins Lesejahr starten. Und um manches wirklich auch tolle Kapitel – in denen der Autor zeigt, wie toll er erzählen kann - wäre es auch wirklich schade gewesen, aber im Endeffekt war es nicht mein Buch. Schade.
Bewertung:
:Box1: :Box1: :Box_grau1: :Box_grau1: :Box_grau1:
Schwierige Zeitsprünge, kaum Gespräche oder Dialoge durch die man die Personen besser kennen lernt und eine zähe Handlung...
Das klingt wirklich anstrengend.
Zitat von: KathrinEs war für mich ein ziemlich frustrierender Start in das Lesejahr, aber ich wollte nicht mit einem Abbruch ins Lesejahr starten. Und um manches wirklich auch tolle Kapitel – in denen der Autor zeigt, wie toll er erzählen kann - wäre es auch wirklich schade gewesen, aber im Endeffekt war es nicht mein Buch. Schade.
Ganz ehrlich...
ICH hätte abgebrochen und nach einem besseren Buch gesucht !!!
Auch wenn es einige gut erzählte Kapitel in diesem Buch gibt, soweit wäre ich wahrscheinlich gar nicht gekommen.
Parallel lesen kann ich nicht gut, aber es ist gut das du durch dein Zweitbuch dieses Buch in erträglichen Abschnitten dosiert lesen konntest.
Danke für deine ausführliche Rezi
Respekt dass Du durchgehalten hast