Harrington, K. A.: Bis aufs Haar

Originaltitel: Forget Me
Verlag:
Magellan
erschienen:
2015
Seiten:
288
Ausgabe:
Klappenbroschur
ISBN:
3734850061
Übersetzung:
Kattrin Stier

Klappentext:

Morgans Freund Flynn ist tot, gestorben bei einem Autounfall. Doch irgendetwas stimmt nicht. Es gibt keine Beerdigung, kein Grab, keine Aufzeichnungen über ihn im Krankenhaus. War es wirklich ein Unfall? Morgan beginnt nachzuforschen. Als sie zufällig Evan begegnet, werden ihre Zweifel immer lauter, denn Evan sieht haargenau so aus wie Flynn. Wie ist das möglich? Ihre Suche nach der Wahrheit führt Morgan nicht nur zu den verlassenen Orten der Stadt, sondern bringt sie Schritt für Schritt auch demjenigen näher, der im Geheimen die Fäden in der Hand hält. Morgan ahnt nicht, in welcher Gefahr sie schwebt, bis es beinahe zu spät ist.

Rezension:

Wer mal wieder Lust auf einen richtig guten Jugendthriller hat, der kommt an „Bis aufs Haar“ nicht vorbei. Ich behaupte mal, ich bin schon eine versierte Krimi- und Thrillerleserin, auch wenn diese Sparte in den letzten Monaten und Jahren bei mir etwas in den Hintergrund getreten ist. Trotzdem braucht es schon ein bisschen, um mich an der Nase herumzuführen und dennoch hatte ich wirklich keinen Schimmer, wo der Hase in diesem Debütroman lang läuft.

Obwohl der Roman keine 300 Seiten hat, ist er eindringlich, spannend, atmosphärisch und wartet mit facettenreichen Figuren auf, was wieder einmal beweist, ein guter Autor braucht nur wenige Seiten, um seine Welt und seine Ideen zum Leben zu erwecken. Das einzig Blöde ist, dass das Buch viel zu schnell ausgelesen ist, weil es unmöglich ist, es vor dem Ende und der Auflösung um Flynn und Evan aus der Hand zu legen.

Mich hat besonders die Stimmung in „Bis aufs Haar“ gefangen genommen. Die von einer Wirtschaftskrise gebeutelte Stadt verwandelt sich immer mehr in eine Geisterbahn (so stelle ich mir Detroit vor) und die Autorin nimmt uns auf zahlreiche verwaiste Plätze mit. Es ist als wäre man auf einem gruseligen Abenteuerspielplatz und man weiß dabei nie, wer als nächstes um die dunkle Ecke biegt. Die beklemmende Stimmung überträgt sich auch auf viele Bewohner der Stadt, die sich immer mehr in Widersprüche verstricken. Bald wird klar, hinter Flynns Tod steckt so viel mehr, als auf den ersten Seiten angenommen.

Der Roman wird für Jugendliche ab 13 Jahren empfohlen. Dementsprechend ist dieser Thriller nicht zu grausam, aber dennoch wirklich sehr sehr spannend und aufgrund des Settings schön schauerlich. Ehrlich gesagt, ist es durchaus eine Wohltat so etwas zu lesen. Im Erwachsenenbereich ist es ja leider Gang und Gäbe sich gegenseitig mit abscheulichen Grausamkeiten zu übertrumpfen. Dies hat K.A. Harrington nicht nötig, denn die Geschichte und ihre Protagonisten sprechen für sich. Eine kleine Liebesgeschichte gibt es übrigens auch noch, aber sie wird wohltuend im Hintergrund gehalten und wird von daher auch männliche Teenager nicht abschrecken.

Hervorheben möchte ich wieder einmal das auffallende und liebevolle Cover. Mit knalligen Farben und dem Clownsgesicht (findet eigentlich jemand Clowns nicht gruselig??) ist es ein richtiger Eye-Catcher im Buchregal.

Note: 1

Reh, Rusalka: back to blue

Verlag: magellan
erschienen: 2015
Seiten: 208
Ausgabe:
Hardcover
ISBN:
373485606X

Klappentext:

Eine glückliche Familie – so etwas hat Kid nie gekannt. Sie hat gelernt zu verstecken, wer sie ist, was sie sich wünscht, wofür sie sich begeistert. Denn da, wo ihre Eltern sind, ist kein Raum für sie. Als sie Maxim kennenlernt, wendet sich ihr Leben: Zum ersten Mal weiß sie, was es heißt, glücklich zu sein. Doch ihre Eltern gönnen ihr dieses Glück nicht. Erst nach und nach begreift Kid, dass Träume nur wahr werden, wenn man um sie kämpft.

