Charlotte Roth - Die Königin von Berlin

Begonnen von Nerolaan, 22. März 2020, 21:10:34

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Nerolaan

Klappentext
Wo sie auftritt, jubeln die Menschen der geheimnisvollen Carola Neher zu. Die Theater reißen sich um sie. Berlin liegt ihr zu Füßen in jenen letzten Jahren der Weimarer Republik. In durchfeierten Nächten verdreht sie einem berühmten Mann nach dem anderen den Kopf – doch im Herzen bleibt sie allein. Das ändert sich, als sie dem Dichter Klabund begegnet, ein Suchender und ein Getriebener wie sie selbst.
Ausgerechnet sie, die begehrte femme fatale, verliebt sich in den scheuen, zurückhaltenden Dichter, der von der gleichen inneren Glut verzehrt wird wie sie selbst. Was keiner für möglich gehalten hätte, tritt ein: Sie heiratet ihn. Doch eine brave Ehefrau wird Carola nicht, denn schon bald lockt sie das wilde Leben – und die Künstler Berlins, darunter Bertolt Brecht, der ihr die Chance ihres Lebens bietet ...

Meine Meinung

Karoline Neher hat viele Namen: Carola, Carla, Barbara.
So vielseitig ihre Namen sind, die sich selbst oder von ihren Geliebten bekommt, so zielstrebig geht sie mit ihrem Lebensweg vor: Schauspielerin werden – und das um (fast) jeden Preis.

Mit Carola Neher steht eine historische Persönlichkeit im Mittelpunkt von Charlotte Roths neuem Roman. Eine junge Frau, die so voller Energie und Lebensfreude sprüht, wie die Zeit in der sie lebt.
Es war mir eine absolute Freude Carola auf ihrem Lebensweg zu begegnen. Immerzu habe ich mich gefragt, ob das, was sie da grade tut, auch gut für sie ausgeht.
Auch war mir die Bekannschaft Carolas zu machen eine Freude – hatte ich doch bis zu diesem Roman keine Ahnung, dass es sie gab, obwohl ich mich mit Brecht beschäfitgt habe und auch Werke Klabunds kenne.

Umso faszinierender waren dann auch die Begegnungen mit Klabund und dem durch und durch getriebenen Brecht für mich. Für mich fügten sich einzelne Mosaiksteinchen gekonnt zusammen – eine Geschichtsstunde, ohne belehrend zu sein.

Neben den für mich hochinteressanten Stoff, ist es wieder Charlotte Roths einfühlsamer und alles durchdrigende Schreibstil, der den Roman zu einem Erlebnis macht – noch nie ht jemand die Unruhe so ruhig und greifbar beschrieben wie Charlotte Roth.

Dieser Roman ist absolut lesenswert und ich harre bereits dem nächsten Roman entgegen.

[note1]

Inge78

Ich habe "Die Königin von Berlin" als Hörbuch gehört.
Gelesen und teilweise gesungen von der grandiosen Elisabeth Günther, die Carola Neher für mich lebendig gemacht hat.
Bislang war mir Carola Neher völlig unbekannt, mittlerweile habe ich das Gefühl, sie wenigstens ein bisschen zu kennen. Und zum Glück gibt es Bilder und sogar Bild- und Tonaufnahmen von ihr, so dass ich während des Lesens auch immer wieder das Internet genutzt habe um ihrer Stimme auf Youtube zu lauschen. Eine beeindruckende Persönlichkeit.Wenn auch sehr getrieben und kompromisslos, was es mir manchmal schwer macht, sie zu mögen.
Und verliebt habe ich mich in Klabund, in Alfred Henschke. Und was habe ich mit ihm gelitten. Elisabeth Günther hat ihn so gut gelesen, dass mir teilweise beim Hören die Luft fehlte.

Und mit diesem Buch gelingt Charlotte Roth auch ein faszinierendes Portrait der 1920er Jahre. Man spürt den Lebenshunger der Menschen, ihre Lust auf Spaß und Freiheit. Und gleichzeitig spürt man die Bedrohung, den politischen Umsturz. Unter den Folgen des 1.Weltkrieges leiden Land und Landsleute. Und wir als Leser wissen, dass der 2.Weltkrieg kurz bevor steht, die Nazis, die hier eher eine Randerscheinung sind, die Macht ergreifen werden. Das macht die angedeutete Bedrohung umso schlimmer.

