Es geht schon los, das ist ja prima!
Ganz ehrlich - natürlich würde ich auch erst mal ganz dumm aus der Wäsche gucken, wenn gegenüber meines Hauses plötzlich irgendetwas Neues, Unbekanntes - und zutiefst Hässliches erscheinen würde. Ich glaube, es gibt nur ganz wenige Leute, die dann auf Anhieb "Juchu, neue Nachbarn" rufen

Wobei ich witzigerweise erst in 2015 erfahren habe, dass wir ein normales Flüchtlingsheim in unmittelbarer Nähe haben. Ich bin da seit unserem Einzug in 2011 jeden Tag 2-3 mal mit den Hunden vorbei gegangen und habe nie gemerkt, dass das ein Asylbewerberheim ist. Aber so eine Notunterkunft mit Sichtschutzzäunen, Schlafsälen und Schlepperlastern, die da schon mal direkt vor der Tür halten können, ist eine ganz andere Geschichte. Klar reagiert man da zunächst mal ... kritisch und fragt sich: Hätte das nicht wo anders sein können?
Da muss man sich ja nur mal anschauen, was passiert, wenn irgendwo ein Kindergarten eröffnet wird. Da sind auch nicht alle Nachbarn glücklich. (Ich wäre es wohl auch nicht

.)
In *meiner* NUK (NUK = Notunterkunft und *meine* sage ich, wenn ich die meine, in der ich ein halbes Jahr lang Deutschkurse gemacht habe) war es tatsächlich genau wie im Buch. Die unmittelbaren Nachbarn kamen aus dem Urlaub und standen mit großen Augen vor dem Zaun, der um die Turnhalle einer Grundschule gebaut worden war. Ihr Küchenfenster guckte genau gegen den Bürocontainer. Die haben es aber nach dem ersten Schreck pragmatisch gesehen und sich prima damit arrangiert - die NUK stand dann auch nur ein gutes halbes Jahr.
An Chaos war es auch bei uns in der ersten Zeit kaum zu toppen. Die Info, unsere Stadt müsste Notunterkünfte bereitstellen, kam 48 Stunden vor der offiziellen Ankunft der ersten 100 Menschen - die kamen dann 5 Stunden zu früh (mitten in der Nacht!) und es waren 180. Zwei Busse voller Menschen kamen ohne Gepäck - das war irgendwo beim Umsteigen/ Umladen verloren gegangen - die Leute hatten also nicht mal eine Unterhose zum Wechseln.
Die Bürger waren natürlich komplett geteilter Meinung, vor allem an der zweiten NUK kam es viel Gegenwehr, denn die stand auf dem Gelände eines Gymnasiums - Leerstand gibt es in Langenfeld einfach nicht. Lief dann aber hervorragend - die Oberstufen haben dann u.a. Deutsch- und Sport-AGs angeboten und dadurch, dass die Flüchtlinge in der Mensa versorgt wurden, kam es ganz viel zu Kontakt und es gab keinerlei Abgeschiedenheit - was SO viel wert ist!
Der Kika berichtete uA mehrmals drüber - es war sehr nett da.
Was die Ehrenamtler betrifft, hing das bei uns immer komplett davon ab, wer die NUK leitete, das waren idR DRK oder Malteser und da gab es in den ersten Wochen keinerlei offiziellen Richtlinien. In manchen Einrichtungen konnte jeder ohne ein Wort rein- und rausspazieren, andere wurden komplett abgeschottet - da durften auch keine Ehrenamtler rein -, wieder andere hatten bestimmte Bedingungen. Witzig wurde es, wenn die Leitung wechselte - was überall mehrmals der Fall war, da Leute hinschmissen oder sich einfach als unfähig herausstellten. Da galten von heute auf morgen andere Regeln - ich habe da einige Male sehr böse werden müssen, um meinen Deutschkurs weiterführen zu können.
Vorgaben von der Bezirksregierung (die für alle Notunterkünfte verantwortlich ist) gab es zunächst nur für den Bereich Küche und Sanitär. Wozu übrigens auch die Anweisung gehörte, die Flüchtlinge dürften keinesfalls selbst in den Gemeinschafts- oder Sanitärbereichen putzen - aus versicherungstechnischen Gründen. Regelungen für Ehrenamtler gab es erst später; das wird im Buch auch noch Thema.
Ja, und so kenn ich jetzt eben eine handvoll Flüchtlinge persönlich. Und es sind genauso nette, pfiffige, freche, faule, sympathische und unsympathische Kinder wie in jeder beliebigen 'normalen' Schulklasse auch - na, wer hätte das gedacht?! 
Ja, das war auch exakt mein Erleben, wobei ich das auch noch auf die Erwachsenen ausweiten kann.