Rezension:

Der erst 2014 gegründete Jugend- und Kinderbuchverlag magellan ist mir dieses Frühjahr zum ersten Mal aufgefallen, als er gleich mit einer ganzen Flut von wunderschön gestalteten Jugendbüchern aufwartete. Zudem klangen sie alle auch inhaltlich sehr außergewöhnlich und fernab der gängigen Jugendbuchliteratur, die zumeist besprochen wird. Und „back to blue“hat mich schließlich nicht nur äußerlich, sondern auch literarisch überzeugt.

In Tagebucheinträgen berichtet Kid von ihrem eintönigen und lieblosen Leben bei ihren Eltern. Sie wird zu Hause im besten Fal nur geduldet, ansonsten aber psychologisch klein gehalten.

Obwohl das Buch gerade mal 200 Seiten lang ist, zeigt es feinfühlig, wie sich Kid für minderwertig hält, weil man ihr immer gesagt, dass sie es ist. Doch durch ihren Freund Maxim und ihre Freundin Silvia erfährt sie, was es bedeutet geliebt und geachtet zu werden und in dem Mädchen erblüht der Widerstand wie eine zarte Blume.

Vielleicht ist Glück ja meistens eine Momentaufnahme, ein Polaroid der Seele (S. 182)

Stilistisch ist der Roman sicherlich außergewöhnlich. Unterbrochen von Kids und Maxims Gedichten und ausgeschnittenen Überschriften aus Zeitungen, ergibt sich ein beeindruckendes Bild einer suchenden Seele. Etwas unpassend fand ich manchmal die Jugendsprache (genialst, krass, etc.). Natürlich ist Kid ein Teenager, aber trotzdem passt so eine Ausdrucksweise irgendwie nicht zu ihr. Sie liest gerne, beschäftigt sich mit Sprache und ihren Metaphern und irgendwie wirken manche Wörter einfach zu gewöhnlich. Allerdings nimmt es nicht Überhand und so manch wunderschöner Satz gleicht es auch wieder aus.

Der Titel „back to blue“ ist übrigens eine Anleihe zu Amy Winehouses „Back to Black“.

Auf mich wirkt sie unter all ihren Haaren und der Schminke, als könnte man sie einfach in der Mitte durchbrechen. Und die Songs sind ihre Kleider.  Dass sie gestorben ist, ist traurig. […] Aber das war sie selbst glaube ich, die ganze Zeit über: traurig. (S.83)

Kid entdeckt jedoch ihre Farbe in Form eines blauen Kleides, welches ihr Leben verändert.

Die Gegensätzlichkeit zu Kids Familie auf der einen Seite und ihren Freunden auf der anderen sind so stark, dass sie sich gegenseitig verstärken. Ihre Eltern, besonders die Mutter, nicht zu verabscheuen, scheint dem Leser unmöglich. Silvia oder das Pärchen, bei dem Kid ab und zu für ein paar Stunden auf die Kinder aufpasst, sind hingegen so liebenswürdig, mutig und selbstlos, dass es einem fast die Tränen in die Augen treibt.

Ein wunderbares und anspruchsvolles Jugendbuch mit einem sehr überzeugenden Schluss.

Note: 2+

Hoover, Colleen: Weil ich Layken liebe

Band 1 Will und Layken Trilogie

Originaltitel: Slamned
Verlag:
dtv
erschienen:
2013
Seiten:
384
Ausgabe:
Taschenbuch
ISBN:
3423715626
Übersetzung:
Katarina Ganslandt

Klappentext:

Nach dem Tod ihres Vaters zieht die 18-jährige Layken mit ihrer Mutter und ihrem Bruder von Texas nach Michigan. Nie hätte Layken gedacht, dass sie sich dort bereits am ersten Tag Hals über Kopf verliebt. Und dass diese Liebe mit derselben Intensität erwidert wird. Es sind die ganz großen Gefühle zwischen Layken und Will. Das ganz große Glück – drei Tage lang. Denn dann stellt das Leben sich ihrer Liebe mit aller Macht in den Weg…

Rezension:

Der erste Band der Will und Layken Trilogie erscheint bereits Ende 2013. Da diesen August der dritte und letzte Band erscheint, habe ich mir das Buch noch mal zur Brust genommen und kann die Rezension nachholen.

