Caroline Ronnefeldt - Quendel

Begonnen von Sagota, 15. März 2018, 09:10:27

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Sagota

Caroline Ronnefeldt hat mit "Quendel" ein sehr fantasievolles und lesenswertes Début im Genre Fantasy verfasst, das sich zu lesen lohnt. Herausgegeben wurde das Buch, ein rechtes "Schwergewicht", im Verlag ueberreuter: Das irrlichternde und wirklich zauberhaft gestaltete Cover hat meine Neugierde auf sich gezogen, auf den Innenseiten der Buchdeckel dieses HC ist eine Landkarte mit den Orten, die von Quendeln bewohnt werden, enthalten: Schließlich ist der Hauptprotagonist Hobby-Kartograf und die Autorin ihres Zeichens Illustratiorin. Dass sie nicht nur mit Farbe und Stiften sehr gut umzugehen weiß, sondern auch "mit Worten malen kann", beweist ihre wirklich sehr schöne, dem Genre angemessenen ausgefeilte und zauberhafte Sprache, in der "Quendel" verfasst wurde!

Bullrich Schattenbart, ein Hobby-Kartograf aus Grünlohe, sitzt bei seinem ausgiebigen Frühstück (das mich zusammen mit dem Dorf und den weiteren Beschreibungen durchaus an die Hobbits im Auenland erinnerte ;) und sinniert darüber, warum es ihm noch immer nicht gelungen ist, alles zu seiner Zufriedenheit zu vermessen: So beschließt er kurzerhand (ungewöhnlich für einen Quendel, der Gemütlichkeit und Ruhe liebt, jedoch keine Abenteuer), den nahegelegenen Wald Finster aufzusuchen - oder zumindest seine Randgebiete, um die Arbeit als Kartograf endlich fertigstellen zu können....

Da er am Abend nicht zurückkehrt und zuvor noch auf dem Heckenweg Vetter Zwentibold einen Bären aufband, den dieser gerne zu Hortensia trug, einer Nachbarin Bullrichs und aus der Familie der Samtfuß-Kremplinge stammend, machen sich Zwentibold, Hortensia, Beda und ihr Sohn Karlmann sowie Hulda große Sorgen um ihn und beschließen, ihn zu suchen. Zuvor holen sie sich noch Rat beim alten Pfiffer ein, der sich der Gruppe gemeinsam mit seinem roten Kater Reizker anschließt - sicherheitshalber, denn es ist schon dunkel und die Nacht naht...

Ein anderer Erzählstrang handelt von Fendel Eichhase, der ein Nachfahre des Ästigen Porlings ist, der einst im Wald Finster verschwand.. Er ist ein rechter Trunkenbold und dies bringt ihn eines Abends nach vielen Lorchelbechern vor die Stalltüre von Pirmin, der mit seiner Frau und seinen Kindern auf die Geburt eines kleinen Stieres wartet...
Hier gibt es viel Düsterkeit und Schatten, viel Schilf und Moor, die den gruseligen Anteil dieser Fantasy-Saga deutlich erhöhen. Auch Schrecknisse aller Art und fantastische Wesen lernt man in diesem Roman kennen, vor allem aber ist immer wieder ein unheimliches "silbernes Glitzern" im Nebel zu sehen, das von nichts Gutem kündet und nicht zu dieser Welt gehört...

Die Autorin haucht den Quendeln Leben ein und versteht es ausgezeichnet, eine Atmosphäre zu schaffen, die den Leser verzaubern: Die Bäume, die Wälder, die Natur überhaupt spielt ebenfalls eine Hauptrolle; einer Dorflinde kommt sogar eine ganz besondere Bedeutung zu. Auch gibt es zauberhafte Verbindungen zu der Welt der Pilze: "Heilige Hohltrüffel"!! ist neben anderen gängiger Ausdruck für großes Erstaunen in "Quendel-Sprache". ;) Die wundervolle Erzählweise und liebenswerten Charaktere der Quendel, die mit Hobbits durchaus verwandt sein könnten, aber auch charakterlich so manchem Menschen entsprechen und die fantastischen Beschreibungen der jeweiligen Umgebung, in der die Gruppe um den alten Pfiffer, Zwentibold, Hortensia und den anderen zahlreiche und gefährliche Abenteuer bestehen (müssen), haben mich gut unterhalten und mir sehr gefallen.

