Es ist Frühsommer, eine Dienstag-Morgen im Juni, ich habe Urlaub und sitze mit einer Tasse Kaffee, umringt von meinen vier Stubentigern auf der sonnenbeschienen Terrasse und ich freue mich auf ein rasantes Ende, einen fulminanten Show-Down, welcher mich wohl auf den letzten 50 Seiten in „Zornesbrand“ erwarten wird. „Zornesbrand“ ist der fünfte Fall des Ermittler-Duos Jennifer Leitner und Oliver Grohmann aus der Feder von Saskia Berwein, auf den wir Fans vier lange Jahre warten mussten. Dieser Thriller ist bei dem neu gegründeten Kuneli-Verlag erschienen, für den niemand anderes als die Autorin selbst verantwortlich ist. Ich kann hierzu nur sagen: „Hut ab“ vor der Entscheidung und „Viel Erfolg, liebe Saskia Berwein,“ wir drücken alle zur Verfügung stehende Daumen und Pfoten, dass Du die tollen Ideen, die Du für den Kuneli-Verlag hast, mit der Zeit alle umsetzen kannst. Rein visuell ist das Buch wunderbar gelungen. Es passt in Größe, Cover und Farben perfekt zu den ersten vier Bänden der Reihe und war auch wie nicht anders zu erwarten ein absoluter Pageturner!
In „Zornesbrand“ haben es unsere Ermittler mit einem brutalen Vergewaltiger und Frauenmörder zu tun, wobei sich der Fall langsamer entwickelt, als bei Saskia Berwein bislang üblich, denn nach einer ersten, für das Opfer glücklicherweise, nicht vollendeten Vergewaltigung, bei der der Täter gestört wurde, lässt das erste Todesopfer einige Zeit auf sich warten. In diesem Buch lernen die Leser Kristina kennen, eine junge Frau, die klammheimlich in einer gut vorbereiteten Aktion mitten in der Nacht nach Lehmanshain gezogen ist, um ihrem brutalen Ex-Freund Henning zu entkommen. Als Leser ist man den Ermittlern klar im Vorteil, weil wir diesen Teil des Falles kennen und sehr früh zu der Annahme kommen, dass zwischen Kristina und Henning und den Überfällen auf die jungen Frauen ein Zusammenhang bestehen muss. Wie sich der Fall jedoch am Ende auflöst, hat mich völlig auf dem falschen Fuß erwischt. Ich musste diese Wendung erst einmal verdauen und auch verstehen. Eine 08/15-Auflösung hätte aber auch nicht zu diesem spannenden Fall gepasst und wäre der Spannung, dem Nervenkitzel nicht gerecht geworden, die trotz des ruhigen Beginns ununterbrochen da waren, manchmal nur unter der Oberfläche gekratzt haben.
Den größten Teil der Spannung hat für mich jedoch ein weiterer Erzählstrang erzeugt, denn Jennifer Leitner wird bedroht. Massiv bedroht, und zwar in Form von anonymen Anrufen, die Jennifer erhält und die jeweils nur aus Songausschnitte mit äußerst aussagekräftigen Texten bestehen. Jennifer Leitner und Oliver Grohmann ziehen relativ schnell die vermeintlich richtigen Schlüsse, gehen diesen Bedrohungen jedoch nicht nach, denn sie haben beide nach der Aufklärung des letzten Falles eine klare Ansage von ihren Vorgesetzten bezüglich ihrer gewohnten Alleingänge bekommen, weshalb sie nun vorerst gezähmt zu sein scheinen. Die Songs in den Drohanrufen gegen Jennifer Leitner hat Saskia Berwein perfekt gewählt, düster, hart, rockig, verstörend, aber auch nur bedingt Musik, die ich hören würde. Dennoch, reingehört habe ich in alle Songs, denn am Ende des Buches hat Saskia Berwein eine Playlist geliefert, was ich als Hobby-Musikerin bei Büchern, in denen Musik ein große Rolle spielt, total liebe.
Die Aufklärung des Falles um den Frauenmörder hat mich, wie schon erwähnt, auf dem falschen Fuß erwischt, das eigentliche Ende, ein bitterböser Cliffhanger jedoch noch viel mehr. Und deshalb komme ich noch einmal auf den etwas ungewöhnlicheren Anfang meiner Rezension zurück: Es ist Frühsommer, eine Dienstag-Morgen im Juni, ich habe Urlaub und sitze mit einer Tasse Kaffee, umringt von meinen vier Stubentigern auf der sonnenbeschienen Terrasse und ich freue mich auf ein rasantes Ende, einen fulminanten Show-Down, welcher mich wohl auf den letzten 50 Seiten in „Zornesbrand“ erwarten wird … und dann, 5 Zeilen vor Schluss, fällt mir das Buch aus der Hand und alles was um mich herum noch existiert ist ein großes Nein! NEIN! Saskia, das ist jetzt nicht Dein Ernst!
NEIN! Oh Gott, ... nein ...
Ich schwanke in der Bewertung des Buches und des Schlusses noch zwischen

Kisten mit dem Schwur auf den Lippen, nie wieder ein Buch von Saskia Berwein zu lesen und

Kisten.
Ich entscheide mich für

Kisten, denn eine Pille-Palle-Friede-Freude-Eierkuchen-Ende hätte einfach nicht gepasst. Und so bleibt mir als Fan dieser Reihe nichts anderes übrig, als ungeduldig auf den sechsten Fall von Jennifer und Oliver zu warten und meine Miezen zu beschmusen.