Baker, Tiffany: Die vergessene Tochter

Originaltitel: Mercy Snow
Verlag:
btb
erschienen:
2015
Seiten:
352
Ausgabe:
Taschenbuch
ISBN:
3442748305
Übersetzung:
Astrid Mania

Klappentext:

Ein marodes Anwesen in den Wäldern von New Hampshire. Das ist alles, was Mercy und ihren Geschwistern nach dem Tod ihrer Mutter bleibt. Doch auch wenn das Geld knapp und der Winter hart ist, sie halten zusammen. Im Städtchen Titan Falls beobachtet man die Geschwister hingegen mit Argwohn. Allen voran June McAllister, denn seit Generationen sind ihre Familien verfeindet. Einzig die alte Hazel, die ein schweres Schicksal selbst zur Außenseiterin gemacht hat, gibt Mercy eine Chance. Dann erschüttert ein Unfall, bei dem ein junges Mädchen stirbt, die Stadt, und inmitten von Trauer und Anschuldigungen kommen alte Geheimnisse ans Licht.

Rezension:

Kleinstädte dieser Welt haben alle diesen fadenscheinigen Anblick von Idylle, hinter der es vor Vorurteilen und Hass nur so brodelt. Aber manchmal habe ich das Gefühl, dass nur Amerikaner dies so gut einfangen können, wie es auch Tiffany Baker in „Die vergessene Tochter“ tut. Vermutlich liegt dies auch am american way of life, der für Menschen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen, einfach ein grandioses Fiasko ist.

Mercy und ihre Geschwister sind Waisen und müssen sich in ihrem kargen Leben zurechtfinden. Nicht besonders hilfreich ist es sicherlich, dass auch die Nachbarn in Titan Falls eher argwöhnisch, denn gutmütig sind. Diese Atmosphäre aus Ablehnung und Armut, aber auch den tiefen Zusammenhalt der Geschwister, fängt Baker gekonnt ein. Ihre Sprache ist sehr süffig und bildreich und man glaubt, wirklich jeden Baum und jedes Haus in Titan Falls vor Augen zu haben. Auch in der Charakterisierung ihrer Figuren geht sie sehr ins Detail, was das ganze Geschehen sehr realistisch wirken lässt. Es ist, als würde man selbst den Staub der Straßen oder die Kälte des Winters spüren.

Die Autorin benutzt ihre Figuren zudem äußerst geschickt, weil sie die Geschichte aus verschiedenen Perspektiven erzählt. Das mag manchmal etwas ungewöhnlich erscheinen und man muss sich darauf einlassen, aber wenn man dies tut, dann ergibt das alles ein faszinierendes Puzzle, welches sich auf unvorhergesehene Weise zusammenfügt.

Aber auch die Geschichte hat mich vollkommen überzeugt. Lang gehegte Geheimnisse sind in Familienromanen ja nicht unbedingt was Neues, aber mich haben einige Wendungen in „Die vergessene Tochter“ doch auf dem falschen Fuß erwischt. Tatsächlich herrscht den ganzen Roman über eine knisternde Spannung, weil man nie weiß, was die Autorin sich als nächstes einfallen lassen wird. Und das gepaart mit dem feinfühligen Schreibstil, den interessanten Figuren und der schonungslosen Darstellungen der Verhältnisse der Geschwister, schafft einen immens packenden Roman.

Note: 1