Ich kann "Quendel" allen Lesern (Kindern und Jugendlichen ab 12 Jahren sowie Erwachsenen) sehr empfehlen; allerdings würde ich eher ängstliche Kinder von der Empfehlung ausnehmen, da die Perspektive doch oftmals sehr düster ist. Hier hätte ich mir mehr Helligkeit gewünscht und vermisste den Fortgang der  fantastischen Reisen von Bullrich wie auch von Fendel Eichhase: Diese beiden losen Erzählstränge könnten sich jedoch in einer Fortsetzung (bzw. zwei) weitererzählen lassen? Ich vergebe 4 fantastische * Sterne am Genrehimmel Fantasy und danke für spannende und schöne Lesestunden sowohl der Autorin als auch dem ueberreuter-Verlag!


Inge78

"Als in Gebirgstälern, in die noch niemals sehr viel Licht gedrungen war, sich mit einem Mal die Schatten verdichteten, so, als habe die Sonne es nun gänzlich aufgegeben, diese klammfeuchten Orte durch ihre wärmenden Strahlen für kurze Zeit aufzumuntern und als hielte selbst der Mond es für Verschwendung seines silbrigen Glanzes, in solch düstere Ödnis hinabzuscheinen, als im Verborgenen sich Schatten langsam und unmerklich nicht länger damit begnügten, bloße Schatten zu sein, sonders etwas anderes, begann sich Unnennbares zu regen, lange vergessen und noch nicht greifbar, aber zunehmend und sich bedächtig ausbreitend, wie die schemenhaften Schwaden einer im Unsichtbaren schwelenden Brandstelle."

Die Quendel sind ein gemütliches Völkchen, sie bleiben lieber gemütlich zu Hause als große Abenteuer erleben. Und doch müssen sie genau das machen, als eines Tages Bullrich Schattenbart nicht nach Hause kommt und seine Freunde sich auf die Suche nach ihm machen. Nur im Schreckliches zu finden.

Der Vergleich zu Tolkien und seinen Hobbits drängt sich hier unweigerlich auf. Aber Caroline Ronnefeldt hat eine ganz eigenen Geschichte zu erzählen. Eine Geschichte, in der sie geschickt Mythen und Märchen verwebt und eine ganz eigene düstere Version daraus macht. Das Buch hat mich überrascht, ich hatte es weniger düster, weniger ausufernd erwartet. Das Zitat oben ist der erste Satz des Buches und zeigt, wo die Reise hingeht. Ich konnte die Geschichte nicht so einfach weg suchten wie erwartet, musste doch sehr aufmerksam sein beim Lesen. Der Erzählstil der Autorin ist herausfordernd. Und sehr detailreich. Das muss man mögen. Ich habe eine ganze Weil gebraucht um mich da einzufinden. Und ich hatte überraschend viel Probleme mit den Figuren, denen ich nie so richtig nahe gekommen bin. Aber schlussendlich konnte mich die Story doch sehr überzeugen, ich mochte vor Allem die sehr düstere Atmosphäre , die Bedrohung die über Allem liegt. Ich mag es dass es sehr mystisch ist, dass der Wald Finster schon fast eine eigene Persönlichkeit im Buch entwickelt. Und ich bin so wahnsinnig gespannt wie es weitergeht, so dass ich auf jeden Fall weiter lesen werde und nun ja auch was, auf was ich mich beim Lesen einstellen muss. Für Fans von epischer Fantasy, die wirklich viel Tiefe hat.

[note 2]
Words are, in my not-so-humble opinion, our most inexhaustible source of magic. Capable of both inflicting injury, and remedying it - Albus Dumbledore

Im finst´ren Förenwald, da wohnt ein greiser Meister. Er ficht gar furchtlos kalt sogar noch feiste Geister.
(aus "ES" von Stephen King)

Fiktion ist wie ein Spinnennetz, das, auch wenn nur vielleicht ganz leicht, an allen vier Ecke des Lebens befestigt ist.
- Virginia Woolf