Wer meinen Blog schon etwas länger liest, weiß, ich hab es nicht so mit dem „New Adult“ Trend. Leider habe ich zu oft daneben gegriffen, aber bei Colleen Hoover werde sogar ich schwach. Auch ihre Geschichten sind wie im Genre üblich manchmal ein bisschen überdramatisch, aber ihre Figuren sind dabei so echt und unverfälscht, dass ich es ihr bisher immer verziehen habe.

Aus der Sicht der 18jährigen Layken beschreibt die Autorin, was es bedeutet, wenn gravierende Geschehnisse ein Leben verändern. Dabei geht es am Anfang des Romans noch eher sachlich zu. Der Tod des Vaters ist schon ein bisschen her und die Familie hat sich mit dem Schicksalsschlag arrangiert. Besonders gut gefallen, hat mir trotz des Umzuges, den Layken missbilligt, der liebevolle Zusammenhalt zwischen ihr, ihrer Mutter Julia und dem kleinen Bruder. Obwohl das männliche Elternteil fehlt, stelle ich mir so eine Idealfamilie vor, die sich umeinander sorgt und wo sich mit Liebe und Achtung begegnet wird.

Wil und Laykens Begegnung und die daraus resultierenden großen Gefühlen mögen nach nur drei Tagen ein bisschen überschwenglich ausfallen, aber komischerweise fand ich es nicht kitschig. Manchmal passt’s halt, würde meine Mutter sagen! ;-) Die Wendung nach diesen drei Tage hat mich übrigens auf dem falschen Fuß erwischt, weil ich sie wie Will und Layken nicht habe kommen sehen und tatsächlich ist dieses Problem so groß, dass sie ihre Beziehung nicht vertiefen bzw. gar nicht weiterführen dürfen.

In vielen New Adult Romanen handelt es sich dabei um merkwürdige Geheimnisse aus der Vergangenheit. Dem ist hier nicht so. Das Problem ist realistisch und wirkt nicht gekünstelt. Auch ist Will nicht der übliche Bad Boy, sondern ein warmherziger und liebenswerter junger Mann, der trotz der verqueren Situation eine Stütze für Layken und ihre Familie wird. Mir hat es gut gefallen, dass die Autorin auf Extreme verzichtet. Im Gegenteil versucht sie doch darzustellen, wie die beiden auf freundschaftlicher Basis weitermachen wollen, auch wenn das oft eher weniger gut gelingt.

Hoover verzichtet übrigens in diesem ersten Band auf erotische Szenen. Etwas, was leider der Konkurenz vollkommen abgeht. Da sehen sich die Protagonisten und sind im Prinzip augenblicklich sich auf dem Küchentisch wälzend anzutreffen. Hoover hingegen lässt ihren Figuren Zeit und legt Wert auf die Offenlegung wahrer Gefühle und wer sagt eigentlich, dass nicht auch eine gute Kussszene richtig leidenschaftlich sein kann.

Gegen Ende bleibt natürlich kein Auge trocken, auch wenn mir die Autorin einen erneuten Schicksalsschlag etwas zu leicht abhandelt. Zwar ist es bewundernswert, wie die betroffenen Personen damit umgehen, aber mir ist das zu beherrscht, kontrolliert und gefasst. Ich würde ausrasten!

Interessant und so sicherlich einzigartig ist die Verknüpfung der Handlung mit dem Thema Poetry Slam. Will und Layken besuchen einen Slam am Abend ihrer ersten Begegnung und auch später haben sie eine wiederkehrende Bedeutung. Auch wenn mir bewusst ist, dass sich der Originaltitel des Romans „Slamned“ nicht so wirklich adäquat ins Deutsche übersetzen lässt, finde ich es ein bisschen schade, dass man ihn nicht einfach übernommen hat, passt er doch einfach perfekt als Überbegriff zu diesem Buch.

Note: 2

Patterson, James: Heart. Beat. Love.

Originaltitel: First Love
Verlag:
dtv
erschienen:
2015
Seiten:
320
Ausgabe:
Hardcover
ISBN:
3423761075
Übersetzung:
Stephanie Singh

Klappentext:

Scheinbar aus heiterem Himmel schlägt Axi ihrem besten Freund Robinson einen Trip quer durch die USA vor. Robinson macht mit und verwandelt die Reise in ein verwegenes Abenteuer: Statt mit dem Greyhoundbus düsen die beiden auf einer geklauten Harley los. Sie übernachten unter freiem Himmel und schwimmen in Privatpools – und immer wieder fragt sich Axi, wann aus ihrer Freundschaft endlich mehr wird. Doch eines Morgens holt sie das Schicksal ein und es wird ihnen klar, dass sie sich vom ersten Augenblick geliebt haben und jeden einzelnen Moment des Glücks, der ihnen bleibt, auskosten wollen …