Fasziniert hat mich auch Brecht, auch wenn man ihn hier nicht mögen kann. Und die Entstehung der berühmten Dreigroschenoper war wirklich spannend mitzuerleben. Ich muss unbedingt einen Film dazu sehen

Charlotte Roth baut ihren Roman wie eine Theateraufführung vor. Ihr zweiter Handlungsstrang, der zeitversetzt spielt, hat mir allerdings nicht so gut gefallen, weil es in meinen Augen zu wenig für die Handlung getan hat

ZitatNeben den für mich hochinteressanten Stoff, ist es wieder Charlotte Roths einfühlsamer und alles durchdrigende Schreibstil, der den Roman zu einem Erlebnis macht – noch nie ht jemand die Unruhe so ruhig und greifbar beschrieben wie Charlotte Roth.

DAS kann ich nicht besser ausdrücken und schließe mich vorbehaltlos an

[note2+]
Words are, in my not-so-humble opinion, our most inexhaustible source of magic. Capable of both inflicting injury, and remedying it - Albus Dumbledore

Im finst´ren Förenwald, da wohnt ein greiser Meister. Er ficht gar furchtlos kalt sogar noch feiste Geister.
(aus "ES" von Stephen King)

Fiktion ist wie ein Spinnennetz, das, auch wenn nur vielleicht ganz leicht, an allen vier Ecke des Lebens befestigt ist.
- Virginia Woolf

Nerolaan

Zitat von: Inge78 in 13. Mai 2020, 10:57:50
Ihr zweiter Handlungsstrang, der zeitversetzt spielt, hat mir allerdings nicht so gut gefallen, weil es in meinen Augen zu wenig für die Handlung getan hat

Das stimmt. Bis mir dämmerte, wer dort die Stadt besucht, habe ich mich auch gefragt, was das eigentlich soll.

Inge78

Zitat von: Nerolaan in 13. Mai 2020, 14:02:17
Zitat von: Inge78 in 13. Mai 2020, 10:57:50
Ihr zweiter Handlungsstrang, der zeitversetzt spielt, hat mir allerdings nicht so gut gefallen, weil es in meinen Augen zu wenig für die Handlung getan hat

Das stimmt. Bis mir dämmerte, wer dort die Stadt besucht, habe ich mich auch gefragt, was das eigentlich soll.

Ja, auch dann war es irgendwie sinnlos  :kopfkratz:
Und hatte auch keine Atmosphäre , fand ich
Words are, in my not-so-humble opinion, our most inexhaustible source of magic. Capable of both inflicting injury, and remedying it - Albus Dumbledore

Im finst´ren Förenwald, da wohnt ein greiser Meister. Er ficht gar furchtlos kalt sogar noch feiste Geister.
(aus "ES" von Stephen King)

Fiktion ist wie ein Spinnennetz, das, auch wenn nur vielleicht ganz leicht, an allen vier Ecke des Lebens befestigt ist.
- Virginia Woolf

Nerolaan

Das stimmt. Aber letztlich sind mir die Passagen durch die anderen in den 1920ern eh verloren gegangen, da die anderen wesentlich besser sind.
Sehr gelungen fand ich auch, wie die Autorin Brechts Verfremdungseffekt selber genutzt hat.

Inge78

Zitat von: Nerolaan in 13. Mai 2020, 14:09:40
Das stimmt. Aber letztlich sind mir die Passagen durch die anderen in den 1920ern eh verloren gegangen, da die anderen wesentlich besser sind.
Sehr gelungen fand ich auch, wie die Autorin Brechts Verfremdungseffekt selber genutzt hat.

:nixweiss1:

Oh, keine Ahnung
Ich kenne mich mit Brecht uns solchen Stilmitteln mal so gar nicht aus
Words are, in my not-so-humble opinion, our most inexhaustible source of magic. Capable of both inflicting injury, and remedying it - Albus Dumbledore

Im finst´ren Förenwald, da wohnt ein greiser Meister. Er ficht gar furchtlos kalt sogar noch feiste Geister.
(aus "ES" von Stephen King)

Fiktion ist wie ein Spinnennetz, das, auch wenn nur vielleicht ganz leicht, an allen vier Ecke des Lebens befestigt ist.
- Virginia Woolf

Nerolaan

Das sind die Passagen zu Beginn und am Ende, wo sie als Autorin auftritt und uns als Leser begrüßt und verabschiedet.