Baker, Jo: Im Hause Longbourn

Originaltitel: Longbourn
Verlag:
Knaus
erschienen:
2014
Seiten:
448
Ausgabe:
Hardcover
ISBN:
3813506169
Übersetzung:
Anne Rademacher

Klappentext:

Ein Millionenpublikum liebt Jane Austens „Stolz und Vorurteil“, ihren berühmten Roman über die Sorgen der Familie Bennet, für die fünf Töchter geeignete Ehemänner zu finden. Doch niemand weiß, was sich in Küche und Stall des Hauses Longbourn abspielt: Hier müht sich die junge Sarah über Wäschebottichen und Töpfen ab. Aber sie hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass das Leben mehr für sie bereithält. Ist die Ankunft des neuen Hausdieners James ein Zeichen? Während Elizabeth Bennet und Mr Darcy von einem Missverständnis ins nächste stolpern, nimmt im Hause Longbourn noch ein ganz anderes Liebesdrama seinen Lauf – denn James hütet ein Geheimnis von großer Sprengkraft.

Jo Baker erzählt Jane Austens bekanntesten Roman von einer ganz anderen Seite: der der Dienstboten. Und zeigt, dass deren Dramen jenen der Herrschaften in nichts nachstehen.

Rezension:

Ich bin kein ausgewiesener Jane Austen Experte, aber ich habe „Stolz und Vorurteil“ vor langer Zeit gelesen und kenne mindestens vier Verfilmungen (einschließlich der berühmten BBC Serie, in der Colin Firth zur Freude der Damenwelt in den Teich springt und irgendwann mit feuchten Klamotten wieder daraus emporsteigt). Ich habe auch ansonsten ein Faible für sogenannte „Period Dramas“, wie Downton Abbey, Verfilmungen von Elizabeth Gaskell Romanen (hm… Colin Firth oder Richard Armitage… eine schwierige Entscheidung), den Brontes (ach du meine Güte… jetzt auch noch Michael Fassbender als Rochester… ich streiche die Segel) und so weiter und so fort. Ich mag es, wenn die Details stimmen, wenn ich das Gefühl habe, da sitzen Leute, die geben sich Mühe eine Zeit richtig darzustellen und die literarischen Vorlagen ihrer Filme mit Bedacht zu interpretieren.

Und genau deswegen, finde ich ich „Im Hause Longbourn“ einfach wunderbar. Jo Baker will keine Fortsetzung schreiben oder sich mit Jane Austen messen. Stattdessen erzählt sie „Stolz und Vorurteil“ aus einem anderen Blickwinkel neu, ohne dabei aber das Original zu beschädigen oder zu sehr daran festzuhalten. So ist es nicht Austens unterschwelliger Witz, sondern mehr Bakers Beobachtungsgabe, die so reizvoll ist. Interessant auch, dass so einige liebgewonnene Figuren neue Facetten bekommen oder sie von anderer Seite beleuchtet werden. Besonders auffällig ist dies bei der doch immer etwas dümmlich wirkenden Mrs Bennett. Sie und auch einige andere bekommen einen etwas unterfütterten Hintergrund und so werden ihre Handlungsweisen verständlicher.

Jo Bakers Schreibstil ist dabei angenehm unaufgeregt. Sie beschreibt sehr ausführlich und ausufernd, was dem ganzen Roman eine eher ruhige Atmosphäre verleiht. Das muss man natürlich mögen, aber ich habe mich einfach an den vielen kleinen stimmigen Details erfreut, dem Einblick in das Leben zweier völlig verschiedener Welten (der Dienerschaft und der Herrschaft) und der feinen Charakterisierung aller Figuren. Es war ein bisschen so, als stünde ich irgendwo als Küchenmädchen mit einer Schürze in meiner Ecke und würde das Treiben in einer meiner wenigen spärlichen Pausen beobachten.

Der Roman richtet sich aber eindeutig an Leser, die „Stolz und Vorurteil“ kennen. Wer die Geschichte nicht kennt, der wird vielleicht zu wenig über die Bennets, Bingleys, Darcy und Wickham erfahren, weil das Hauptaugenmerk einfach auf der Dienerschaft und hier besonders auf Sarah liegt. Es ist Baker wichtiger diese Welt aufzuzeigen und die tägliche Mühsal ins kleinste Detail zu beschreiben. Ich könnte mir vorstellen, dass dies einige Leser vielleicht ermüdend finden, weil sie sich mehr Handlung versprechen. Ich habe den Einblick in die damalige Arbeitswelt einfach genossen, weil es in den meisten Romanen, in denen auch einmal das Dienstmädchen zu Wort kommt, es doch meist nur um irgendwelche geheimen Liebschaften und Intrigen geht.

Was Austen Fans angeht, so möchte ich Euch sagen, löst Euch von der ursprünglichen Geschichte und Euren Vorstellungen. Jo Baker ist nicht Austen und das ist auch gut so!

Note: 2+

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