Rezension:

James Patterson ist ein viel beschäftigter Autor. Normalerweise im Thriller-Genre zu Hause, schreibt er ab und zu auch Frauenromane und phantastische Kinderbücher. „Heart. Beat. Love.“ ist sein erster Ausflug ins Jugendbuch-Genre und der funktioniert aufs Vortrefflichste. Ich gestehe, ich bin immer etwas skeptisch, wenn ein Co-Autor auf dem Cover steht (in diesem Falle Emily Raymond). Bei Patterson ist das mittlerweile Gang und Gäbe und dennoch habe ich bisher bei keinem seiner Bücher das Gefühl gehabt, eine Mogelpackung vorgesetzt zu bekommen. Man erkennt seine Handschrift in jedem seiner Bücher.

„Heart. Beat. Love“ ist ein leicht geschriebenes Road-Movie in Papierform. Axi und Robinson schließt man schnell ins Herz und irgendwie hatte ich das Gefühl, ich würde die ganze Zeit auf der geklauten Harley als Beifahrer sitzen. Der Leser ist einfach mitten drin, was auch daran liegt, dass in dem Roman immer wieder schwarz-weiß Fotos eingestreut sind. Manchmal sind es nur Gegenstände oder Orte, die die Atmosphäre des Buches passend wiedergeben, aber manchmal zeigen sie eben auch Axi und Robinson in Form von Schnappschüssen. Normalerweise mag ich so etwas nicht, weil es natürlich auch ein bisschen die eigene Phantasie ausbremst. Ich brauche mir Axi nicht vorstellen, ich habe ja ein Foto von ihr. Aber irgendwie passt es in diesem Buch und das ungewöhnliche Konzept geht voll auf.

Axis Gefühls- und Gedankenwelt ist sehr feinfühlig und obwohl es wie bei Patterson üblich, keine Zeit zum Verschnaufen gibt und sich ein kurzes Kapitel an das Andere reiht, sind ihm die leisen Töne wirklich sehr gut gelungen. Sicherlich hätten es auch gut und gerne 50-100 Seiten mehr sein dürfen, um besonders das letzte Viertel des Buches etwas eindringlicher oder ausführlicher auszuarbeiten, aber irgendwie ergibt es auch so einen Sinnn. Das Buch ist wie ein Rausch. Ein Rausch aus Freiheit, Gefahr, Liebe – eben das pralle Leben. Nie hält es lange inne oder bleibt an einer Stelle stehen. Der ein oder andere wird das oberflächlich finden, ich glaube aber, es ist genauso beabsichtigt.

Ich möchte Euch übrigens empfehlen, das Vorwort erst NACH dem Lesen des Romans zu lesen. Für mich nimmt es der Geschichte die überraschende Wendung. So habe ich ab der Mitte des Buches geahnt, was passieren wird. Das tut der Begeisterung über das Buch zwar keinen Abbruch, aber vermutlich hätte ich es noch eindrücklicher gefunden, weil mich die Wendung wohl auf dem falschen Fuß erwischt hätte.

Note: 2

Lewin, Waldtraut: Wenn du jetzt bei mir wärst

Eine Annäherung an Anne Frank

Verlag:
cbj
erschienen:
2015
Seiten:
224
Ausgabe:
Hardcover
ISBN:
3570171086

Klappentext:

Längst ist das lebenslustige jüdische Mädchen, das sich zwei Jahre lang in der Prinsengracht zu Amsterdam vor den Nazis verstecken konnte und dort Tagebuch führte, zu einer Ikone erstarrt und geistert als Lernstoff durch die Klassenzimmer Deutschlands. Waldtraut Lewin wagt es, das Denkmal von seinem Sockel und Anne in unsere Welt zu holen, um sie besser kennenzulernen. Bei ihrer fiktiven Begegnung lässt sie Anne staunen über das, was sich in den siebzig Jahren seit ihrem Tod verändert hat. Und erzählt ihr vom Staat Israel oder vom neuen Deutschland, in dem Juden leben dürfen und Menschen gegen Rechtsradikalismus auf die Straße gehen. Zusammen wagen sie den Blick von heute auf das Gestern und das Morgen

Rezension:

Die 1937 geborene Waldtraut Lewin befasst sich von jeher in ihren Büchern viel mit Judentum und Nationalsozialismus. Seit längerer Zeit lese ich ihre zweibändige Geschichte „Der Wind trägt die Worte“, ein Projekt über die Geschichte der Juden, welches ebenfalls beim cbj Verlag erschienen ist und das ich allen, die sich für das Thema interessieren nur wärmstens an Herz legen kann.

