Defne Suman: Tochter einer leuchtenden Stadt

Begonnen von Kathrin, 27. Oktober 2023, 14:44:57

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Kathrin

Defne Suman: Tochter einer leuchtenden Stadt

Herausgeber ‏ : ‎ List Hardcover
Gebundene Ausgabe ‏ : ‎ 496 Seiten
ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3471360552

Inhalt: An einem orangegetünchten Abend kommt im September 1905 in der Hafenstadt Smyrna ein kleines Mädchen zur Welt. Sie wächst behütet auf bei ihrer griechischen Familie, umgeben von goldfarbenen Minaretten, dem süßen Duft von Feigen und dem Klang einer Mandoline, die ein verliebter Junge unter ihrem Fenster spielt. Doch die Idylle zerbricht jäh, als nach dem Zerfall des Osmanischen Reichs aus Nachbarn plötzlich Feinde werden. Während die Stadt von einem verheerenden Feuer heimgesucht wird, retten drei Familien, eine griechische, eine türkische und eine levantinische, was ihnen am meisten am Herzen liegt: ein Mädchen, das einst an einem orangegetünchten Abend zur Welt kam.

Die unvergessliche Geschichte einer mutigen Frau, deren pralles Leben geprägt ist von ihrer Liebe zur Heimat. Einer Frau, die die einmalige Schönheit und den tragischen Untergang ihrer Stadt am eigenen Leib erfährt und ihr leidenschaftliches Vermächtnis mit uns teilt. 

Meine Meinung (ging nicht kürzer)
,,Tochter einer leuchtenden Stadt" von Defne Suman war bereits im April ein spontaner Cover-Kauf für mich. Der Klappentext hat mich sofort angesprochen und neugierig gemacht, weshalb ich heute, Anfang September gar nicht recht verstehen kann, warum es letztlich doch relativ lang auf dem SUB lag. Es war kein einfaches Buch, es hat mich gefordert, aber ich wollte es so unbedingt mögen! Es sieht so schön aus und klingt so gut!

Die Autorin erzählt uns in ihrem Roman die bewegende Geschichte der Stadt Smyrna (weniger die der titelgebenden Tochter), dem heutigen Izmir, mit Fokus auf die Zeit des Griechisch-Türkischen Kriegs in den Jahren 1919 - 1922.  Smyrna war zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine multikulturelle, weltoffene Stadt, in der Europäer, Griechen, Türken und Levantiner gut mit einander unter osmanischer Herrschaft lebten, was wir Leser*innen durch die französische Familie Lamarck, die griechische Familie Yagcioglu und die türkische Familie von Sümbul und Hilmi Rahmi mit-erleben dürfen. Mit Ende des ersten Weltkriegs und dem damit auch verbundenen Niedergang des osmanischen Reichs, änderten sich jedoch die Machtverhältnisse in der Stadt. Die Stadt wird Griechenland zugesprochen und viele Griechen träumten von weiteren Eroberungen und Großgriechenland.

Der Erzählstil von Defne Suman ist besonders und sicherlich nichts für jede*n Leser*in. Auch ich hatte böse Startschwierigkeiten, kam extrem langsam voran und war mehrfach geneigt, das Buch abzubrechen. Der Erzählstil ist zum einen schnörkelig-schön und lässt an die Märchen aus 1001 Nacht denken, aber gleichzeitig ist die Geschichte auch sehr verwirrend, nahezu verwaschen geschrieben. Gerade zu Beginn habe ich nicht verstanden, wer wann was erzählt. Es ist eine unruhige Erzählform:  es wird sehr impulsiv und auch nicht immer auf Anhieb klar erkennbar in den Handlungssträngen, Zeitebenen, Erzählperspektiven hin und hergesprungen, was das Buch sehr anstrengend zu lesen wirken lässt. Ich brauchte einen entsprechend klaren und wachen Kopf und Ruhe, Muße und Zeit um mich richtig in die Geschichte einzulesen. Nach gut der Hälfte hatte ich dann den Erzählstil durchdrungen und verstanden, was mir die Autorin da in ihrer ganz eigenen Art erzählen will. Gleichzeitig hatte aber auch das Gefühl in dieser ersten Buch-Hälfte viel verpasst zu haben, weil ich so viele Fragen hatte, weshalb ich das Buch noch einmal von vorne begonnen habe.

Aufgrund des besonderen Erzählstils habe ich mich zusätzlich vor dem Neu-Start anhand von Dokumentationen und Artikel mit dem geschichtlichen Hintergrund etwas vertrauter gemacht. Denn die Geschichte Smyrnas und der griechisch-türkische Krieg waren totales Neuland für mich, bis auf den Namen Kemal Atatürk hatte ich noch nichts von alledem gehört und wirklich gut verständlich kam der geschichtliche Hintergrund für mich nicht rüber im Buch. Das Vorwort war zwar gut, aber es hat mir nicht gereicht. Da hätte ich mir mehr Informationen zu den historischen und politischen Zusammenhängen gewünscht, wie z.B. einen Zeittafel, oder eine Karte der Region.

Im Nachgang habe ich das Buch in wirklich guter Erinnerung, auch wenn mir die Figuren nicht so nah waren, wie ich es mir gewünscht hätte. Aber ich haben den Frauen dieser Geschichte gerne auf ihrem Weg begleitet und ihre Entwicklung beobachtet. Vor allem Edith mit ihrem  Unabhängigkeitswille wird mir noch lange im Gedächtnis bleiben. Aber wirklich hängen geblieben ist das traurige und auch wütende Gefühl bzgl. der Tatsache, dass hier Menschen der unterschiedlichsten Bevölkerungsschichten und Kulturen jahrhundertelang friedlich zusammenleben konnten und dass das alles und auch die Stadt, die wunderschön gewesen sein muss, durch einen unsinnigen Krieg zerstört wurde und Zivilisten, Freunde, Nachbarn, Menschen wie Du und ich darunter leiden und auch ihre Leben lassen mussten. Ein Buch, dass in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts spielt und 100 Jahre später in seinen Grundsätzen leider immer noch genauso aktuell ist.

Bewertung:
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Rock the Night!