Yoon, Nicola: Du neben mir und zwischen uns die ganze Welt

Originaltitel: Everything, Everything
Verlag:
Dressler
erschienen:
2015
Seiten:
336
Ausgabe:
Hardcover
ISBN:
3791525409
Übersetzung:
Simone Wiemken

Klappentext:

Am Anfang war ein Traum. Und dann war Leben! Wenn ihr Leben ein Buch wäre, sagt Madeline, würde sich beim Rückwärtslesen nichts ändern: Heute ist genau wie gestern und morgen wird sein wie heute. Denn Madeline hat einen seltenen Immundefekt und ihr Leben lang nicht das Haus verlassen. Doch dann zieht nebenan der gut aussehende Olly ein – und Madeline weiß, sie will alles, das ganze große, echte, lebendige Leben! Und sie ist bereit, dafür alles zu riskieren. So hat man die Liebe noch nie gelesen! Das neue Lieblingsbuch für Töchter und ihre Mütter: Eine außergewöhnlich berührende Liebesgeschichte für Fans von Jojo Moyes und John Green mit besonderen Illustrationen, Skizzen, Notizen und E-Mails.

Rezension:

Dies wird eine sehr subjektive Rezension. Nun könnte man sagen, dass sind Rezensionen immer, aber ich versuche in der Regel schon auch mit einem gewissen Abstand ein Buch zu bewerten, um für alle Interessierten einen Mehrwert zu schaffen. Dies fällt mir ehrlich bei „Du neben mir“ ein bisschen schwer, denn ich habe es vorletztes Wochenende gelesen, als in meinem Bekanntenkreis ein junger Familienvater an Krebs gestorben ist. Das ganze Wochenende kreisten meine Gedanken um diese Tragödie und um dieses Buch. Ehrlich gesagt, musste man mich nur anpieksen und ich bin wegen jeder Kleinigkeit in Tränen ausgebrochen.

Vorweg, in diesem Buch geht es, wie ja auch schon im Klappentext ersichtlich nicht um Krebs und eigentlich auch gar nicht so sehr um Madeline Krankheit, sondern mehr um die Frage, was wir vom Leben erwarten, wie wir es nutzen, wie wir es wirklich leben und welchen Einschränkungen wir selbst dabei unterliegen. Manchmal sind dies Einschränkungen von außen. Von Menschen, Krankheiten und anderen Lebensumständen, aber oft erlegen wir uns auch selbst diese Einschränkungen auf.

Mich hat dieses Jugendbuch sehr getroffen. Etwas unglücklich finde ich den Vergleich mit Jojo Moyes und John Green im Klappentext. Nicola Yoons Roman ist ein Jugendbuch und nicht jeder, der Jojo Moyes Unterhaltungsromane gelesen hat, mag sich vielleicht darauf einlassen. John Greens Bestseller „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ hat mich nicht sonderlich von den Socken gehauen, während mich Madeleine, ihre Geschichte und auch die Schreibweise sehr berührt haben.

Das Buch ist auch drucktechnisch ein Genuss. Der Text wird oft unterbrochen durch Bilder, Tabellen, Notizen, Zitate und ähnliches. Dies lockert den Roman zusätzlich auf, verleiht ihm gleichzeitig aber auch eine große Tiefe, da diese Einschübe immer etwas mit dem Geschehen zu tun haben und sie noch auf ihre Art verstärken. Madeleine hat kaum Möglichkeiten mit ihrer Umwelt zu kommunizieren und ihre Schicksal zu verarbeiten und so sind diese Kleinigkeiten neben dem Text auch immer das Spiegelbild ihrer Gefühlswelt.

Ich hatte bei einer bestimmten Szene in der Mitte des Buches eine Ahnung, wie das Buch ausgehen wird und so kam es dann auch, aber erstens wird wohl nicht jeder diesen Hinweis erkennen und zweitens hat es mir persönlich überhaupt nichts ausgemacht, weil Maddies Krankheit für mich ohnehin nur Mittel zum Zweck ist, um zu beschreiben, wie zwei Menschen zueinander finden (trotz aller Widerstände)  und um ihren lange verschütteten Willen nach wirklichem Leben zu zeigen.

Die beiden Protagonisten sind liebevoll gezeichnet und abgesehen von Madelines Mutter und ihrer warmherzigen Pflegerin die einzigen Figuren, die wirklich wichtig sind. Wie Madeline mit ihrem Schicksal umgeht, habe ich einerseits sehr tapfer, andererseits aber auch als sehr merkwürdig empfunden. Wie kann jemand jahrelang nicht nach draußen gehen und dabei auch noch ohne menschliche Kontakte überleben? Ich bin eher die Marke Stubenhocker und könnte mich durchaus wochenlang in meiner Bude beschäftigen, aber wenn ich mir vorstelle, dass ich nicht mal ein Fenster öffnen darf (Madeline darf nur gefilterte Luft einatmen), geschweige denn Besuch empfangen, dann finde selbst ich das unglaublich beklemmend.

Madeline selbst ist ein sehr freundlich und zuvorkommend und versucht sowohl ihrer Mutter, als auch ihrer Pflegerin so wenig Arbeit wie möglich zu machen. Sie fühlt sich schuldig, weil durch die Krankheit nicht nur ihr Leben eingeschränkt ist, sondern eben auch das ihrer Mutter. Ich habe mich manchmal gefragt, wieso sie nicht wütend und verzweifelt ist und dann kamen wieder diese eingeschobenen Bilder und Sprüche und mir wurde klar, dass Madeline all dies durchaus ist, sie diese Gefühle aber nicht zulässt, um nicht durchzudrehen.

Madeline und Olly verlieben sich sehr schnell ineinander. Das mag der ein oder andere unrealistisch finden. Für mich war aber einfach offensichtlich, wie sehr die beiden sich brauchen und wie gut sie zusammenpassen. Madeline blüht förmlich auf, kann dadurch aber auch ihre Ängste und ihre Wünsche nicht mehr ignorieren. Ihre Liebe zu Olly wird zum Wendepunkt in ihrem Leben. Nicola Yoon beschreibt dies in so klaren und schmerzhaft schönen Worten, dass ich Buch nicht aus der Hand legen konnte. Ein bravoröser Debütroman von einer Autorin, von der ich sofort unbesehen jede weitere Veröffentlichung kaufen würde.

Note: 1