Im März jährt sich Annes Todestag zum 70. Mal und so ist ihr ein wiedererstarktes Medienecho in diesem Jahr gewiss. Die Gefahr ein pietätloses oder gar lächerliches Buch vorzulegen, nur um das Thema zu bedienen, ist also sicherlich gegeben, aber als ich „Wenn du jetzt bei mir wärst“ in der neuen cbj Verlagsvorschau sah, wusste ich, Lewin würde es mit dem nötigen Wissen und auch Feingefühl angehen und ich wurde nicht enttäuscht.

Ich muss vorab sagen, dass ich Anne Tagebuch nie gelesen habe. Ich kenne einige Verfilmungen und hoffe immer noch, dass sich mal jemand erbarmt und den wunderbaren Zweiteiler mit Ben Kingsley als Annes Vater auf DVD herausbringt. Natürlich ist mir Anne Frank auch ansonsten ein Begriff. Ich habe das Haus in der Prinsengracht in Amsterdam besucht und mich mit ihrer Geschichte beschäftigt, aber zum Tagebuch habe ich irgendwie keinen Zugang gefunden.

Aber auch gerade für solche Menschen eignet sich das vorliegende Buch. Natürlich setzt Lewin ein bisschen Wissen voraus, aber selbst Jugendliche dürften im Geschichtsunterricht schon die nötigen Eckdaten in Bezug auf Anne Frank vermittelt bekommen haben und so fällt der Einstieg in die Geschichte nicht schwer.

Auf nur wenigen Seiten gelingt es der Autorin Anne so zum Leben zu erwecken, wie ich sie mir immer vorgestellt habe. Selbstbewusst, lebensfroh, ein bisschen frech und laut. Glücklicherweise hält sich Lewin nicht damit auf, Anne sehr viel über die modernen Errungenschaften nachdenken zu lassen. Natürlich staunt sie über Handys, Internet und Co., aber sie nimmt all das doch sehr neugierig auf und findet sich schnell zurecht. Der Autorin geht es vielmehr zu reflektieren. Was geschah damals und was hat sich heute geändert oder nicht. Wie würde ein Opfer wie Anne Frank uns Menschen heute sehen. Welche Fragen würde sie stellen und wie würde sie auf die Antworten reagieren.

Darunter sind sowohl amüsante, als auch bedrückende Szenen. Gerade im Hinblick der letzten Monate in Deutschland mit Pegida und Co. kann man nicht genug über das Thema reden und vor Fremdenhass warnen. Auch dieses Buch leistet dazu seinen Beitrag.

Das einzige Manko an diesem kleinen Büchlein, ist seine Kürze. Lewin hat so viel Hintergrundwissen und Ideen auf Lager, dass sie doch so manches Mal an der Oberfläche bleiben muss. Spielend hätte man die Seitenzahl verdoppeln können, ohne langweilig oder eintönig zu werden. Dennoch habe ich auf den grad mal 200 Seiten einiges über die Vergangenheit erfahren, was ich noch nicht wusste und vielleicht lockt das eher übersichtliche Buch auch eher, als ein 500 Seiten Schmöker.

Wer dieses Buch liest, darf übrigens nicht erwarten, dass umfassend Annes Geschichte erzählt wird. Das ist nicht Lewins Intention. Wer also überhaupt nichts über Anne weiß, sollte sich vorab ein wenig informieren. Im Prinzip tut es da auch schon der Wikipedia Beitrag über das Mädchen. Auch historische und politische Gegebenheiten könnten nur angerissen werden, wecken aber auf jeden Fall die Lust auf weitere Informationen. Das Buch bietet da einen gelungenen Einstieg.

„Wenn du jetzt bei mir wärst“ ist ein wunderbares kleines Experiment, welches Anne für die heutigen Leser in die Gegenwart transportiert ohne ihr die Identität zu nehmen oder ihrer Vergangenheit den Schrecken zu nehmen. Aber es ist doch schön, das junge quirlige Mädchen lebendig zu sehen. Umso trauriger ist der Gedanke, was aus ihr hätte werden können. Wer sich für Anne, aber auch für die Geschichte der Juden interessiert, dem sei Waldtraut Lewins Buch sehr zu empfehlen.

Note: 2