Schätzing, Frank: Tod und Teufel

Verlag: Goldmann Verlag
erschienen:
2003
Seiten:
509
Ausgabe: Taschenbuch
ISBN: 3442455316

Klappentext:

Köln im Jahr 1260. Durch die Gebeine der Heiligen Drei Könige, die der Erzbischof Rainald von Dassel als Kriegsbeute mitgebracht hat, hat sich in die einstmals kleine Stadt zu einem der größten Pilgerorte der Christenheit entwickelt — einen Pilgerort zudem, den mit dem Dom eine (wenn auch unfertige) Kathedrale krönt.

Aber nicht nur Gläubige zieht das fromme Treiben an, sondern auch Verbrecher, Strolche oder Mörder. Darunter sind eher liebenswerte Streuner wie Jacob, der aufgrund seiner roten Haare „der Fuchs“ genannt wird, aber auch wahrhaft diabolische Gestalten wie der Schatten, den Reisende schon einmal gern mit dem Leibhaftigen oder einem Wolf verwechseln. Die Wege von Fuchs und Wolf kreuzen sich, was Jacob zum Verhängnis zu werden droht. Denn ausgerechnet er beobachtet, wie jemand den Dombaumeister vom Gerüst stürzt — und verrät sich selbst dadurch, dass im selben Moment der Ast jenes Baumes bricht, auf den Jacob zum Apfelstehlen gestiegen war. Von nun an muss Jacob um sein Leben fürchten, und nicht nur das: Jeder, mit dem er spricht, stirbt eines unnatürlichen Todes …

Rezension:

Ein Krimi aus dem Mittelalter… so steht es auf dem Buch. Meiner Meinung nach ist das jedoch nicht ganz korrekt. Ich würde eher sagen das ist ein Psycho-Thriller aus dem Mittelalter und eine Liebeserklärung an die Stadt Köln mit ihren recht eigensinnigen, aber pfiffigen Bürgern.

Vor diesem Buch muss unbedingt gewarnt werden, denn der Autor fordert den Verstand seiner Leser heraus. Man kann dieses Buch nicht einfach mal so nebenher oder zwischendurch lesen, denn sobald man es zur Hand nimmt wird man gefesselt von dem phantasievollen mittelalterlichen Sprachgebrauch des Autors. Als Leser wird man dadurch zum konzentrierten Lesen animiert. Frank Schätzing bedient sich einer verständlichen und auch sehr bildhaften Sprache. Er lässt lateinische Redensarten und uralte Begriffe wohl dosiert einfließen in diese angenehme mittelalterliche Ausdrucksweise.

Ich habe bisher nur sehr wenige historische Romane gelesen, in denen es der Autor von der ersten bis zur letzten Seite geschafft hat, sich ausschließlich und ohne Fehler dieser historischen Sprache zu bedienen, ohne das die Handlung oder die Dialoge steif und unverständlich gewirkt hätte. Bei diesem Buch trifft sogar das Gegenteil zu. Die Dialoge sind witzig und voller Charme. Ich habe oft laut lachen müssen oder vor mich hin geschmunzelt. Zugegeben, manchmal mal nervt es, wenn man immer wieder zum Anhang des Buches blättern muss, in dem der Autor die Übersetzungen der alten Begriffe bzw. lateinischen Redensarten erklärt.

Der Autor hat die Anzahl seiner Protagonisten in einem überschaubaren Rahmen gehalten, so dass er auf ein Personenregister locker verzichten konnte. Dafür ist eben der besagte Anhang zur Erläuterung der alten Begriffe beigefügt und ein Stadtplan von Köln bis Mitte des 13 Jahrhunderts  im Bucheinband enthalten. Die Charaktere der Hauptdarsteller sind sehr schön gezeichnet mit allen menschlichen Stärken und Schwächen.

Jacob der Fuchs wächst einem genauso schnell ans Herz wie auch der Dechant, Doctor und Physikus Jasper Rodenkirchen Ordinarius und Lektor für Canonsches Recht an den Franziskanern und Magister der sieben freien Künste. Auch der Färber Goddert von Weiden und seine Tochter Richmondis sind als waschechte Kölner wundervoll beschrieben worden. Bettler und Gelehrter, Handwerker und Patrizier, Jäger und Gejagte.

Das sind die Schicksale und Charakter mit denen Frank Schätzing hier geschickt jongliert.  Dabei erzählt der Autor einen Kriminalfall mit Tiefenpsychologie und Thrillerqualität. Während der Gelehrte lange philosophiert und lamentiert, ist ihm der Bettler schon mit seinem praktischen und überlebensorientierten Denken einen Schritt voraus. Umgekehrt braucht der Bettler die Erklärungen des Gelehrten um zu verstehen, wo er als nächstes Handeln muss. Ein ungleiches Paar, der Bettler und der Gelehrte, die jedoch zu verblüffenden Erkenntnissen gelangen und sich wunderbar ergänzen.

Indem der Autor die Lebensbedingungen seiner Protagonisten beschreibt, lässt er für den Leser das mittelalterliche Köln lebendig werden. Die dunklen Gassen, der laute Markt, der stinkende Unrat und die großen Unterschiede zwischen Arm und Reich. Die Angst der einfachen Menschen vor der Obrigkeit und den Kirchenfürsten mit der Macht Gottes gegen den Teufel.Mit viel Humor und Ironie stellen die Protagonisten Fragen und suchen Antworten zum Sinn des Daseins. Die Diskussionen zu existenziellen Fragen des Lebens und der Politik sind spannend, tiefsinnig und pfiffig.

Auch wenn manche Stellen im Buch zäh erscheinen, durch die langen Erklärungen des Gelehrten, sollte man diese Passagen nicht quer lesen, denn jede Information in hier wichtig um die Handlung zu verstehen.

Ein wenig enttäuscht hat mich die zarte Lovestory in diesem Roman, aber ich hoffe sehr, dass der Autor sich hiermit nur eine Hintertür für einen weiteren Roman offen gehalten hat, mit diesen unglaublich sympathischen Protagonisten. Wie und vor allem ob es diesen liebenswerten Protagonisten am Ende gelingt „Tod und Teufel“ ein Schnippchen zu schlagen will ich hier nicht verraten. Stattdessen empfehle ich jedem Fan von historischen Büchern dringend dieses Buch zu lesen. Es ist ein Hochgenuss in diesem Genre.

Note: 1+