Originaltitel: El jersei
Verlag: dtv
erschienen: 2010
Seiten: 414
Ausgabe: großformatiges TB
ISBN: 3423248165
Übersetzung: Ursula Bachhausen
Klappentext:
Still sitzt sie in ihrer Ecke im Wohnzimmer und strickt emsig vor sich hin. Seit einem Schlaganfall lebt Dolors bei der Familie ihrer jüngsten Tochter Leonor. Bis auf ihren Enkel Martí behandeln die Familienmitglieder die alte Frau jedoch wie ein Möbelstück, denn sie kann nicht mehr sprechen und sich nur noch durch Gesten verständigen. Aber Dolors ist weder blind noch taub geworden. Sie hat nach wie vor einen scharfen Verstand und es zudem faustdick hinter den Ohren. Während sie für ihre 16-jährige Enkelin einen wundervollen Pullover in leuchtenden Farben strickt, entgeht ihr nichts von dem, was in dieser scheinbar normalen Familie vor sich geht. Jeder hütet hier ein Geheimnis. Nicht zuletzt Dolors selbst …
Rezension:
Anfänglich hat der Roman eine große Begeisterung bei mir entfacht. Bianca Busquets schreibt eher schnörkellos, aber gerade diese Ehrlichkeit und der unverfrorene Blick auf Schwächen und Stärken der Figuren ist sehr erfrischend. Dolors ist alles andere als still, auch wenn sie nichts sagt. Sie macht sich eigentlich zu allem Gedanken und sie macht sich keinerlei Illusionen über ihre Kinder, Enkelkinder und auch nicht über sich selbst.
Auch stilistisch ist das Buch interessant, denn der Erzähler scheint in Dolors Kopf zu sitzen und alles zu beobachten. Dabei wird das Geschehen und die Beobachtungen immer wieder von Dolors Erinnerungen unterbrochen. Das Buch liest sich also wirklich so, wie die alte Frau ihr Dasein emfpinden muss. Ein Wust aus Träumereien, Hinschauen und genau Hinhören, sarkastischen Bemerkungen (die natürlich nur in ihrem Kopf stattfinden) und Vergangenem, die immer wieder ohne Vorwarnung ineinander überlappen. Trotzdem weiß der Leser immer wo er ist und auch ohne Vorwarnungen oder stilistische Mittel (Absätze, etc.) ist immer ersichtlich, was genau Dolors gerade meint.
Leider flacht der Roman im Laufe der Zeit immer mehr ab, denn auf 300 Seiten verwurstet Blanca Busqets sämtliche Klischees, die man sich nur denken kann. Magersucht, Homosexualität, sexuelle Nötigung, Affähren, Eitelkeit, etc. Und das alles in einer Familie! Die Lebensweisheiten der stummen Oma lockern das Ganze zwar immer wieder auf, aber im Vergleich zum naiven und teilweise sogar dummen Rest, sind ihre altklugen Gedanken manchmal schon fast zu viel. Trotz ihrer genauen Beobachtungsgabe bleiben einem ihre Kinder und auch Enkel seltsam fremd. Obwohl man so viel über sie weiß, leidet man nicht mit ihnen oder entwickelt Sympathien für sie. Auch das liegt wohl daran, dass sie letztlich Abziehbilder bleiben. Besonders Dolors eitler Schwiegersohn ist dermaßen übertrieben dargestellt, dass es irgendwann einfach nur noch ärgerlich ist.
Der Epilog, in dem die Ereignisse noch kurz aus der Sicht der anderen Personen geschildert wird, schließt zwar einige inhaltliche Lücken, ist aber letztlich ein Fremdkörper und wenig unterhaltsam.
Positiv erwähnen möchte ich das wirklich hinreißende Cover, das in natura wirklich genauso knallig und schwungvoll aussieht, wie auf dem kleinen Bildchen weiter oben.
Note: 3