Der Wintersoldat von Daniel Mason
Herausgeber : C.H.Beck
Gebundene Ausgabe : 430 Seiten
ISBN-10 : 340673961X
Meine Meinung:So enttäuschend das Lesejahr 2020 auch geendet hat, so grandios hat das Lesejahr 2021 begonnen, denn „Der Wintersoldat“ von Daniel Mason war direkt ein Jahreshighlight, ein Buch, das mich vermutlich lange nicht loslassen wird.
Erzählt wird die Geschichte von Lucius, einem 22-jährigen Medizinstudenten aus gutem Wiener Haus, der sich 1915 freiwillig zum Dienst als Sanitätsoffizier für ein Kriegslazarett in den Karpaten meldet, allerdings recht blauäugig in die Ferne gezogen ist, da er keinerlei Praxiserfahrung aufweisen kann. Aber er ist begabt, lernt schnell in Margarete, einer Ordens-/ Krankenschwester im Lazarett eine großartige Lehrerin, die ihm letztlich alles beibringt was er wissen muss und über die Theorie hinausgeht.
Für mich kam dieser historische Roman zum absolut perfekten Zeitpunkt, genau die Art von Buch, die ich derzeit lesen will, die mich fordern, die viel von mir abverlangen, die mitunter schwer zu ertragen sind, die ich aber auch nie vergessen werde. Aber bestimmt kein Buch für jeden Leser und auch kein Buch für jede Gemütslage, kein Buch für zwischendurch, kein Buch zur Ablenkung vom eigenen Alltag. Als LeserIn sollte man sich selbst gut einschätzen können, ob und wann man sich auf diese Geschichte einlassen kann.
Da ich „Lust“ auf „schwere Kost“ hatte, bin ich sehr gut und sehr schnell in das Buch reingekommen. Der Autor besticht mit einem klaren, ehrlichen Erzählstil und verzichtet literarisch wunderschöne Sätze. Und dennoch habe ich mir Sätze in dem Buch markiert, die aus dem Zusammenhang gerissen nicht besonders sind, aber in ihrem Zusammenhang einfach so wahr und echt sind. Der Autor schafft mit dieser so echten Sprache und einem guten Blick für Szenen, Orte oder Menschen Atmosphäre, keine schöne mollig-warme Kuschelatmosphäre, sondern die harte Realität eines Winters in der Nähe der Front während des Ersten Weltkriegs. Mir war kalt, ich hatte Hunger und ich habe vor Schmerzen (in einem nicht vorhandenen männlichen Geschlechtsteil) geschrien und bei der Behandlung derselben. Die Brutalität und Grausamkeit dieser Zeit ist so gut spürbar und macht mir einmal mehr klar, in was für einer privilegierten Zeit und Welt ich aufgewachsen bin und leben darf – auch wenn die aktuelle Pandemie auch mir an den Nerven zerrt.
Auch die Figuren, allen voran natürlich die beide Protagonisten sind mir sehr ans Herz gewachsen. Margarete ist eine Frau der Tat, hat eine zupackende Art. Lucius hat eine große Entwicklung durchgemacht, nicht nur vom Studenten zum praktizierenden Arzt. Nein, er ist erwachsen geworden, ist gewachsen an den Erfahrungen, die er machen musste. Er begreift, er versteht, wenn auch nicht immer auf die sanfte Art.
Zu Beginn bin ich beim Lesen über die medizinischen Fachbegriffe und osteuropäischen (ungarischen, polnischen) Namen von Orten und Menschen gestolpert, aber irgendwann habe ich diese nicht mehr wirklich wahrgenommen, weil mich die Geschichte viel zu sehr gefesselt hat. Die letzten ca. 80 Seiten habe ich in einem Rutsch gelesen und weiß nicht wirklich ob ich in dieser Zeit geatmet habe, ob ich atmen konnte. Aber eins weiß ich, ich hab geheult! Das Ende des Buches war SO! GUT! So wichtig und nur in dieser Art und Weise richtig für diese Geschichte. Und ohne Scheiß: wenn eine Liebesgeschichte SO erzählt wird, dann will ich mehr Liebesgeschichten lesen.
„Der Wintersoldat“ von Daniel Mason ist ein sehr gut recherchierter und eindrücklich erzählter historischer Roman, in dem historische Fakten und die fiktive Geschichte von Lucius und Margarete perfekt ineinander verschmelzen, dass man sich gut vorstellen kann, dass die Geschichte sich genau so vor über 100 Jahren abgespielt hat. Der Roman hat mich dazu angestachelt noch mehr über den Ersten Weltkrieg zu erfahren, ich werde mich demnächst nach einem guten Sachbuch umschauen. Ein Buch über die Grausamkeit und Brutalität des Krieges, aber auch ein Buch, das Hoffnung macht und das zeigt, dass man trotz ganz fürchterlicher und schlimmer Traumata sein Lachen wiederfinden kann. (Und allein, wenn ich diesen letzten Satz schreibe und lese, treten mir schon wieder die Tränen in die Augen!)
Bewertung:

*****************