Christian Berkel - Der Apfelbaum

Begonnen von Inge78, 17. Oktober 2019, 06:41:32

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Inge78

Zitat»Jahrelang bin ich vor meiner Geschichte davongelaufen. Dann erfand ich sie neu.«

Für den Roman seiner Familie hat der Schauspieler Christian Berkel seinen Wurzeln nachgespürt. Er hat Archive besucht, Briefwechsel gelesen und Reisen unternommen. Entstanden ist ein großer Familienroman vor dem Hintergrund eines ganzen Jahrhunderts deutscher Geschichte, die Erzählung einer ungewöhnlichen Liebe.

Berlin 1932: Sala und Otto sind dreizehn und siebzehn Jahre alt, als sie sich ineinander verlieben. Er stammt aus der Arbeiterklasse, sie aus einer intellektuellen jüdischen Familie. 1938 muss Sala ihre deutsche Heimat verlassen, kommt bei ihrer jüdischen Tante in Paris unter, bis die Deutschen in Frankreich einmarschieren. Während Otto als Sanitätsarzt mit der Wehrmacht in den Krieg zieht, wird Sala bei einem Fluchtversuch verraten und in einem Lager in den Pyrenäen interniert. Dort stirbt man schnell an Hunger oder Seuchen, wer bis 1943 überlebt, wird nach Auschwitz deportiert. Sala hat Glück, sie wird in einen Zug nach Leipzig gesetzt und taucht unter.

Kurz vor Kriegsende gerät Otto in russische Gefangenschaft, aus der er 1950 in das zerstörte Berlin zurückkehrt. Auch für Sala beginnt mit dem Frieden eine Odyssee, die sie bis nach Buenos Aires führt. Dort versucht sie, sich ein neues Leben aufzubauen, scheitert und kehrt
zurück. Zehn Jahre lang haben sie einander nicht gesehen. Aber als Sala Ottos Namen im Telefonbuch sieht, weiß sie, dass sie ihn nie vergessen hat.

Mit großer Eleganz erzählt Christian Berkel den spannungsreichen Roman seiner Familie. Er führt über drei Generationen von Ascona, Berlin, Paris, Gurs und Moskau bis nach Buenos Aires. Am Ende steht die Geschichte zweier Liebender, die unterschiedlicher nicht sein könnten und doch ihr Leben lang nicht voneinander lassen.

Ich habe "Der Apfelbaum" in einer Leserunde mit zwei Freundinnen gelesen. Der Austausch über das Buch hat einen die Geschichte noch intensiver erleben lassen.
Allerdings muss ich sagen, dass solche Intensität nicht immer nötig war, denn teilweise plätschert das Buch doch etwas vor sich hin.

Christian Berkel erzählt in diesem Roman die Geschichte seiner Eltern, seine Mutter ist Halbjüdin, sein Vater als Arzt im Krieg. Beide hatten kein leichtes Leben, und insbesondere Sala hat viele Stationen in ihrem Leben bereist um endlich irgendwann zur Ruhe kommen zu können.

Die Geschichte ist sehr episodenhaft erzählt, hat einige Zeitsprüngen, die man aufgrund fehlender Jahreszahlen leider nicht immer nachvollziehen kann. Zur Hälfte hin zieht das Tempo dann an und das Buch wird spannend und interessant, gerade auch die Zeit des 2.Weltkrieges ist sehr eindringlich beschrieben. Dort sind auch einige teile der Geschichte aus der Sicht seines Vaters erzählt, der wohl Tagebuch geschrieben hat. Gerade durch die sehr persönlichen Erlebnisse wird die Grausamkeit des Krieges mehr als lebendig.

Christian Berkel erzählt auch immer wieder davon, wie seine Mutter in der Gegenwart langsam ihr Gedächtnis verliert und sich in der Gegenwart nicht mehr zurecht findet und Vieles durcheinander bringt. Dies ist sehr liebevoll geschildert, aber auch erschreckend.

Christian Berkels Schreibsprache ist wirklich schön, man findet einige Stilblüten in seinem Buch. Leider bleiben aber auch einige Dinge offen.

Zum Ende hin fehlte mir leider ein Nachwort, in dem geschildert wird, was Wahrheit ist,was Christian Berkel vielleicht dazu beschrieben hat, was er von seiner Mutter erfahren hat, was er recherchiert hat. Gerade bei so einer Romanbiographie finde ich das doch recht wichtig.

Alles in Allem ein guter und wichtiger Roman, gerade in einer Zeit, in der die politische Gesinnung doch wieder viel zu sehr nach rechts tendiert.
Eine Mahnung, nicht zu vergessen.

[note2-]
Words are, in my not-so-humble opinion, our most inexhaustible source of magic. Capable of both inflicting injury, and remedying it - Albus Dumbledore

Im finst´ren Förenwald, da wohnt ein greiser Meister. Er ficht gar furchtlos kalt sogar noch feiste Geister.
(aus "ES" von Stephen King)

Fiktion ist wie ein Spinnennetz, das, auch wenn nur vielleicht ganz leicht, an allen vier Ecke des Lebens befestigt ist.
- Virginia Woolf